Samstag, 15. Oktober 2022

Vor der Zeitenwende: Merkels Welt

Das Bindungs-S war bewusst gesetzt. Falsch zu falsch, auch symbolisch ließ das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" keine Zweifel daran zu, wie daneben die Nummer war, die sich die Kollegenden von der "Zeit" da geleistet hatten. Als "Rüstungsdeal - 1,9 Milliarden in 19 Tagen" klagten die Hamburger Nachbarn an, was als "Merkel Doktrin" in die Geschichte eingehen sollte. Unter der damaligen Bundeskanzlerin aus dem Osten Merkel "florierte" (Spiegel, Die Zeit, DPA) "der Verkauf von Panzern in Krisenregionen". Obwohl der alte grüne Slogan vom "Frieden schaffen ohne Waffen" damals noch uneingeschränkt galt, verweigerte sich die von Merkel geführte Bundesregierung dem, was später als „Vulgärpazifismus“ selbst von ausgewiesenen Friedensforschern und früherer grünen Parteivorsitzenden vermehrt auf Kritik stoßen sollte, ehe es zum offenen Verrat an der Lehre des früheren US-Verteidigungsministers Alexander Haig wurde, dass es Wichtigeres gebe als den Frieden.  

Panzer für die Blutprinzen

Israel bekommt Panzerfäuste, die saudischen Blutprinzen "Leopard"-Panzer und "Boxer"-Radpanzer, Bombengeschäfte gab es mit dem Menschenrechtsregime in Katar und Algerien, das trotz einer sabschiebungsrelevanten Lage millionenteure Fregatten kaufte, während das notleidende Ägypten U-Boote orderte. "Hochumstrittene Rüstungsgeschäfte", die die Lage in den Krisengebieten anheizte. Brisante Deals, die "ein Team von Redakteuren" mutig aufdeckte, ohne zu ahnen, dass das Exportverbot von Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete ebenso wie der Ausstieg aus dem Atomausstieg, die Schuldenbremse und der auf russisches Erdgas vertrauende Kohleausstieg aus dem grünen Parteiprogramm von 2021 ein natürliches Verfallsdatum haben würde. 
 
Damals beschäftigte sich der Bundessicherheitsrat noch im Einzelnen mit der Ausfuhr von Panzerabwehrwaffen nach Israel und dem Wunsch der Blutprinzen nach Radpanzern. 
Angela Merkel schaute böse wie Donald Trump vom "Spiegel"-Cover, verächtlichgemacht als Bundesinstitution durch eine Fotomontage, die sie Oberbefehlshaberin der Friedensarmee Bundeswehr in einem Tarnanzug zeigte, den die Pfarrerstochter in Wirklichkeit nie getragen hatte.
 

Immer jetzt weiß jemand irgendwann alles besser


Die Gesetze gegen Hass, Lizenzen zum Löschen und auf freiwilliger Basis verschärften Regeln gegen fake news im Netz existierten noch nicht, Nutzerinnen hatten es denkbar schwer, sich vor solchen perfiden Fälschungen schützen zu lassen. "Desinformation ist eine hochgefährliche Waffe", würde Medienstaatsministerin Claudia Roth erst Jahre später warnen, nachdem sie ein gegen sie selbst gerichtetes Fake-Foto mühevoll von einer Hassplattform hatte klagen müssen. 

Niemand ahnte all das, damals, 2013, als Uli Hoeneß an der Börse besser abschnitt als Goldman Sachs, die allzeit empörungsbereite Gesellschaft noch in den Kinderschuhen über den Flur schlurfte und die Neue deutsche Medienmacher*innen noch kartoffelmannzentriert den stolzen Namen "Neue Deutsche Medienmacher" trugen. Deutsche Medien partizipierten gern von Merkels kluger Politik, die stets "von hinten gedacht" war. Sorgen hatte niemand wegen der fatalen Abhängigkeit von Russland, die ja sogar im kalten Krieg funktioniert hatte. Erst später stieß das sauer auf. Wenn schon nicht wir selbst, die wir Merkel immer gelobt und gerühmt haben, müsste dann nicht wenigstens sie bereuen?
 

