Samstag, 8. Juni 2024

Doku Deutschland: Die Wahl zwischen Pest und Cholera

Ob sie es wird oder doch, interessiert Henry Schulze aus Badenburg bei Bollstedt nicht mehr. Der stabile Demokrat hat sich entschlossen, diesmal daheim zu bleiben.

 Diesmal bliebe ich daheim. Es ist mein erstes Mal und ich tue mich immer noch schwer mit dem Entschluss. Aber ich bitte Sie: Wen würden Sie wählen? Und wenn man hingeht, dann doch, um jemanden zu wählen, oder? Ich habe sie mir alle angeschaut, die Rechten und die ganz Rechten, die Linken und die von Mittelinks, die schrägen Vögel und die trüben Tassen. Aber zum ersten Mal konnte ich mich selbst nicht mehr überreden, mit meinem Kreuz wenigstens das Schlimmste zu verhindern.

Abschied eines Verhinderers

Verstehen Sie, was ich meine? Wenn alles schlimm ist, dann kommt am Ende immer das Schlimmste raus, egal, was man wählt. Das ist nicht bei Pest und Cholera, wo Sie als einigermaßen gebildeter Mensch natürlich wissen, dass die Entscheidung keine große Überlegung braucht. Immer die Cholera nehmen! Zwar töten beide Krankheiten im selben Maße, aber wirklich zu sterben lässt sich bei der Cholera gut vermeiden, wenn Sie einfach kein verseuchtes Wasser trinken. Bei der Pest dagegen, die kommt durch die Luft. Da wissen Sie nie, wann und wo.

Das war jahrzehntelang meine Methode. Bei jeder Wahl, bei der ich nicht wusste, was sie nun wieder vorhaben, habe ich korrigierend gewählt. Einfach immer die, von denen ich dachte, die verlieren zwar sicherlich, verhindern aber womöglich, dass die anderen durchregieren können. Oder aber ich war am Wahltag bloß da, damit meine Stimme mitzählt, so dass die, die gewinnen, nicht so hoch gewinnen. Es hat wenig genützt, aber ich habe mir immer gesagt, wer weiß, was sonst gewesen wäre! Nehmen Sie mal 2021, Bundestagswahl. Nur die SPD und die Grünen zusammen? Heiliges Heizungsrohr. Oder es wäre wieder ein große Koalition geworden. Statt nur den Scholz noch den Laschet dazu. Ich möchte es mir gar nicht vorstellen müssen.

Kein Blick aufs große Ganze

Das ist trotzdem schrecklich ausgegangen ist, lag an den anderen, habe ich mir gesagt. Die wählen nach ihren eigenen Interessen und ohne Blick auf das große Ganze. Den muss man doch aber haben! Man muss doch an alle Menschen denken und was das mit einem macht, die Stimme abzugeben und dann festzustellen, die haben das ernst gemeint. Die machen das jetzt alles wirklich und anders machen sie nicht, überhaupt nicht, kein Gedanke. Beim Geldwegnehmen sind sie immer schnell, beim Zurückgeben gibt es jede Menge Hindernisse. Würde ich auch so machen, aber genau, weil ich mich kenne, weiß ich, dass man da gegensteuern muss, dazwischenhauen mit dem Wahlzettel, weil richtig hauen geht ja nicht.

Nun muss ich aber sagen, das war umsonst. Hat keinen Erfolg gehabt. Rausgekommen ist nicht einmal nicht, was ich wollte, sondern alles, was ich nicht wollte.  Man kann keinem mehr vertrauen, und nicht mal darauf, dass man ihnen allen nicht trauen kann. Wenn ein Freund von mir immer gesagt hat, er gebe seine Stimme auf keinen Fall ab, an niemanden, weil jede Stimme für jeden, der sie haben will, bedeute, dass man mitschuldig werde an allem, was der danach damit anstellt, habe ich immer gelacht. Demokratie, mein Lieber, Demokratie, habe ich gesagt. Das lebt vom Mitmachen!

Pest und Cholera

Und nun spüre ich in mir, dass da was gestorben ist. Ein kalter Knubbel im Bauch, der eine Art Schuldgefühl auslöst. Aber kämpfe dagegen an. Letztlich weiß ich nicht, ob mein tiefsitzender Glaube an die Demokratie der Pest oder an der Cholera gestorben ist. Aber tot ist tot. Auf dem Pferd reitet keiner mehr. Mir ist dann auch egal, was sie mir nun vielleicht versprechen, diese Wohltat, jene Art Zukunft. Wenn man eine Weile dabei ist, weiß man doch, dass das alles Tinnef ist. Nächsten Monat werden sie wieder von nichts mehr wissen und nie was gesagt haben wollen. Kenn' ich. Brauche ich nicht.

