Mittwoch, 9. Juli 2025

Geschwätzgebläse: Wie der Investitionsbooster in die Welt kam

Investitionsbooster, Wachstumsbooster, Wirtschaftswunder, Schuldenbremse, Energiewende, Rettungsschirm, Stromautobahn
Europas Weg war schon vort Jahren richtig. Und dabei bleibt es auch.

Selten war die Lage so angespannt. Die europäische Wirtschaft lahmt seit Jahren, Deutschland hinkt sogar noch hinterher. Die Schulden sind so hoch wie nie, die Depression hat selbst Beamte und staatliche Angestellte erfasst. Von der "bis zum Sommer" versprochenen Stimmungswende ist weit und breit nichts zu sehen, nicht viel mehr als vom Kanzler selbst, der die Welt als sein Feld betrachtet und das Land, das er regiert, allenfalls als Ausgangspunkt für seine Reisen.

Unhörbares Brodeln 

Es brodelt, wenn auch unhörbar. Die Länder jammern über Merz’ Pläne zur Erhöhung der Pendlerpauschale, die Grünen wollen seinen Fraktionsvorsitzenden abstrafen, die SPD hat sich über den Mindestlohn zerstritten und mit der anstehenden Wahl neuer Verfassungsrichter droht ein erneuter Angriff auf die Brandmauer: Wird Friedrich Merz Einsicht zeigen und auf die früher vom Verfassungsschutz beobachtete Linkspartei zugehen? Oder geht er ins Risiko und lädt die heute vom Verfassungsschuzt beobachtete AfD ein, ihm die fehlenden Stimme zu spendieren?

Eine Situation, in der Land und Leute dringend der Aufmunterung bedürfen. Und die kommt in Deutschland seit Jahren zuverlässig von der Bundesworthülsenfabirk (BWHF) im politischen Berlin.  Welche große Krise in der Vergangenheit auch zu bewältigen war, mit eleganten und wirkmächtigten Neologismen wie "Rettungsschirm" und "Energiewende", "Schuldenbremse", "Wachstumspakt" und "Stromautobahn" gelang es BWHF-Chef Rainald Schawidow und seinem Kollektiv stets, die Probleme zumindest verbal in den Griff zu bekommen.

Ein große Tradition 

Ganz in dieser großen Tradition, die zurückgeht bis auf das kaiserliche Reichsamt für Worte und Benennungen (RWB - Forschungsbehörde), steht auch der "Investitionsbooster", mit dem die BWHF Union und SPD im Deutungskampf um Deutschlands wirtschaftliche Zukunft aufmunitioniert hat. Gelegentlich auch "Wachstumsbooster" genannt, bezeichnet der Propagandabegriff eine hochkomplexes neues System von steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten und Steuertricks, die zu geringeren Steuereinnahmen führen, allerdings überwiegend bei den Bundesländer, nicht beim Bund. 

Das gesparte Geld, so spekulieren Kanzler Friedrich Merz und Finanzminister Lars Klingbeil, werden die Unternehmen umgehend für neue Investitionen nutzen, das werde die dringend nötigen Wachstumsimpulse setzen und das Land aus der industriellen Depression führen. Wichtiger aber noch als die tatsächliche wirtschaftliche Wirkung ist im Propagandakrieg um die Hoheit über Stammtischen und Talkshowstudios die Frage der Offensivfähigkeit.

Leerworte und Füllsilben 

Nach dem zweiten Gesetz der Mediendynamik werden bei der Übermittlung von politischen Botschaften nur knapp drei Prozent des Gesamtinhalts wahrgenommen. Um wirklich zu vielmals enttäuschten, abgestumpften und widerwilligen Zuhörern durchzudringen, brauchen Politiker floskelhafte Substantive, zusammengeschraubt aus Leerworten und Füllsilben, sprachbildhaft angespitzt und in Abschusssituationen selbstdonnernd.

