Donnerstag, 31. Juli 2025

Wiedermal ein Wachstumsknick: Die Hoffnung stirbt zuerst

Je länger die Rezession, desto näher der große Aufschwung.

Nun war es doch das R-Wort. Der Begriff, über Jahre peinlich gemieden wie seine Brüder N-Wort und Z-Wort, macht auf einmal die Runde. "Deutsche Konjunktur: Die Rezession war viel stärker als bislang gedacht", gruseln sich die Kommentatoren. Es ist wieder passiert und noch schlimmer als immer.  
Die deutsche Wirtschaftsleistung ist im zweiten Quartal um 0,1 Prozent geschrumpft, "leicht", wie das frühere Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" ausbrechende Ängste vorsorglich gleich abmoderiert. Aber: Rezession ist Rezession. Keine "technische" mehr, kein "Schwächeln", kein "Rückgang". Keine der dringenden Empfehlungen der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin  wird mehr umgesetzt.

Etwas im Rutschen 

Das kommt etwas ins Rutschen. Der Glaube schwindet, selbst in den tief in den Boden gegrabenen Schreibmaschinengewehrstellungen der Leitmedien. Dort hatte zuletzt die Zuversicht übernommen, Friedrich Merz werde es richten, vielleicht mit haltlosen Versprechen, vielleicht mit gebrochenen Zusagen. Auf jeden Fall aber mit neuen Milliarden an "frischem Geld" (DPA).

Bis zum Sommer, hatte der neue Kanzler ein Versprechen seines gescheiterten Vorgängers neu terminiert, werde der Stimmungsumschwung kommen. Die ersten Schwalben flogen schon und bei der ersten Generaldebatte, bei der Merz als Regierungschef im Bundestag sprach, konnte der 69-Jährige schon "Erfolge der Politik der CDU-geführten Bundesregierung" vorstellen.

Wende eingeleitet 

Die Wende in der Wirtschaftspolitik war eingeleitet, die von der Bundesregierung finanzierten Wirtschaftsforschungsinstitute assistierten dem Suizid mit Gefälligkeitsgutachten, in denen "erste Anzeichen für eine konjunkturelle Erholung" dargelegt wurden. Umso grausamer ist die aktuelle Erkenntnis: Kein anderer könnte die Gefühlslage besser ausdrücken als der Satz, dass "die seit Monaten erhoffte Erholung wackelt", den nicht irgendwer gedruckt hat, sondern die früher eher ernstzunehmende FAZ.

Aber das ist die Situation. Nach jenen "Monaten der Hoffnung auf eine sich beschleunigende Konjunktur", für die es schon allein deshalb keinen Grund gab, weil "Konjunktur" die gesamtwirtschaftliche Lage meint und eine Lage höchstens besser werden, sich aber keinesfalls "beschleunigen" kann, ist nun wieder die Rede vom "deutlichen Dämpfer", von der drohenden "dritten Rezession in Folge", womit offenbar das dritte Rezessionsjahr in Folge gemeint ist, und von einer "Rezession", die "schwerer als bislang angenommen" sei. So elegant umschreibt es die "Tagesschau", die bisher gar keine Rezession angenommen hatte.

"Wachstumsknick" und "Stagnation" 

Dabei war sie immer da. Nur ist die deutsche Wirtschaft in den vergangenen beiden Jahren nicht nur um  0,1 und  0,2 Prozent geschrumpft, sondern um 0,7 und 0,5 Prozent. Dieses Schrumpfen und Sinken, das Zurückgehen, der "Wachstumsknick" und das bisschen "Stagnation", sie waren nie da und sind es nun doch gewesen. Eine symptomlose Krise, denn der Staat brummt, die Steuereinnahmen steigen und die Sondervermögen schießen aus dem Boden wie Klappklingen in den  Messerverbotszonen. Das Positive überwiegt: Schon im Januar war die noch von der Ampelregierung eingeleitete Wirtschaftskrise länger an als jede vor ihr.  

Drei Jahre ohne wirtschaftliches Wachstum: Das hatte Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg nicht erlebt. Jetzt sind es dreieinhalb, aber ein Grund zur Beunruhigung ist das nicht mehr. Der Laden läuft doch bestens. Die Sonne scheint. Die Geschäfte blühen. Wäre Trump nicht mit seinen Zöllen gekommen, ginge es allen noch mehr Gold. 

