Robert Habeck wollte den großen Wurf, die EU hat seine Vision nun endgültig verworfen. |
Die einen wackeln, die anderen weichen nicht. Die einen wollen es allen recht machen, Die anderen stehen noch stabil trotz Gegenwind und einem immer lauter anschwellenden Chor aus Hetzer, Hassern und Oppositionellen. Ein tiefer Riss klafft seit einigen Tagen ausgerechnet zwischen Brüssel und Berlin, den zwei bedeutsamsten Hauptstädten EU-Europas, in denen deutsche Politiker die weichen für die Welt stellen. Mit Bedacht. Mit einem großen Plan. Mit Rücksicht aber auch und vor allem auf die schlimmsten Betroffenen, die Armen und von Armut Bedrohten.
Europa der Meinungsunterschiede
Gerade hier aber zeigt das neue, agile Europa der 26 seit wenigen Tagen beunruhigende Meinungsunterschiede. Ja, in Berlin liegt der Kurs auf Klimaneutralität weiter fest an. Mit den jüngsten Beschlüssen zur Erhöhung aller Energiepreise entlang des Wachstumspfades, den die Große Koalition unter Angela Merkel noch in Zeiten festgelegt hatte, als an Pandemie, Krieg und den radikalen Bruch mit Russland als größtem Lieferanten von fossilen Brennstoffen nicht zu denken war, hat die Ampel-Regierung Handlungswillen bewiesen.
Was auch immer die Bürgerinnen und Bürgen von Steuererhöhungen und höheren Abgaben halten mögen, dieses Kabinett wird sich die höchsten Strompreise der Welt nicht nehmen lassen. Nahezu zwei Jahre noch haben Rot, Grün und Geld Prokura, zu tun und zu lassen, was sie wollen. Und dazu gehört es eben auch, mehr Geld bei den Wählerinnen und Wählern einzusammeln, die meistenteils ohnehin nicht oder nicht mehr die eigenen sind. Um den Haushalt entsprechend zu polstern, damit er irgendwann ausreicht, all die Traumzauberbäume festlich zu schmücken, an denen die klimaneutrale Stahlproduktion, das nachhaltige Bauen und Wohnen, der bewegungsfreie Verkehr und kalorienlose Ernährung der Zukunft hängen.
Preise hoch - und runter zugleich
Daheim steht die Bevölkerung fassungslos. Mit staunend offenem Mund, aber in stoischer Ruhe wohnen Millionen der eigenen Enteignung bei. Die Sprachrohre der Regierugnsverlautbarungen trompeten die der frohe Botschaft ins Land, wie gut es doch sei, dass die Bürger die Einnahmen aus dem CO2-Preis nun doch nicht per Klimageld zurückerhalten. Das Lob des "Sparzwangs" wird gesungen, der zu deutlich höheren Steuereinnahmen führen wird. Höhere Preise gelten als Segen, der in der Klimapolitik "Gutes" (SZ) bewirken werde - ein Wissen, das Deutschland schon einmal hatte, als die "Tagesschau" möglichst hohe Preise als "gut und richtig" gefeiert und der Fernsehprediger Lorenz Beckhardt inständig gebeten hatte: "Macht Fleisch, Auto fahren und fliegen so verdammt teuer, dass wir davon runter kommen. Bitte! Schnell! Dann wählen wir auch Euch alle!"
Dass ausgerechnet die EU querschießt, war nicht zu erwarten gewesen. Beim Aufbau einer umfassenden Kontrollgesellschaft mit bürokratischen Regeln, die bis in den letzten Millimeter jedes Mycels gesellschaftlichen Lebens reicht, waren Kommission, das halbdemokratisch gewählte Parlament und der Rat bisher stets treue Verbündete gewesen. Was sich deutsche Regierungen selbst nicht wagten, zu beschließen, wurde weitgehend unbeobachtet in Brüssel in verbindliche "Richtlinien" gegossen. Später dann musste es deutsches Recht werden, weil es nun mal so ist: Der Nationalstaat mit seiner Verfassung und seinen Verfassungsorganen hat verloren, wo eine überstaatliche Kommissarsversammlung, zusammengestellt in Hinterzimmern, und ein Operettenparlament ohne eigene Gesetzgebungskompetenz das Sagen haben.