Sogenannte Worthülsen sind auch bei der Überwindung der Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft das erste Mittel der Wahl. "In  unserem Gewerbe wissen wir", erklärt BWHF-Chef schawidow, "dass sich niemand mit degressiven Abschreibungen, erhöhten Bemessungsgrundlage für die Forschungszulage und spezielle Förderungen für Elektromobilität begeistern lässt." Kurz muss es sein, spannend und vielversprechend. Für den "Investitionsbooster" ließen sich die Phrasendrescher und Worthülsendreher von der Raumfahrt inspirieren. Dort wird ein Zusatztriebwerk, das als erste Stufe einer Trägerrakete dienst, als "Booster" bezeichnet  - schon in der Corona-Pandemie erwies sich, dass die dem Wort innewohnende Kraft bei den Empfängern ankommt.

Strategische Wucht 

Warum nicht noch einmal, diesmal spezieller, sagten sich die Propagandapoeten in den tiefen, labyrinthartigen Gängen der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) im Regierungsviertel von Berlin. Als  sprachliche Verpackung für die ambitionierten Schuldenpläne der schwarz-roten Koalition schien der aus altem Impfmaterial und dem im Deutschen positiv konottierten lateinischen investire für "Einkleiden" zusammengeschraubte Begriff "Investitionsbooster" ideal geeignet. Als Synonym entstand gleichzeitig  auch der "Wachstumsbooster" - auch er von überragender strategischer Wucht. 

Nach dem Verpuffen der Versprechen vom "grünen Wirtschaftswunder" und "Wachstumsraten wie in den 50er Jahren" sei es darauf angekommen, "wieder zu Maß und Mitte zurückzufinden", beschreibt Schawidow. Die Billionen-Schulden der neuen Budnesregierung seien zwar erschreckend, doch als Suoerlativ eben doch recht einfach vermarktbar. "Wir wussten, wir brauchen einen rhetorischen Volltreffer, aber mir war klar, dass ich mich da auf meine Leute verlassen kann", sagt der Meister der politischen Semantik, der als Sprach-Alchemist selbst Klassiker wie "Heißzeit", "Klimanotstand" und "CO2-Steuer" mitentwickelt hat.

Ein sprachliches Signal 

Kaum waren die Multimegasondervermögen beschlossen, lief hinter den Kulissen der BWHF die raffinierte Mechanik der Worthülsenproduktion an. Immer geht es dabeid arum, politisches Handeln als entschlossen und weitsichtig zu verkaufen, Zweifel vorbeugend zu veröden und Polititsprache so zu übersetzen, dass "auch die 77-jährige Oma aus Sachsen ahnt, wie gut das alles gemeint ist". 

Aus dem "steuerlichen Investitionssofortprogramm" mit epochalen Maßnahmen der 75-prozentigen Abschreibung für E-Fahrzeuge im Anschaffungsjahr machten die BWHF-Spezialisten in mehreren sogenannten Glättungs- und Anpassungsrunden ein sprachliches Signal. Was im Gesetzestext trocken und spröde wirkt, vibriert im neuen Wortkleid wirklich wie eine Rakete auf der Rampe.

Favorit aller Abteilungen 

"Muss ja", sagt Schawidow, der genau weiß, dass "steuerliche Maßnahmen" und "Entlastungsschritte"  in der Öffentlichkeit kaum Jubel auslösen. Dazu brauche es Begriffe, die Fortschritt, Kraft und Zukunftsvisionen in sich vereinen. Anfangs hätten Vorschläge wie "Wirtschaftswunder 2.0", "Zukunfts-Turbo" und "Wettbewerbsspritze" auf dem Tisch gelegen. "Doch schnell kristallisierte sich der Investitionsbooster als Favorit aller Abteilungen bei uns im Hause heraus."

Kein Wunder. Auch der "Investitionsbooster" nutzt die Macht, die zusammengesetzte Substantive in der deutschen Sprache haben. Vorläufer wie "Stromautobahn", "Corona-Kabinett" oder "Maskenpflicht" haben in der Vergangenheit vielmals nachgewiesen, dass solche insich inhaltsleeren Worthülsen den Anschein erwecken können, komplexe Sachverhalte zu vereinfachen. Aus ihrer fleißigen  Verwendung durch Politik und Medien entsteht eine Illusion von Entschlossenheit - hier, indem das nüchterne "Investition", das nur wenige Deutsche zutreffend in ihre Muttersprache übersetzen könnten, mit dem dem dynamisch wirkenden "Booster" kombiniert wird. 

"Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger das in ihrem Alltag spüren, dass sich etwas verändert", hatte Lars Klingbeil im Bundestag gesagt. Und versprochen, dass die Milliarden nicht zum Fenster hinausgeworfen, sondern dort ivestiert würden, wo sie Erträge versprächen: "Dass das Schlagloch, das seit Jahren nervt, auf einmal beseitigt wird, dass die Schultoilette, die schon seit Jahren nicht mehr benutzt werden kann, repariert wird, dass auch im Dorf die Ladesäule für Elektromobilität ermöglicht wird, dass das Schwimmbad neue Duschen bekommt, dass die Schienen saniert, die Brücken stabilisiert und das Glasfaserkabel verlegt wird."  

Sehnsucht nach Prosperität 

Auch das ein Anglizismus, den nicht jeder detailliert erklären könnte, der aber gerade deshalb Geschwindigkeit und Kraft suggeriert. Für alle, die das nicht fühlen können - etwa die Zuschauer der "Tagesschau in leichter Sprache" - steht der "Wachstumsbooster" zur Verfügung. Dieser Begriff spricht die Sehnsucht nach wirtschaftlicher Prosperität und zumindest halb auf Deutsch direkt an und zielt damit auf eine breitere, geerdete Zielgruppe. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil, ein Instinktfußballer auf dem propagandistischen Spielfeld, bevorzugt selbstverständlich diese Variante. 

Leicht übersehen wird, dass zur Boosterkapagne der BWHF viel mehr gehört als nur diese beiden hochwirksamen Worthülsen. Um den Investitionsbooster mit ökologischer Strahlkraft aufzuladen, haben die BWHF-Mitarbeitenden in einer nächtlichen Sonderschicht einen ganzen Booster-Besteckkasten entwickelt.Neben dem "E-Mobilitäts-Booster", der die Förderung von Elektrofahrzeugen hervorhebt, wird es künftig auhc den "Sichereitsbooster", der "Panzerbooster" und den "Baubooster" geben. 

Vorarbeit von Lauterbach 

Schawidow ist sicher, dass die neuen Begriffsbooster universell einsetzbar sind, obwohl deren unmittelbare Bedeutung - früher wurde so der Hilfsantrieb bei Dampflokomotiven genannt - kaum bekannt ist. "Seit der Pandemie und der Vorarbeit von Herrn Lauterbach steht der Begriff gleichbedeutend für Fortschritt, Modernisierung und Widerstandskraft." 

Die BWHF liefert desweiteren dazu passende Phrasen wie "Planungssicherheit schaffen", "Investitionen anreizen" und "klimaneutraler Standort". Deren Einsatz wird sorgfältig orchestriert, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu maximieren. Rainald Schawidow weist darauf hin, dass die Sprachproduktion selbst nur ein Teil der Arbeit der BWHF ist. 

Perfekt für Begeisterung 

Der andere bestehe darin, ein komplexes Zusammenspiel aus linguistischem Können und politischem Kalkül zu organisieren: Bürgern soll das Empfinden eingeimpft werden, dass Probleme erkannt sind und Hilfe unterwegs ist. Das sei in langen reden kaum vermittelbar. "Dazu braucht es einen Begriff, der emotional und rational zugleich wirkt." Der Investitionsbooster erfülle diese Anforderungen perfekt: "Er ist technisch genug, um seriös zu wirken, aber dynamisch genug, um Begeisterung zu wecken."

Ein bewährte Technik der Sprachmanipulation, die Anglizismen nutzt, um Modernität zu signalisieren und damit politisches Versagen kaschiert. Die Wiederholung des Begriffs in verschiedenen Kontexten – von Bundestagsreden bis hin zu Social-Media-Kampagnen – sorgt dafür, dass er sich im öffentlichen Bewusstsein verankert. Um Bedschwerden zu vermeiden, wie sie in der Vergangenheit nach dem massenhaften Einsatz von "Wachstumspakt", "Mietpreisbremse" und "Rettungspaket" kamen, steht der "Wachstumsbooster" bereit, um die Botschaft nachzujustieren.