Aufschwung in der Fehlertoleranz 

Die nominale BIP-Entwicklung seit 2020 zeigt, wie schnell es aufwärts geht. Im Pandemiejahr lag das Bruttoinlandsprodukt noch bei mageren 3,44 Billionen Euro, 2021 kletterte es auf 3,67 Billionen, 2022 auf 3,95 Billionen, 2023 lag es bei 4,18 Billionen und im vergangenen Jahr bei 4,3 Billionen.  Dass der Sachverständigenrat der Bundesregierung für die letzten fünf Jahren nur auf ein reales Wachstum von 0,1 Prozent errechnen konnte, ein Aufschwung im Bereich der Fehlertoleranz, geht auf falsche Vorgaben zurück. Die Inflation beiseite gelassen, sähe alles sehr gut aus.

Allerdings mit abnehmender Tendenz. Hatten 2021 und 2022 die Pandemieverluste von 2020 noch aufgeholt, lagen 2023 und 2024 stabil im Negativbereich. Trump war damals, im Unterschied zu Wirtschaftsminister Robert Habeck und Wumms-Kanzler Olaf Scholz, noch nicht einmal im Amt. Der Krieg in der Ukraine samt Inflationsschock eingepreist. der transformative Umbau der Wirtschaft nebst Ausstieg aus fossiler Energieversorgung und Schließung ungeliebter Altsparten galt als Erfolgsmodell für die ganze Welt.

Dass niemand in Deutschland am anhaltenden Elend schuld war,  sondern ungeliebte Ausländer wie die Russen, die Chinesen und die - obgleich damals noch befreundeten - Amerikaner, stand trotzdem außer Zweifel. Beim ehemaligen Exportweltmeister, bei dem einstudierter Germanist nicht nur das globale Überlebensthema Klima managte, sondern mit der anderen Hand auch noch die Wirtschaft führte,  die das alles bezahlen sollte, war die Entscheidung gefallen, die Wirklichkeit einfach nicht mehr wahrzunehmen.

Unter Gebirgen aus Bürokratie 

Bessere Zeiten, sehr gute sogar, blieben unabwendbar, solange das R-Wort vermieden werde, hieß es. Wie im Märchen vom Rumpelstilzchen würde erst die Benennung des Bösen es in die Welt bringen. Verantwortungsvolle Politik wie verantwortungsvolle Medien hätten die staatsbürgerschaftliche Verpflichtung, die Menschen im Land vor der grausamen Wahrheit zu schützen, dass Deutschland nicht mehr konkurrenzfähig war. Zu unbeweglich unter Gebirgen von bürokratischen Vorschriften. Gefesselt von Lieferkettensorgfaltsgesetzen und Datenschutzaufbewahrungsregeln. Gegängelt aus Brüssel, geschubst aus Washington, gestolpert in die selbst aufgestellte Falle, allein berufen zu sein, die Menschheit vor dem Klima zu retten.

Die Rezession seit 2022 ist nicht nur die längste, die Deutschland jemals erlebt hat, sie ist auch die, die am wenigsten Aufsehen erregt hat. Kaum lag mal ein Hauch von Wachstum in der Luft lag, wurde es zu "recht robust" verklärt. Kaum zeigte sich der Hauch einer "positiven Entwicklung" (SZ), galt sie als Startschuss für einen Gipfelsturm zurück in die Wirtschaftswunderjahre. Die größte Sorge, die deutsche Medien plagte, war die vor einer "Trumpcession", mit der der neue Präsident die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten mutwillig in einen Abgrund stützen würde. Sieben Wochen nach dessen Amtseinführung warnen Ökonomen vor einem Negativwachstum der größten Volkswirtschaft der Welt. 

Stärker als erwartet 

Zwölf Wochen später ist die US-Wirtschaft stattdessen "etwas stärker gewachsen als erwartet", die deutsche hingegen etwas stärker geschrumpft. Im zweiten Quartal stieg das Bruttoinlandsprodukt in Amerika im Vergleich zum Vorquartal nach der deutschen Berechnungsmethode um 0,75 Prozent. 0,76 Prozent mehr als das deutsche. Verantwortlich waren gestiegene Konsumausgaben und ein - von Trumps Zöllen ausgelöster - starker Rückgang der Importe, der sich auch auf der anderen Seite des Atlantik zeigt.

Aber spiegelbildlich: Das "recht robuste" deutsche Wachstum im ersten Quartal hatte sich noch vorgezogenen Exporten nach Übersee verdankt. Als das wegfiel, schlugen die Investitionen in Ausrüstungen und Bauten, die nicht mehr getätigt werden, durch. Auf dem Bau, einem Gefechtsfeld, das die Veronika Hubertz mit mehr Wohnungsbau in leeren Büros, auf Supermarkt-Dächern und in neuen Plattenbausiedlungen für Arme beleben will, die jetzt "serielles Bauen" heißen, stürzen die Umsätze geradezu ab. 

