Mittwoch, 17. Mai 2023

Leseschwäche: Starke Bilanz

Lesenkönnende frugen sich in der Vergangenheit oft, was eigentlich gemeint war.

Es geht nun ganz schnell. Das neue Deutschland-Tempo nimmt Fahrt auf, nach bleiernen Jahren der Stagnation zeigen sich erste Erfolge endlich auch in den Statistiken. Ein Kipppunkt scheint erreicht: Nachdem Studien immer wieder beklagt hatten, dass in Deutschland jedes fünfte Kind nach dem Verlassen der Grundschule nicht richtig lesen kann, nahm der Staat richtig Geld in die Hand. Zwischen 2005 und 2019 erhöhte sich das Bildungsbudget in Deutschland um 86 Milliarden Euro auf insgesamt 229 Milliarden Euro, zuletzt wurden sogar 334 Milliarden für marode Toiletten, Tablets und Schulreformen ausgegeben.  

Reiche Früchte

Ein Anstieg von fast 90 Prozent, der für die Gesellschaft nicht billig war, aber jetzt reiche Früchte zu tragen beginnt: Erstmals konnte nun ermittelt werden, dass inzwischen jedem vierten Kind das Mindestniveau beim Textverständnis fehlt, das für die Anforderungen im weiteren Verlauf der Schulzeit nötig wäre. 

Ein kleiner Schritt für eine große Nation, die früher nicht nur Fußballweltmeister, ESC-Sieger und Erfinder von Verbrennermotoren hervorgebracht hat, sondern auch Dichter, die mit der Sprache dermaßen umzugehen wussten, dass es ihnen nicht nur gelang, Bücher und andere Texte zu lesen. Darüberhinaus waren sie in der Lage, selbst eigene Schriften abzufassen, zuweilen als gereimte Verse, zuweilen als dicke Wälzer, im Falle von Karl Marx und Adolf Hitler gar in mehreren Bänden.

Das hat zu viel menschlichem Leid, zu vielen Missverständnissen und zu mehreren Diktaturen geführt. Bücher erwiesen sich immer wieder als blankes Gift. Zuletzt war es der frühere Berliner Senator Thilo Sarrazin, der es in die Hirne träufelte und die Gesellschaft zu spalten versuchte. Bekannt sind auch die Klagen über fake news und Verschwörungstheorien, die sich im Internet vorzugsweise als geschriebenes Wort verbreiten. Als besonders anfällig stellten sich hier zuletzt die Lesekundigen heraus, Menschen, die oft beiläufig in der Lage sind, willkürliche Zusammenstellungen von Buchstaben und Worten als Botschaften aufzufassen und ernst zu nehmen.

Verbesserung der Leseschwäche

Bisher war dagegen kein Kraut gewachsen. Über Jahre hinweg blieb nur jeder Sechste von der Versuchung verschont und bereit, sich Inhalte mundgerecht in Leichter Sprache zuführen zu lassen. Selbst bei den Jüngsten schienen die Bemühungen um eine Verbesserung der Leseschwäche vergebens: Der Anteil der tatsächlichen Buchleser ging zwar zurück. Doch theoretisch in der Lage, zu lesen, waren immer noch stabil vier Fünftel der nachwachsenden Generation Grundschule. Ein Anstieg zwar seit 2001, als nur knapp jeder siebte Grundschüler kein Buch lesen und kaum einen Satz entziffern konnte. Aber nur ein sehr mählicher, der kaum mit dem Anstieg der Anfang der 2000er Jahre neu erfundenen Statistik der "Armutsgefährdeten" mithielt.

Umso schöner ist der Erfolg, den die jetzt in Berlin veröffentlichte Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) melden konnte. Erstmals sind 25,4 Prozent der Kinder bis zur vierten Klasse  mit einer fehlenden Lesekompetenz ausgestattet. Das sind vier Prozent mehr als noch 2017, zehn Prozent mehr als 2001. Da die Ergebnisse bereits im Jahr 2021 zusammengetragen wurden, könnte der tatsächliche Anteil aktuell inzwischen bereits bei um die 27 Prozent liegen. Noch vor dem endgültigen Heizungsausstieg im Jahr 2029 wäre damit ein Drittel der Schülerinnen und Schüler bei der Absolvierung der weiteren Schullaufbahn gefeit vor Einflüsterungen, die in Schriftform verabreicht werden - etwa als Wahlprogramm, Hassbotschaft oder Verschwörungserzählung über eine angeblich von Politik und Behörden geplante "Große Transformation".

Nun kann Vertrauen wachsen

Es handelt sich bei der Relegasthenierung um Deutschlands größtes Demokratieschutzprogramm. Ganze Altersgruppen werden dem Einfluss von umstrittenen Populisten, den Trommlern der Untergangspauke und nicht zuletzt auch der russischen Kriegspropaganda entrissen, die ihre Wertschätzung für geschriebene Botschaften ganz zu Beginn des Überfalls auf die Ukraine mit dem Buchstaben "Z" verdeutlicht hatte. Damals war die Bundesregierung gezwungen, das "Z" unter Strafe zu stellen - ein Vorgang, der einmalig blieben wird, weil hierzulande bei konsequenter Relegasthenierung bereits um den deutschen Klimaausstiegszeitpunkt Mitte des Jahrhunderts keine Adressaten für derart alphabetisierte Angriffe zu finden sein werden.

Die von der Kultusministerkonferenz (KMK) vor mehr als 20 Jahren im Zuge des sogenannten PISA-Schocks formulierten Pläne für die Weiterentwicklung der Bildung in Deutschland haben damit zwar nicht die seinerzeit blauäugig formulierten Ziele erreicht. Dafür aber den Boden für künftige weitere Fortschritte bei Bildungsgerechtigkeit, Chancengleichheit und Resilienz gegen Zweiflerpropaganda und Untergangspropheten bereitet. Mit dem Verlust der Fähigkeit zum verstehenden Lesen ist eine entscheidende Grundkompetenz gegeben, auch später als Erwachsener ein Leben voller Vertrauen in die richtigen Maßnahmen der Regierung zu führen und sich umfassend betreuen zu lassen. Noch verfügt nur eine Minderheit darüber. Aber die Fortschritte sind unübersehbar und sie machen Mut, dass der Kurs richtig ist.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Diese lispelnde, zuckende Menschenkarikatur der Sarazene wollte ja lediglich, dass das Wasser im Topf langsamer erhitzt wird, damit der Frosch es nicht doch noch merkt - Umvolkung aber natürlich ja. Nicht nur Verkommenheit, sondern auch primitive Blödheit teilt er mit dem Spillemännchen Lucke, von wegen: Die Arbeitseinkommen wären zu hoch.

ppq hat gesagt…

bitte kennzeichne solche schmähungen als zitat mit namen des urhebers, wg.urheberrecht