Medizin gegen Populismus 

Am Ende sei es doch der Normalbürger – die Verkäuferin, der Handwerker, der Rentner –, der das Gefühl haben müsse, er vestehe, was die dort oben treiben, sagt Schawidow. Der Mann, der seine Lehre beim VEB Geschwätz in der DDR machte, sieht sich und seine BWHF als Dienstleister. "Wir betreiben hier Zukunftsgestaltung und Vertrauensmanagement", sagt er, "jede unserer Worthülsen ist eine Medizin gegen Politikverdrossenheit, Populismus und Phrasendrescherei." 

Der Kritik, dass es nur um Propaganda gehe, ist der Chef der BWHF sich bewusst. Doch seine Aufgabe und die seiner hochspezialisierten Linguisten, Semantiker und Kommunikatoren sei nicht die Lösung wirtschaftlicher Probleme, sondern deren kommunikative Vermittlung. Schawidow findet das "genau so wichtig", denn wer Bürger systematisch ausschließe, dürfe sich nicht wundern, wenn die sich abwendeten oder den Falschen hinterherliefen. "Wir haben mit dem Investitionsbooster ein Wort geschaffen, das Menschen abholt und mitnimmt in die komplexe Realität eines milliardenschweren Investitionsprogramms", sagt Rainald Schawidow stolz. 


5 Kommentare:

Trumpeltier hat gesagt…

Innovative Doppelwummsbooster sind wichtiger den je, denn just (fast Mitte Juli 2025 um 9 Uhr) attackiert die seit dem zündelnden Neandertaler menschengemachte Klimaerwärmung uns wettersensible Nordmannen mit 15° Grad Hitze. Wir sollten unsere Windräder also zu Ventilatoren umfunktionieren, um den Afris ihre Saharatemperaturen zurück zu blasen, weil hier sonst wieder senil lustwandelnde Senioren dehydriert kollabieren.

Ob aber auch ein nur eingebildeter Sonnenstich den dafür nötigen mentalen Funken überspringen lässt, bleibt fraglich. Schließlich haben die bisherigen Denkversuch uns ja in diese prekäre Lage gebracht, dass wir jetzt sogar im Sommer heizen müssen, um nicht zu bibbern.

Die Endlösung mag wirklich in entsprechender Verständnis-Medizin liegen, die dem immer noch zweifelnden Bürger die Halluzination einer unfehlbaren Politikerelite vermittelt. Dazu dann Huldigungsverordnungen, und das christliche Abendland wurde erneut siegreich verteidigt.

Doch die Türken und ihre Glaubensbrüder sind nun mal schon zahlreich da und werden wohl auch hier bleiben.

Insch Allah.

Und weil Allah laut unverhandelbarem Koran ja auch jedes Wetter und Klima auf Erden bestimmt, wäre menschliches Eingreifen Blasphemie. Um für diesen Frevel nicht ewig in der Dschahannam gegrillt zu werden, sollten wir also besser die Finger davon lassen.

Anonym hat gesagt…

Schrieb ich vor Jahren schon: Wenn in der Zeitung steht, fresst täglich ein bis zwei Teelöffel der eigenen Exkremente, das stärkt das Immunsystem wie kaum sonst etwas - etliche würden es tun.

Falls "Gucker" hier liest, oder sonst wer bei Vitzli angemeldet ist - der Begriff, nach dem er sucht(e), ist Sacculina-Krebs. Hochinteressant, wie auch Toxoplasma oder Kleiner Leberegel ...

Anonym hat gesagt…

tja, hätte man auf mich und diverse andere gehört und bei der letzten wahlsimulation die grünen oder roten khmer legitimiert, würde der niedergang wesentlich schneller von statten gehen.....

Anonym hat gesagt…

Das wäre denn aber auch der Sinn der Übung gewesen!

Anonym hat gesagt…

Heilige Einfalt! Der Puff kracht nicht früher oder später zusammen, als es der Große Sanhedrin bestimmt. Es ist sicher, dass die für jede Variante von Wahlergebnissen, jede, eine passende Antwort bereit haben. Kannste glauben. Die "AfD" zu wählen, ist dennoch nicht verboten, und auch nicht verkehrt.