Paket aus Kosmetik 

Mit einem Päckchen ähnlich kosmetischer sogenannter "Maßnahmen" geht die neue Bundesregierung die alten Probleme an. Für die weitere Abwicklung der Geschäfte lässt sich die Bundesregierung vom Haushaltsausschuss des Bundestags 208 neue Beamtenstellen genehmigen. Das Personal wird gebraucht, um den versprochenen Personalabbau in den auf inzwischen 17 Ministerien zu organisieren. 150 neue Stellen bekommt das Digitalministerium, von dem sich Kanzler Friedrich Merz einen Wachstumsschub erhofft. 

40 zusätzliche Beamte genehmigt sich der Regierungschef selbst, acht bekommt sein Vorgänger Olaf Scholz, dessen Hofstaat zur Durchführung seiner "nachamtlichen Tätigkeit" damit drei Stellen über der Grenze liegt, die der Bundestag 2019 für die Versorgung künftiger Ex-Kanzler beschlossen hatte. 

Nur Kleingeld


Doch der Arbeitsmarkt wird zunehmend eng und die riesigen Milliardenlöcher im Bundeshaushalt lassen es völlig belanglos erscheinen, ob nur eine kleine Kernmannschaft aus Büroleiter (B 6, knapp 11.400 Euro im Monat), drei Sachbearbeitern (Besoldungsgruppen E 11 bis E 14, bis zu 7.300 Euro), eine Sekretärin (E 8) und ein Chefkraftfahrer den früheren Regierungschef im Ruhestand betreuen oder zwei, drei oder zehn mehr. 

Das Geld ist da, der Staat hat gut gewirtschaftet  und ehe es irgendwo verschwendet wird, ist es in einem Ausbau des Wasserkopfes gut angelegt. Die schwarz-rote Koalition hat ja zusätzlich weitere durchgreifende Beschlüsse gefasst, die eine Wirtschaftswende je wahrscheinlicher machen, je länger länger die Rezession andauert. E-Autos, die Firmen sich anschaffen, werden künftig von Kleinverdienern steuerlich bezuschusst. Der Strompreis wird für Großkonzerne gesenkt, großzügig und solidarisch zahlen Wählerinnen und Wähler weiter den deutschen Fantasiepreis. 

Die eigentlich von SPD und Union vereinbarte Senkung der als "Luftverkehrsabgabe"  bezeichneten Fantasiesteuer, die nur Nutzer von Privatfliegern nicht zahlen müssen, bleibt erhalten, die Finanzierung der Zivilgesellschaft durch die Ministerien ebenso, dazu auch das erfolgreiche Heizungsgesetz mit den Vorgaben zur kommunalen Wärmeplanung. Erst von 2028 soll es dann auch Steuersenkungen geben, dann fängt ja auch der Wahlkampf an. 

Wie immer wird alles aber schon vorher viel besser, wenn auch vielleicht noch nicht gleich gut: Dieses Jahr wird es noch nichts, aber wie immer dann nächstes. Dann soll der Aufschwung wieder kommen, den einst der "Wumms", später der "Doppelwumms" und zuletzt der Investitionsbooster auslösen sollten. 


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Eine 'erhoffte Erholung wackelt' ungefähr so, wie ein Stuhl wackelt, den ich nicht zu Weihnachten bekommen habe. Man könnte denken, Olaf Scholz sei unter die Journalisten gegangen und schröbe bei der FAZ.

ppq hat gesagt…

die schwache konjunktur lässt halt manchmal nach, im nachhinein

Trumpeltier hat gesagt…

Ja, es besteht dank extzellenter deutscher Wirtschaftspolitik die berechtigte Hoffnung, dass auch dieses Jahr wieder viele Werktätige mittels sogenannter Freistellung vorzeitig aus dem aktiven Arbeitsprozess ausscheiden und nach einer sorgfältigen Umschulung zum sozialstaatlich alimentierten Faulenzer bis zu ihrem Tod auskömmliches Bürgergeld beziehen können.

Das ist unsere neue Kernkompetenz. Darin kann uns kein anderes Land/Volk das Abwasser reichen. Wir können also stolz auf unsere zeitgemäße Lifework-Balance-Innovation sein sein. NIchts tun müssen und bezahlten Dauerurlaubsspaß dabei. Darum wacker weiter so! Lasst uns der Welt ein hell strahlendes Vorbild der wundersam leistungslosen Bereicherung sein.

"Wer sich nicht selbst Freiheit befiehlt, bleibt immer Knecht". Fack ju Göthe