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Nur noch sechs Wochen Frist hat die Bundesregierung, um Maßnahmen gegen den drohenden Höllensommer zu verhängen. |
Der Januar war zu warm, der Februar ebenso, der März und der April sowieso und der Mai wird es in wenigen Tagen auch gewesen sein. In Jahr acht seit der erstmaligen Erwähnung des Begriffes "Klimaerhitzung" im früheren Nachrichtenmagazin "Spiegel" ist immer mehr und immer öfter zu spüren, was der Klimawandel mit Europa macht.
Wie viele anderen Weltgegenden erwärmt sich die alte Welt schneller und stärker. Zudem sind es ausgerechnet die Gebiete, in denen Politiker und Menschen sich am eifrigsten um eine Klimawende bemühen, in denen die Natur am heftigsten zurückschlägt.
Täuschende Kühle
Nachts im Mai zeitweise unter null Grad, es regnet nie, aber wenn, dann zu stark. Der Boden ist entweder zu trocken, um das viele Wasser aufzunehmen. Oder es gibt keins, so dass er noch stärker verdorrt. Immer geht alles zielgenau am Durchschnitt vorbei. Kaum ein Monat erreicht die vorgeschriebenen Sonnen- und Regenmengen.
Seit Jahren schon empfinden viele Deutsche das Wetter deshalb als zu zu. Medien aber verweigern nach wie vor eine kontinuierliche Beschäftigung mit der zunehmenden Gefahr, dass die Temperaturen in Schwerin sich denen in Barcelona annähern könnten und Hamburg zum nächsten Venedig werden könnte.
Vergessene Hitzeschutzpläne
Seit neun Monaten schon gibt es kaum mehr Berichte über den Stand der Dinge bei der Erstellung der nationalen und lokalen Hitzeschutzpläne. Mit dem Ausscheiden von Karl Lauterbach aus dem Amt des Hitzeschutzministers droht der Ausbau der Schatten- und Trinkbrunneninfrastruktur für die geplanten fünf Warn-, Alarm- und Einsatzstufen gänzlich zum Erliegen zu kommen.
Dabei zeigen aktuelle Langfristprognosen des europäischen Wetterzentrums ECMWF (European Centre for Medium-Range Weather Forecasts), Deutschland ein Sommer bevorsteht, in dem dem Land neben einem Hitzekollaps auch noch ein historischer Dürresommer droht. Noch täuschen relativ kühl erscheinende Temperaturen über das amtlich bestätigte Anrollen einer "Endlos-Hitze" schon in wenigen Wochen. Doch schon Ende Mai könnten 30-Grad-Wellen das Land zum Kochen bringen und ein "verlagertes Wettermuster" (FR) die Monate Juni, Juli und August in einen einzigen "Höllensommer" verwandeln.
Schuld ist zu saubere Luft
Der Hitzeschlag kommt offenbar nicht von ungefähr, es handelt sich aber auch nicht um eine gezielte Bestrafung der Staaten, die am meisten zur Erwärmung beigetragen haben. Vielmehr sind es offenbar die Erfolge bei der Luftreinhaltung, die die regionale Erhitzung beschleunigen. Saubere Luft enthält weniger Aerosole, die weniger Sonnenlicht reflektieren. Rußpartikel, Feinstaub und Industrienebel, die über Jahrzehnte wie ein Spiegel Hitze ins Weltall zurückgeworfen hatten, fehlen.
Mit fatalen Folgen, wie die Wettermodelle aktuell zeigen. Sonnenstrahlen treffen so nicht auf Hindernisse, sondern ungebremst auf die Erde. Die als Energieerzeuger willkommene Solarenergie trifft mit voller Wucht auf den Boden. Sowohl das europäische als auch das amerikanische Vorhersagemodell prognostizieren im Moment Temperaturabweichungen von zwischen 0,5 bis 1,5 Grad nach oben in großen Teilen Deutschlands. Für Osteuropa und Norddeutschland liegen die Prognosen des CFS-Modells sogar bei bis zu zwei Grad.
Leerstelle Hitzeschutz
Das 1,5-Grad-Ziel, das bis 2030 erreicht werden sollte, wäre damit fünf Jahre früher gerissen, während viele Kommunen noch kaum Hitzeschutzräume, klimatisierte Intensivstationen und Frischluftschneisen aufgebaut haben. Der neuen Bundesregierung steht damit nach dem Wiederanfahren der Wirtschaft, den neuen Sanktionen gegen Russland ("Paket 17") und dem Kräftemessen mit der Administration in Washington eine weitere Großaufgabe ins Haus, die nicht warten wird. Noch vor dem offiziellen Sommeranfang in sechs Wochen müssen neue Schutzmaßnahmen getroffen werden - von einer Koalition, in deren Grundlagenvertrag der Begriff "Hitzeschutz" nicht einmal auftaucht.
1 Kommentar:
Rußpartikel, Feinstaub ... Nicht ganz von der Hand zu weisen - sogenannte Kondenstationskerne.
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