Ich lasse es also diesmal darauf ankommen. Bei dieser Europawahl bin ich raus, der Stimmbürger Henry Schulze aus Badenburg bei Bollstedt verabschiedet sich von allen Kandidaten. Gute Fahrt noch und ein schönes Leben! Sollen sie machen, was sie denken. Sie haben mich vor vier Wochen nicht gebraucht, dann brauchen sie mich heute auch nicht. Meinetwegen kann da irgendwer den Chef machen, das kaspern sie ja sowieso unter sich ab, egal, wo einer wie ich das Kreuz macht.


12 Kommentare:

Hase, Du bleibst hier... hat gesagt…

Lassen wir mal bitte Wirtschaft, Migration und Gendergaga beiseite. Gaza wie immer, bleibt Ukraine übrig. Von den größeren Parteien bleiben genau 2 übrig, die gegen deutsche Waffenlieferungen sind. Die Einen sind Kommunisten im nationalen Schafspelz, die Anderen muss man wählen, sofern eine traditionelle, übliche Lebensweise wie bisher gewünscht ist.

Anonym hat gesagt…

Das war mal ein Text, der mir voll aus der Seele gesprochen war. Da kann ich jedes Wort unterschreiben. Vielen Dank.

ppq hat gesagt…

vielen dank zurück

ab montag geht es dann weiter wie gehabt

Anonym hat gesagt…

...eine traditionelle, übliche Lebensweise wie bisher gewünscht ist ...

Das werden wir uns abschmatzen können. Was gilt's? (Hiob 1.11)

Seit über dreißig Jahren immer wieder und wieder das Gejaule hinterher: Wäh! Wäh! Ich habe die doch nicht darum gewählt, dass die jetzt (nach Belieben auszufüllen) ---

Allerdings fragt man sich, wie jemand so bescheuert sein kann, heutzutage ernsthaft gen Ostland reiten zu wollen, noch dazu mit einer Parodie auf ein Heer.

Die Anmerkung hat gesagt…

„Heranwachsende Frauen wünschen sich offenbar relativ traditionelle Familienstrukturen“

Stand: 10:06 Uhr | Lesedauer: 6 Minuten

Von Freia Peters, Politikredakteurin

n0by hat gesagt…

Das erinnert mich einst an meinen Gang zum Wahllokal, bekam die Wahlunterlagen, ging damit raus.

"Halt, Sie müssen das hier einwerfen!"

Das "musste" nicht sein, dafür schmückten die Wahlzettel mein heimisches Klo ein Weile.

Gruss aus Schlandland wieder daheim nach sieben Monaten Winter im Warmen....

https://n0by.blogspot.com/2024/06/paradies-depression-im-landle-in-bayern.html

Werner Holt hat gesagt…

Alles nicht wählbar, weil Teil des Systems. Hach, bin ich schlau. Ich lasse mich nicht von diesen Altparteien und Scheinlösungen a là AfD hinter die Fichte führen, weil ich ja über den Dingen stehe. Alle meine Kumpels übrigens auch. Wir versichern uns alle gegenseitig der eigenen intellektuellen Überlegenheit und klopfen uns auf die Schultern. Gibt uns dann ein geiles Gefühl.

Vor allem dann, wenn wir auf die Zustände im Land sehen. Der Landen muß ja erst mal richtig gegen die Wand fahren, damit sich etwas ändert. Oder ist der das schon lange? Aber auf jeden Fall: Ohne uns.

https://www.youtube.com/watch?v=XN9xIn72ZDY&t=1s


Anonym hat gesagt…

@ Werner: Ich werde ja morgen hingehen und so tun, konnte auch noch diese und jene andere überreden - aber, ich erwarte nichts, Wunder am wenigsten. Vielleicht gelingt es ja immerhin, wenigstens ein paar dieser (Selbstzensur) vom Trog zu vertreiben. das wäre aber auch alles.
Kurt Tucholsky: Einmal alle vier Jahre, da dun wir so, als ob wir däten - das ist 'n scheenet Jefiehl ...

irgendwer hat gesagt…

Ich bin etwas spät, aber bevor es Montag wird...

