Dienstag, 23. April 2024

SPD-TikTok-Offensive: Neue Abhängigkeit von China

Es ist nicht Stauffenbergs berühmte Aktentasche, aber die von Olaf Scholz. Er hat sie bei TikTok geöffnet.

So lange alles weitgehend unwidersprochen blieb, gefiel es der deutschen Sozialdemokratie sehr gut bei Kurznachrichtendienst Twitter. Dann aber kaufte der US-Milliardär, der Deutschland und dem sozialdemokratisch regierten Brandenburg seine erste große Elektroautofabrik schenkte, das Portal. Den Pionieren der Partei, die wie Saskia Esken und Kevin Kühnert schon ein neues Zuhause bei aufstrebenden Plattformen mit heute längst vergessenen Namen gefunden hatten, folgten nun immer mehr Funktionäre. Auch unabhängige Rundfunksender wanderten ab, bedeutende Institutionen wie die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die Universitätsbibliothek Mannheim folgten.

Kollaps ist absehbar

Der Kollaps von Twitter, inzwischen in X umbenannt, war nur noch eine Frage der Zeit. Würde er vor dem Zusammenbruch Russlands infolge der europäischen Sanktionen mit maximaler Wirkung kommen oder kurz danach? Eine andere Frage aber stellte sich in den Parteizentralen und Pressestellen: Jetzt, wo der eigene Rückzug von X dort Freiräume für Andersdenkende geschaffen hatte, wo könnte man sich denn nun unter Gleichgesinnten zusammenfinden, um einander zu beweisen, dass man noch gleichgesinnter als alle anderen? 

Die Parteivorsitzende preschte vor und ging zu Instagram, das sie nutzt, um "lieben Genoss*innen" für ihr Vertrauen auszusprechen. Auch Kevin Kühnert, bei Twitter einst ein Star, hat es dorthin verschlagen, wo er mit ernster Miene darauf drängt, "den Einfluss des Mullah-Regimes in Deutschland und Europa zurückzudrängen" oder sich selbst zeigt, wie er "trotz strömenden Regens" eine EU-Fahne durch Berlin trägt. 

Das Echo allerdings ist stets bescheiden. Und auch der leidige Widerspruch ist wieder da - Rechtspopulisten, Wählende und Ostdeutsche empfehlen der SPD, sich die Frage zu stellen "warum sie in Umfragen hinter der AfD liegt" oder sie raten dem SPD-Generalsekretär ungeachtet der neuen Delegitimierungsregeln dreist zu einer "ordentlichen Ausbildung".

Sehnsucht nach Sockenpuppen

Musk, dem Teufel in Menschengestalt, mit knapper Not entkommen, findet sich die deutsche Sozialdemokratie gefangen in einem Dilemma. Ein Zurück dorthin, wo ein paar Hilfskräfte als Sockenpuppen ausreichten, Schlagzeilen zu produzieren, gibt es nicht. Doch wie soll die Partei die eigenen Ansichten in die gesellschaftlichen Kanäle verklappen und die großen Redaktionen für ihre Thesen interessieren, wenn ihr wieder nur noch die Spamschleudern der Nachrichtenagenturen bleibt? Mit Blick auf die anstehenden Wahlkämpfe schließlich: Wie soll online gewonnen werden, was offline verloren gegangen ist? Reichen "persönliche Massen-SMS" (SPD) wirklich aus?

Der Kanzler hat Zweifel, die Partei ohnehin. Da Europa auch zwei Jahre nach dem Start einer entsprechenden Gründungsoffensive durch die EU-Kommission noch immer über keine eigenen großen Hass- und Hetzplattformen verfügt, stellte sich die deutsche Sozialdemokratie neu auf: Nach der "Tagesschau", die dazu eigens ihre eigenen Sicherheitswarnungen ignorierte, und der SPD, bei der enge Bande ins Reich der Mitte seit Martin Schulzens verheerendem Cavete-Abenteuer Tradition haben, hat sich auch Olaf Scholz entschlossen, die deutsche Abhängigkeit von China konsequent weiter auszubauen.  

Unter Spionageverdacht

Scholz ist nun auch bei TikTok, das bei Verbündeten unter Spionageverdacht stehende Tochterunternehmen des Pekinger Bytedance-Konzerns, dessen enge Verbindungen zur diktatorisch regierenden kommunistischen Partei und deren Armee seit langem bekannt sind. In den USA verlangt das Repräsentantenhaus deshalb inzwischen kategorisch einen Verkauf der App und eine Kontrolle durch neue US-Eigentümer. In Bundeskanzleramt in Berlin hingegen hofft man eher auf das von der EU zuletzt unnachgiebig angeprangerte "süchtig machende Design", die schädlichen Inhalte, mangelnden Jugendschutz, fehlende Transparenz bei Werbung, unzureichenden Datenzugang für Forscher sowie ein Risikomanagement, das den strengen europäischen Richtlinien Hohn spricht, aber auch vom Europäischen Parlament genutzt wird.  

Olaf Scholz kann hier seine Stärken ausspielen. Ungeachtet der vielen und schwerwiegenden Verdachtsmomente, die in Washington und Brüssel, aber auch beim Verfassungsschutz, beim ZDF und bei Sicherheitsexperten aufgrund der Beweislage gehegt werden, nutzte der Kanzler seinen Chinabesuch, um den Schulterschluss mit dem "nach innen immer repressiver und nach außen immer aggressiver" (Friedrich Merz) auftretenden Regime in Peking zu demonstrieren. Lässig spaziert Scholz bei TikTok durch Schanghai, er spricht über seine ehemals langen Haare, schüttelt die Hände unschuldiger Kinder, lässt sich von Chinas Diktator Xi hofieren und packt immer und immer wieder seine Aktentasche aus.  

Verachtete DSGVO

Dass jeder Filmschnipsel einen Transfer von Nutzerdaten nach China auslöst, der nach den in der EU geltenden Regeln der Datenschutzgrundverordnung nicht rechtmäßig ist, weil nach chinesischem Recht dort auch Geheimdienste Zugriff auf die Daten haben, schert den Bundeskanzler offenbar nicht. Auch die ARD, die SPD, die CDU und all die anderen staatlichen Institutionen, Gemeinsinnsender und Behörden, die im Hinterhof der Pekinger Diktatur um Aufmerksamkeit bei Nachwachsenden und Kindgebliebenen buhlen, sind strenge Datenschutzregeln, Menschenrechte und Grundwerte egal, wenn sie Chancen sehen, neue Zielgruppen zu erreichen und mit Verstößen davonzukommen.


3 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

>> Olaf Scholz kann hier seine Stärken ausspielen.

Ähääm. Darüber ist öffentlich nichts bekannt. Können diese Stärken bitte noch in den Artikel nachgetragen werden?

ppq hat gesagt…

das werte ich als versuch der delegitimierung. jeder kennt seine stärken! jeder!

Anonym hat gesagt…

Es naht ein runder Jahrestag des Wolfsschanzen-Attentates. Ich freue mich schon auf die blitzblöden Fragen, die seit Jahrzehnten üblich, warum Claus der Blaublütige den Leybhafftigen nicht einfach mit seinem Faustrohr ... Weil er die Schwerthand wech hatte, und an der Schildhand noch drei Fingers. Was gilt's? (Hiob 1.11) - Es wird wieder kommen.