Gott in Köln, Steinmeier für Menschenrechte

 
Es waren schlimme Zeiten. Gott besuchte Köln, der später, viel später erst als Beschwichtigungskumpan des Kreml enttarnte Walter Steinmeier  mahnte die USA, im Fall Edward Snowden, mehr für die Beachtung der Menschenrechte zu tun. Dazu müssten Reformen im Geheimdienstbereich vorangebracht werden, die ein "transparentes, unabhängiges und verlässliches Rechtssystem" garantieren. Andrea Nahles, die sich in jenen Tagen gerade als Arbeitsministerin ausprobieren durfte, entwarf die prepandemische Vision einer Welt im Homeoffice: Mitarbeiter müssten nicht immer anwesend sein, sie könnten sich auch gegenseitig vertreten. "Es reicht dann völlig, wenn immer einer da ist."
 
Die Politik war tatsächlich so mit sich selbst beschäftigt, dass ihr keine Kraft blieb, im wirklichen Leben herumzufuchteln. Wer war Jürgen Trittin? Wer war Oskar Lafontaine? Welche Rolle spielte Norbert Röttgen? Was ist mit Dirk Niebel? Kennt jemand Guido Westerwelle? Den Erfinder des Guidoismus, gegen den so viele so lange und hingebungsvoll Front machten, dass er vergessen war, als er endlich besiegt wurde? Die Kroaten sprachen sich in einer Volksabstimmung jedenfalls für die Diskriminierung der Homoehe aus. Eine Ohrfeige für den Weltfriedenskontinent, der Kroatien trotz mangelnder demokratischer Reife und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit aufgenommen hatte. 
 

Fragwürdige Normalität

 
Vieles, was heute als völlig normal angesehen wird, wirkte fragwürdig. Tatsachen schienen anderen Deutungen gehorchen zu müssen, um als solche gelten zu dürfen. Von "Zeit" über "FAZ" bis Taz und "Welt" galt zwar damals schon das ungeschriebene 5. Gesetz der Mediendynamik, wonach Wahrheit das ist, auf was sich alle Beteiligten zum gegenseitigen Nutzen geeinigt haben. Und doch gab es Totalausfälle, etwa, als "Die Zeit" den Chef der SPD bezichtigte, "mit der Angst der Bürger zu spielen".

Kein Respekt vor den demokratischen Institutionen, keine EU-Kommission weit und breit, die beherzt eingreift und  den Betreuungsberechtigten den richtigen Weg zeigt. Wladimir Putin hatte noch nicht sein wahres Gesicht gezeigt und mit Donald Trump war der Hauptfeind der Menschheit noch nicht einmal auf dem Weg ins Weiße Haus, so dass schon ein 1,9 Milliarden-Euro-Rüstungsdeal mit engen und engsten Verbündeten, die später einmal als Retter der deutschen Energieversorgung die Bühne betreten werden, auf deutsche Leitmedien richtig aufregend wirkte. 
 
Hochumstritten sind heute nicht mehr Panzerlieferungen an die Mörder Jamal Kashoggis oder die Versorgung einer Sklavenhaltergesellschaft im Nahen Osten mit modernsten Waffen zur Führung von Stellvertreterkriegen, deren Opferzahlen zwanzigmal höher liegen als die im Ukrainekrieg. Sondern eine zögerliche Haltung bei der Versorgung eines im Korruptionswahrnehmungsidex der Bundeszentrale für Politische Bildung auf Platz elf von 15 postsozialistischen Staaten gelisteten Landes.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

ja und ? was interessieren mich B und C Völker

Anonym hat gesagt…

Das war was ganz anderes. Damals hat man Waffen an korrupte Regimes geliefert und sie sich bezahlen lassen. Heute liefert man Waffen an ein korruptes Regime und lässt die Steuerzahler bezahlen. Das ist eindeutig moralischer.

Deutschland unterstützt die Ukraine mit Ausrüstungs- und Waffenlieferungen – aus Beständen der Bundeswehr und durch Lieferungen der Industrie, die aus Mitteln der Ertüchtigungshilfe der Bundesregierung finanziert werden.

https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/krieg-in-der-ukraine/lieferungen-ukraine-2054514