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Mitte Juni stand noch alles zum Besten. Vorhersagen sahen einen extrem heißen, lang anhaltenden Dürre-Sommer in Deutschland kommen. |
Warm, kalt, trocken oder nass, es ist inzwischen piepegal. "Dieser deutsche Sommer ist auch ein Zeichen des Klimawandels", schreibt die FAZ, ein in den düsteren Zeiten der Ernsthaftigkeit früherer Tage seriöses Medium. Mittlerweile ist das Blatt angekommen beim halbstaatlichen Werbeportal T-Online", das mit "Dieser Hitzesommer tarnt sich gut" den Spagat zwischen dem Hokuspokus eigener Erwartungen an die Fähigkeiten der Wissenschaft und der folgenden Enttäuschung über deren komplettes Versagen bündig zusammenfasst.
Korrekte Prognosen
Zweifellos: "Die Prognosen waren korrekt – nur das Wetter hat nicht mitgespielt", wieder einmal und wie so oft. Selbstverständlich wird der EU-Klimawandeldienst Copernicus trotzdem in wenigen Stunden vermelden, wie viel es zu warm war und wie sehr zu trocken und das zum wievielten Mal schon hintereinander. Im Moment jedoch gilt noch die Zusammenfassung der FAZ, verbunden mit einem Trost an alle Enttäuschten: Der Sommer sei "bescheiden warm und in einigen Regionen sehr feucht". Aber auch das sei "eine Folge des Klimawandels, denn der verspricht nicht monatelangen Sonnenschein" und jahrelange Dürren, wie bis Mitte Juni noch angenommen. "Sondern extreme Niederschläge."
Klimawandel bedeutet auch, dass sich die Erklärungen wandeln. Vor zwölf Monaten noch stand felsenfest, dass der heißeste jemals gemessene Sommer (Copernicus) verursacht worden war durch die menschengemachte Vergiftung der Atmosphäre mit dem Spurengas Kohlendioxid. Milliarden Messungen von Satelliten, Schiffen, Flugzeugen und Wetterstationen auf der ganzen Welt zeigten, dass die globale Durchschnittstemperatur 0,69 Grad höher als die Durchschnittstemperatur im Referenzzeitraum von 1991 bis 2020. In Europa, ursprünglicher Stammsitz der Schuldigen, war der Unterschied noch deutlicher: Den Messungen zufolge lagen die Durchschnittstemperaturen auf dem Kontinent um 1,54 Grad höher als in der guten alten Zeit.
Immer heißer, immer trockener
Für immer würde das nun so weitergehen. Immer heißer, immer trockener. Die Forschung war sich sicher, dass ein neues Dürrejahr droht. Extrem warm, extrem trocken, so standen die Aussichten. Trotzdem waren auch zwei Jahre nach der Ankündigung der nationalen Wärmeplanung keine vier Prozent der Vorhaben aus dem nationalen Hitzeschutzplan (NHSP) umgesetzt.
Die Kühlinseln, die kommunale Sonnenschirmversorgung, der beschleunigte Umstieg Deutschlands auf Elektromobilität und die Bildung von schnellen Eingreiftruppen aus Vertretern von Pflege, Ärzteschaft, Kommunen, Politik, Ländern, Sozialverbänden und anderen Experten stockt. Selbst als der Frühling 2025 mit einem historischen Niederschlagsdefizit neue Rekorde auf der Messlatte markierte, erklärte der neue Bundeskanzler Friedrich Merz das Wetter nicht zur Chefsache.
Keine große Lösung
Seine Gesundheitsministerin Nina Warken ruderte trotz beängstigender Sommerprognosen sogar zurück. Von der großen Lösung eines gigantischen geostationären "Sunshield" im Weltall über Europa war nicht mehr die Rede. Selbst das engmaschige Netz aus Trinkbrunnen, Sonnensegeln und Eincremestationen, mit dem Vorgänger Lauterbach auf die zunehmenden Sommer hatte reagieren wollen, spielten schlagartig keine Rolle mehr.
Warken sagte, sie wolle für eine "Sensibilisierung bei Hitze" werben, um "mehr Verständnis und Sensibilität in der Bevölkerung" zu erreichen. Menschen müssten verstehen, dass alle Warnungen, Tipps oder Empfehlungen öffentlicher Institutionen gut gemeint seien. Schon allein deshalb dürften sie nicht "nicht ganz ernst genommen" oder "als Bevormundung verstanden" werden. Wichtig sei, so Warken, dass jeder Einzelne rechtzeitig über den Hitzeschutz nachdenke, "und zwar bevor die Temperaturen über eine kritische Marke stiegen".