Die ausgefallene Reform
Dem Drang der Berliner Ampel, die Deutschen und ihre Gäste künftig mit noch höheren Strompreisen zu noch mehr freiwilliger Sparsamkeit zu zwingen, schiebt die EU nun allerdings einen Riegel vor - und es stellt sich damit nicht nur gegen die Klimapläne der deutschen Regierung. Sondern es hat nebenbei auch den Versprechungen von
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, eine grundlegende Reform des EU-Strommarkts durchzuführen, eine Absage erteilt. Statt Preise für Verbraucher und Industrie zu dämpfen, indem deren Entwicklung von den Preisen der zur Erzeugung genutzten fossilen Energieträger "entkoppelt" (Habeck) werden, bleibt es auch künftig beim vielkritisierten Grundprinzip der "Merit Order". Das sorgt dafür, dass Strom aus Sonne und Wind, obwohl die keine Rechnung schreiben, am Markt zu denselben Preisen verkauft werden darf wie teurer Kohlestrom.
Eine in deutschen Medien wenig beachtete krachende Niederlage für Habeck, der die Reform des Strommarktes eigentlich bereits im Februar schon gestartet hatte. Aber ein Sieg für die Verbraucher, denn Ursula von der Leyen steht trotz des abgesagten Umbaus des Strommarktes zu ihrem Versprechen, dass Bürger künftig "billigen Strom" (Spiegel) beziehen können. Die "Strommarktreform", auf die sich die EU miteinander geeinigt hat, zielt direkt darauf, "Verbraucher in Europa künftig besser vor hohen Strompreisen zu schützen", wie die Süddeutsche Zeitung lobt.
Vorschriften statt Reform
Nichts von dem, was sich ändern sollte, ändert sich. Aber für EU-Verhältnissse ging es immerhin schnell: Nur 16 Monate dauerte es von Habecks Ankündingung bis zum Bescheid, dass es damit nichts werden wird. Stattdessen wird das neue "Gesetz zum Umbau des Strommarktes" stabilere Preise vorschreiben, die gesichert werden, indem Regierungen und Stromerzeugern langfristige Verträge zu Festpreisen schließen. Damit garantieren die Staaten Stromerzeugern einen Mindestpreis für Strom, der über deren Gestellungskosten liegt und eine feste Gewinnmarge garantiert. Fällt der Marktpreis unter einen vereinbarten Preis, springt der Staat ein und gleicht die Differenz aus. Liegt der Preis höher, geht Teile des zusätzlichen Überschusses an den Finanzminister. So zahlen Verbraucher bei niedrigen Preisen mehr als nötig, aber bei hohen auch. Nie aber so viel, dass es ihnen auffällt.
Was aussieht wie ein Widerspruch - hier Deutschland, dass Kurs auf noch höhere Strompreise nimmt, dort die EU, die mit Blick auf die wachsende Angst vor den anstehenden EU-Wahlen genau diese höheren Preise verhindern will - ist in Wirklichkeit ein ausgeklügeltes Gemeinschaftswerk. Zusammen spielen Brüssel und Berlin Mundharmonika: Berlin pustet, Brüssel zieht, die einen tuten, die anderen blasen. Niemand soll bemerken, dass der Strommarkt in der EU auch nach der epochalen "Reform" weiter nach dem Merit-Order-Prinzip funktionieren wird, das auf dem Höhepunkt der Energiepreiskrise noch als alleinverantwortlich für die Preisexplosionen ausgemacht worden war. Jeder soll bekommen, was er will: Die EU die guten Schlagzeilen, wie segensreich sie wider wirkt. Der deutsche Finanzminister aber seine neuen Einnahmerekorde, um die Löcher zu stopfen, die ein bisschen voreilig gegraben wurden.
1 Kommentar:
Die Steuern, die auf Benzin, Gas, Diesel liegen, werden langsam auf Strom umgeschichtet. Da ist noch viel Luft nach oben. Auf das Geld verzichten werden sie nie. 2 € die Kilowattstunde ist ein schönes Ziel. Ein paar Jahre wird es aber noch dauern.
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