![]() |
ACAB-Pullover und Eat-the-Rich-Cap von AliExpress für 5,59 Euro. |
In den ersten Momenten nach der Bundestagswahl waren die Fehlstellen groß. So viele waren nicht mehr da, die in den zurückliegenden Jahren als Quell steter Freude zuverlässig geliefert hatten, was draußen im Land so sehr ersehnt wurde. Humorvolle Auftritte, zugespitzte Aussagen, schonungslose Ansichten - die Jahre der Merkel-Regierungen, mehr aber noch die Ära des darauffolgenden Ampel-Kabinetts waren eine Zeit allerbester Unterhaltung.
Die verschwundenen Gesichter
Dafür sorgten so bunte Charaktere wie Peter Altmaier und Karl Lauterbach, Ricarda Lang und Robert Habeck, Saskia Esken, Kevin Kühnert und Hubertus Heil, aber auch ihre Gegenspieler Christian Lindner, Alice Weidel und all die anderen großen und kleinen Darsteller aus dem politischen Berlin. Sie waren - neben einer Kompanie von höchstens 30 anderen Frauen und Männern - das Gesicht der Berliner Republik. Ihre Auftritte bewegten die Massen, ihre Ansagen spalteten, ihre gegenseitigen Beschimpfungen und Unterstellungen sorgten für allerbeste Unterhaltung.
Der Bruch war heftig, die Aussichten waren traurig. So viele große Namen fehlten plötzlich. So viele neue Gesichter waren zu lernen, Funktionen zu begreifen, und Positionen zu verstehen. Von früheren Medienaktivisten wie Lang, Kühnert, Merkel und Maas und ihren Zeitgenossen wusste jeder, was von wem zu halten war. Auch die neue Mannschaft im Hauptstadtviertel setzt zwar auf bewährte Kader, gewaschen mit allen Talkshowwassern.
Doch dazu stießen viele unbekannte Namen, die bis dahin nur Spezialisten bekannt waren. 230 Abgeordnete im Bundestag sind neu, kein tabula rasa, aber auch kein stabiles Weiterso. Für die Neuen steht als erste Aufgabe, sich als Figuren in die tägliche Politsoap einzuführen, um die möglichst schnell kein Weg mehr herumführt.
Von der Schulbank ins Hohe Haus
Timon Dzienus, einem blutjungen Grünen, der direkt von der Schulbank ins Hohe Haus eingezogen war, gelang es als Erstem, sich zu etablieren: Der Junge aus Nordhorn zog eine Antifa-Flagge schwenkend zu seiner ersten Parlamentssitzung, er kampierte anschließend im Sitzungssaal und leistete schon bei der ersten Gelegenheit antifaschistischen Widerstand, indem er eine Entspannungspause in der Kantine machte statt den Ausführungen eines Politikers einer anderen Oppositionspartei zuzuhören. selbst der Linken-Politiker Luke Hoß blieb da nur der Weg zum "Focus", um frischen Wind in den Bundestag zu bringen.
Für eine Hauptdarstellerin wie Jette Nietzard, die Fernsehteams zwar im Bundestag empfängt, als Chefin der Grünen Jugend aber keinen Sitz im Parlament hat, ist es unter diesen Bedingungen eine Herausforderung, auf sich aufmerksam zu machen. Natürlich, wer sich ganz am Rand platziert, hat immer gute Aussichten, Aufmerksamkeit zu erregen. Ältere erinnern sich an Medienschaffende wie Martin Schulz, Karl Lauterbach und Sahra Wagenknecht, vor allem aber an Greta Thunberg, Luisa Neubauer und Martin Sellner, die es sogar ohne Abgeordnetensitz schafften, für die öffentlich geführte Mediendebatte als relevant zu gelten.
Rebellin in Adidas-Uniform
Wie Timon Dzienus ist Jette Nietzard ist die Erbin dieser Pioniere des politischen Influencertums.
Die blasse Blonde, nach dem kollektiven Rückzug des früheren Vorstandes der grünen Nachwuchsorganisation im Herbst vergangenen Jahres nach oben aufgerutscht, war schon im April beim "Stern" gewesen, um sich gut ausgeleuchtet als Stimme einer neuen, radikalen Generation inszenieren zu lassen. Die Rebellin trug dabei demonstrativ das Kostüm einer deutschen, aber globalen Weltmarke. Sie forderte die Abschaffung von Milliardären. Und eine "Welt, in der es keine Polizei mehr braucht".
Ein Aufschlag, der der 26-Jährigen, die eigenen Angaben "seit 2024 im Deutschen Kinderhilfswerk unter anderem zu den Themen Beteiligung und Geflüchtete" arbeitet, den Ruf einer Rebellin verschaffte. Und ihr wohl auch einen Hausausweis für den Bundestag beschwerte. Nietzard, diesen Anschein erweckt ihr Schaffen, ist seit der Bundestagswahl öfter im Reichstag gewesen als 99,9 Prozent der Bevölkerung im ganzen Leben.
"Ich persönlich bin kein großer Fan der Kantine im Bundestag", hat die Jungpolitikerin mittlerweile bekannt. Für Millionen ein Trost: Wenn das Sprachrohr der der Infantilen, die getreu der alten Grönemeyer-Forderung "gebt den Kindern das Kommando" auftreten, keinen Geschmack am Kollektivessen der Volksvertreter findet, dann haben die Massen dort wohl nichts verpasst.
Mit dem Cap von AliExpress
Und nur einen Monat nach der Audienz für den "Stern" gewährt damals "auf einer halbrunden, gepolsterten Bank auf der Fraktionsebene des Bundestags", war die Sprecherin der AG Kinder, Jugend und Familie der Grünen Berlin jetzt schon wieder "auf dem Weg in den Bundestag", in welcher Funktion und zu welchem Zweck auch immer. Aus gegebenem Anlass hatte sich Nietzard fein gemacht. Demonstrativ zeigte sie sich ihren fast 22.000 Followern bei Instagram in einem Pullover mit All Cops Are Bastards-T-Shirt und kommunismuskonformem Baseball-Cap mit "Eat the rich"-Stickung, hergestellt in China, bei AliExpress für 5,59 Euro zu haben.
Der Plan ging auf, die anvisierte Aufregung schwappte umgehend hoch. Vertreter der bürgerlichen Parteien gaben sich empört, Polizeivertreter beleidigt. Selbst die Grünen sahen sich genötigt, ihren inzwischen staatstragenden Grundcharakter mit einer Verurteilung des Auftritts der Genossin als "nicht Position unserer Partei" zu bekritteln. Das bringt Fame, das spaltet und "ich spalte gerne die Gesellschaft" (Nietzard), wenn auch gezielt "nur nicht zwischen Geflüchteten und Deutschen sondern zwischen Milliardären und allen anderen" (im Original), hat Nietzard bekanntgegeben.
Das kann etwas werden, etwas ganz Großes. Wer so startet, der hat die besten Jahre noch vor sich.
3 Kommentare:
https://www.klonovsky.de/wp-content/uploads/2025/05/Bildschirmfoto-2025-05-25-um-09.51.27-768x310.png
Trefflich von Klonovsky auseinandergenommen und betrachtet. Nur das mit dem industriell organisierten
Massenmord hat(te) er sehr ungenügend recherchiert.
Irgendwelches provokatives Zeug loslassen und beim kleinsten Widerstand umfallen. Die hat das Zeug zur Kanzlerschaft.
irgendwie unterbelichtet
Kommentar veröffentlichen