Es hat sich mir ein ~20 Jahre alter Spiegelartikel zum 60-jährigen WKII-Ende eingeprägt.
Da beschrieben dt. Veteranen, wie sie Amerikaner, die sich gerade in einem Nest im Harz einquartierten, mit ihren MGs beschossen. Und zwar nicht, weil das militärisch irgendwie noch einen Sinn gehabt hätte. Sondern einfach nur aus grimmiger Freude daran, wie die übermächtigen Gegner auseinanderstoben.

In diesem Sinne
1. Grund zu wählen:
Die schon verteilten Claims durcheinanderbringen. Was dem Klüngel den kalten Schweiß heraustreibt, soll mir recht sein.

*
Als Kadyrow einst erwähnte, Russland wolle die DDR wiederhaben, war das sicherlich kein Scherz. Russland geht das Öl aus. (Fragen Sie nicht, das Vögelchen, dass mir das gezwitschert hat, bleibt anonym.) Und: Lithium gibt es in Russland nicht. Aber (der Größe nach, absteigend) im Donbass (derzeit noch ukr.Teil), in Skandinavien, im Baltikum und... im Erzgebirge. (Ok, des Dreiklangs wegen hab ich den Bayerischen Wald unterschlagen.)

Naja... wenn die Papiergeldblase platzt, ist es nicht nur für am. und chi., sondern auch für ru. Oligarchen schön, haufenweise immobile Assets in einer dichtbesiedelten Region zu halten, je billiger zu haben, desto besser. Gewisse Sanktionen stehen da allerdings noch ein wenig im Weg.
Ob das jetzt angenehmere Unternehmer/ Eigentümer/ Gläubiger sind, als Blackrock und Co, wage ich zu bezweifeln.

Aber. Wenn Mr. Friedman vor nun 9 Jahren in Chicago
die deutsch-russische Achse als größte Bedrohung für die USA anprangerte, galt und gilt die Bedrohung auch für China.
Einziger geopolitischer Player, der Interesse an einem wirtschaftlich und technologisch starken Deutschland hat, ist Russland.

2. Grund wählen zu gehen:
Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Und bei fehlender Trennschärfe zwischen US- oder chin. Einflussnahme gibt es nur sehr wenige Alternativen, die ru. (und damit womöglich deutsche) Interessen vertreten. Die Hoffnung ist ja, dass die Hoffnung zuletzt doch nicht stirbt.
Und wenn doch, dann bleibt mir zum Trost Grund Nr. 1.

Die Anmerkung hat gesagt…

Falls jemand denkt, unter Trump wird alles besser. Nix da.

Lindsey Graham, Republican of South Carolina

https://www.cbsnews.com/news/lindsey-graham-senator-south-carolina-face-the-nation-transcript-06-09-2024/

They're sitting on 10 to $12 trillion of critical minerals in- in Ukraine. They could be the richest country in all of Europe. I don't want to give that money and those assets to Putin to share with China. If we help Ukraine now, they can become the best business partner we ever dreamed of, that 10 to $12 trillion of critical mineral assets could be used by Ukraine and the West, not given to Putin and China. This is a very big deal how Ukraine ends. Let's help them win a war we can't afford to lose. Let's find a solution to this war. But they're sitting on a gold mine. To give Putin 10 or $12 trillion for critical minerals that he will share with China is ridiculous.

irgendwer hat gesagt…

Naja. Das alles gehört(e) nicht der Ukraine. Das gehörte einer handvoll Oligarchen. Als Selenski da ein Hebelchen ansetzen wollte, kam prompt der Rüffel aus Übersee in Form einer Geheimdienstmeldung, S. habe den Überfall mutwillig nicht ernst genommen und verpennt.

Das Lithiumlager bei Schewtschenko immerhin "gehört" (zwecks Ausbeutung, im technischen Sinne) einer australischen Firma.
(Auf der Landkarte zu finden ca. 70km nördlich von Wuhledar und ca. 90km südwestlich von Bachmut...)

PS: Soll nochmal jemand sagen, Russland hätte keine Gründe, in die Ukraine einzumarschieren: Es hat insgesamt 18 Billionen handfeste Gründe. Von denen gerade noch 6 Billionen offen sind.

irgendwer hat gesagt…

Ausgerechnet jetzt kommt der Meuthen um die Ecke und mosert, dass der Krah nicht nur einen Ex-SPDler eingestellt hatte (was die HAmpelmänner zu ungeschickt waren, um gerade das auszuschlachten). Nein, der Krah soll auch politisch extrem sinophil sein.

Die Lubjanka hat ihre Leute scheinbar auch nicht mehr im Griff.

Na dann до свидания und доброй ночи.