Örtlich bis zu 40 Grad
Ende Juni war es endlich soweit. Mit "örtlich bis zu 40 Grad" verabschiedete sich ein Juni, der gemessen am vorgeschriebenen Klimadurchschnitt "zu heiß, zu sonnig und zu trocken" gewesen war. Im fünften Jahr in Folge beklagten Beobachter Rekord-Sonnenschein und Regenmangel, der Deutsche Wetterdienst hatte 3,1 Grad mehr Temperatur gemessen als im langjährigen Mittel, das immer genau in der Mitte zwischen allen tieferen und allen höheren Temperaturmessungen liegt. Schon viele Jahre lang gelingt es dem Wetter kaum mehr, jeden Tag, jeden Monat oder wenigstens jedes Jahr auf der Mittellinie zu bleiben.
Immer ist irgendetwas zu zu: Zu warm, zu trocken, zu nass oder - bedingt allein durch die Nordatlantische Oszillation - auch mal zu kalt. Der Erwartungshorizont von Wissenschaft, Politik, Medien und Publikum ist inzwischen so fest auf Extreme fixiert, dass unter ihm überhaupt kein normales Wetter mehr existiert. Deutschland ist ein Glutofen, Europa eine Bratpfanne, die Welt kocht oder sie "brennt" (Luisa Neubauer) sogar. Alternativ zeigt sie sich komplett ausgedorrt oder von Fluten weggeschwemmt, wie es sie in den alten Tagen der grünen Wetterkarten nie gegeben hat.
Die absolute Ausnahme
Damals, so erklärten die, die nicht dabeigewesen waren, denen, die sich noch erinnern können, seien Temperaturen über 30 Grad die absolute Ausnahme gewesen. So war es jetzt wieder, nur ist das nun nicht mehr normal. Mitten im Anthropozän, jenes geochronologischen Zeitalters, in dem der Mensch zum wichtigsten Einflussfaktoren für die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist, tut der Planet, als interessiere ihn das nicht.
Alles, selbst ein Juli, der ein deutscher Durchschnitts-Juli ist, gilt da als Vorbote eines beschleunigten Klimawandels. Nichts, was einen gigantischen Graben zwischen apokalyptischen Vorhersagen und gewöhnlichem Sommeralltag in Mitteleuropa zeigt, lässt sich nicht mit denselben Mitteln der Wissenschaft erklären, die Tage zuvor noch das Gegenteil erklärt hatte. Das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMWF), eine Institution, die wirklich existiert und schon seit 1975 mit 270 Mitarbeitern im Auftrag von 34 Staaten Vorhersagen fertigt, hatte am 10. Juni einen "extrem heißen, lang anhaltenden und trockenen Sommer" für Deutschland vorhergesagt.
Alles nur anders
Und im Grunde ist das genau so eingetreten, nur anders. Aus Temperaturen von bis zu drei Grad über dem Durchschnitt, einer weitverbreiteten Dürre und einer Vielzahl von Tropennächten wurde ein Sommer, der nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" gar "kein Sommer ist". Das wechselhafte und unbeständige Wetter verwandle das Land in eine "Goretex-Bundesrepublik", "in Woche 3" einer Abkühlung, die für die Generation der Klimasensiblen überraschend kommt wie weiße Weihnacht, attestiert sich eine Friederike Zoe Grasshoff, dass sie "langsam unruhig" werde. Viele noch nicht so lange hier Lebende fragen sich beim Blick aus dem Fenster wie sie: "Was ist das hier, ein Herbst im Sommer, ein Sommer oder ein Herbst?"
Jedenfalls kein Sommer wie im Backofen, kein Sommer mit "mehrfachen Höchstwerten von 35 Grad" und einem "erhöhten Risiko für 40 Grad". Auch die Prophezeiungen des Wettermodells SEAS5 für eine "extreme Trockenheit", die die Böden ausdörren und die Landwirtschaft belasten wird, sind nicht eingetroffen. Ebenso wenig gab es die sogenannten tropischen Nächte, in denen die Temperaturen nicht unter 20 Grad sinken. Dass auch andere Klimamodelle einen schrecklich heißen Sommer vorhersagten, weil sie die Erwartungen von SEAS5 auf eine lange Hochdruckphase mit stabiler Hitze teilten, vermag das hämische Lachen in der Leugnerecke nicht zu dämpfen.
Blamierte Prognosen
Die Realität blamiert die Prognosen nach Strich und Faden. Die Juli-Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zeigen, dass der Hochsommermonat Juli mit 189 Sonnenstunden deutlich unter dem langjährigen Mittel von 211 Stunden lag. Dafür lieferte der Monat mit 114 Litern Regen pro Quadratmeter deutlich als das Mittel (78 l/m²). Es gab keine Tropennächte und keine extreme Trockenheit, auch die Idee eines "lang anhaltenden" Sommers mit stabilen Hochdrucklagen entpuppte sich als ausgewürfelte Annahme. Niemand, so heißt es, konnte doch mit einer "Trogwetterlagen mit kühleren Phasen" rechnen, wenn die Modelle alle die "durchgehende Hitzeglocke" auswarfen.
Eine Trefferquote, die die KI Grok auf nur 41,25 Prozent richtige Vorhersagen taxiert, zeigt dass auch kurzfristige Langfristprognosen durch hochgelobte Klimamodelle ein reines Glücksspiel sind: Wer halb danebenliegt, liegt völlig falsch. Wer das Wetter nicht einmal für einen Zeitraum von vier Wochen halbwegs zuverlässig prognostizieren kann, müsste eigentlich damit rechnen, dass seine Ankündigungen wie die jeder Wahrsagerin oder Kartenlegerin mit großer Vorsicht behandelt werden.
In Wasser gefallen
Das aber müssen die Ankündiger von Hitzeglocken und extremem Hitzesommer nicht fürchten. Dieselben Adressen, die ihre Panikmeldungen verbreitet haben, üben sich jetzt darin, die Fehlprognosen glattzubügeln. Nichts ist gekommen wie vorhergesagt, aber alles war fast genau so prognostiziert: "Der Ferienmonat fiel buchstäblich ins Wasser", konstatiert die "Tagesschau". Aber zu warm sei es doch gewesen. Auch das ZDF sieht sich im Grunde bestätigt. Ja, es war nicht trocken, sondern zu nass. Ja , es gab zu wenig Sonne. Aber: Trotz Starkregenphase war es zu warm.
Gut so, denn der regenreiche Juli gleicht Trockenheit der Vormonate aus und zahllose Leben werden auch gerettet. Überstieg die Zahl der Hitzetoten in Europa einer Analyse der von der "Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit gegründeten Lobbygruppe Centre for Planetary Health Policy (CPHP) die Zahl der Verkehrstoten noch im Klimasommer 2023 um mehr als das Doppelte, konnte der Juli 2025 "die stille, aber tödliche Gesundheitsgefahr" vermutlich bannen. Wie viele der 2023 in den 27 EU-Staaten hitzebedingt verstorbenen 44.600 Menschen genau gerettet wurden, ist noch unklar.
Fakt ist langfristig, was die Prognosen zeigen: Ohne wirksame Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen wie Trinkbrunnen, Sonnensegel, Hitzebeauftragte und Grillverzicht könnten bis 2050 jährlich über 120.000 Menschen in Europa an den Folgen extremer Hitze sterben, wenn es zu extremer Hitze kommt.
6 Kommentare:
klar, an den passend umplazierten messtellen mag das alles stimmen, aber im real life ist genau das gegenteil der fall. seit 2020 wird hier oben jeder sommer mit jedem jahr immer feuchter, kälter (vor allem nachts) und sonnenärmer. dieses jahr ist der mit abstand beschissenste "sommer" seit 2009 (die heizung läuft eigentlich jede nacht und heute auch schon wieder tagsüber).
Der Sommer ist zwar feucht. Dafür hat der Regen gefühlt Badewannentemperatur.
Bei fuffzehn Grad Klima ist der Regen heute nicht ganz so warm.
Mich würde ja interessieren, was der (laut X) 'Financial journalist' Archibald Preuschat bei FAZ ablässt, um dem Wetter den amtlichen Katastrophenspin zu geben. Aber FAZ ist mir bei dieser Wirtschaftslage zu teuer.
alles das sollte uns angst machen
Der modische Wettergefühl-Trend geht eindeutig in Richtung Kombi-Graduierung, der Summe aus Tag- und Nachttemperatur. Und schon sind sogar diesen Aprilscherzen kurz vorm August politisch korrekte sommerliche Klimahitzewerte zu entlocken. Minimum 30+. Der nächsten Eiszeit kapp ebntkommen.
Zur Not gibt es für pathologisch bibbernde Frostbeulen ja orientalische Urlaubsorte oder finnische Saunen, in denen sogar 80-100° erreicht werden.
Ob arktischer Wackenmatsch mit Infernalgetöse oder meditativ stilles vor sich hin brutzelndes Grillwursterlebnis am Strand von Sharm El Sheik ... es ist auch dieses garantiert hitzigste Jahr seit den Wärme-Messungen für jeden Klimaneutrotiker etwas passendes dabei.
Ein dickfelliger Hund mag hechelnd heulen ... die Kamelkarawane zieht stoisch weiter.
Wenn erst wieder Klimakonferenz ist, im November, dann wird das Wetter komplett durchdrehen.
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