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Dreist die Hälfte der Wahrheit betonen, damit die andere Hälfte vergessen wird: Die "Tagesschau" ernennt Indien zum Klimachampion. |
Wer mit der Wahrheit lügen will, mit reinen, puren, ungeschminkten
Fakten Meinung machen und dabei nicht erwischt werden, dem rät das Lehrbuch des klassischen Demagogiefaches "Lügen mit der Wahrheit"
Zahlen ohne jeden Bezug zu präsentieren, den Kontext von Nachrichten wegzulassen oder in Grafiken zeichnerisch Wertungen zu setzen, die mit den abgebildeten Werten nichts zu tun haben.
Doch wenn die Wirklichkeit genug Material her, um mit grafischen Änderungen ausreichend verwirrende Wirkung zu erzielen. Die "Tagesschau" der ARD hat immer wieder gezeigt, wie sich aus wenig Märchenmunition viel Überzeugungswirkung machen lässt. Legendär ist der stromerzeugende Fernseher eines Erfinders aus Afrika, auch die Wiederentdeckung der mobilisierenden Farbe Rot und die Rücksichtnahme auf die von Terroropfern missverstandenen Muslime sind unvergessene Großtaten, mit dicker Tinte eingeschrieben ins Buch der deutschen Mediengeschichte.
Nie und durch keinen Einwand
Nie und durch keinen Einwand hat sich der größte Verbund von Gemeinsinnsendern europa- und weltweit davon abhalten zu lassen, seine Spielart von Journalismus unter die Leute zu bringen. Zusammen mit dem ZDF wuchert auch die ARD mit ihrem größten Pfund - das sei "unsere Glaubwürdigkeit" hat ZDF-Chef Norbert Himmler gerade erst wieder zufrieden feststellen dürfen.
Die Menschen mögen es, dass ihnen die hermetisch abgeschlossene Welt der politischen Klasse als eine Art Fortsetzungsserie im Stil einer Tele Novela gezeigt wird. Clowns und Helden, bösartige Widerlinge, Faschisten und verlogene Rosstäuscher. Im vergangenen Jahr erst gewann die "Tagesschau" für ihr Gesamtwerk den Ehrenpreis der "Großen Suppenkelle". Die Jury lobte die Redaktion bei der Preisverleihung ausdrücklich dafür, in den Zeiten von Fake News und Hasshetze klar dagegenzuhalten.
Das Rezept der Tagesschau
Das Rezept der "Tagesschau" beruhte auf einer raffinierten Mischung aus staatlich geprüften Neuigkeiten aus der Welt des Klimakampfes, der rechten Gefahr, der Bosheiten des US-Präsidenten und der israelischen Völkerverbrechen, gewürzt mit Wetter, Sport und gezielten Auslassungen, hieß es. Immer wieder schaffe es die "Tagesschau", so gezielt aus eingelaufenen Meldungen auszuwählen, dass unbedarfte Zuschauerinnen und Zuschauer den Eindruck gewinnen müssten, gut informiert zu sein.
Bei gut gemachten Fake News, die aus ausgesuchten Teilen der Wirklichkeit besteht, falle einer Mehrzahl der Betroffenen weder auf, dass die Redaktion nicht nur Informationen weglässt, die nur regional bedeutsam sind. Sondern sie bemerken auch nicht, dass Meldungen so gezielt zusammenstutzt und zurechtgebogen werden, dass die bedeutsamen Teile der Information niemanden auf falsche Gedanken bringen können.
Tägliches Muskeltraining
Solches Vertrauen muss getestet werden, es ist wie ein Muskel, den es Tag für Tag zu trainieren gilt. Diesmal führt der Weg der "Tagesschau" auf den indischen Subkontinent, in ein Land, so fern, dass es in Deutschland seit Angela Merkels Besuch vor sechs Jahren kaum eine Rolle spielte, obwohl jeder Deutsche Jahr für Jahr zwölf Euro Entwicklungshilfe an die aufstrebende Wirtschaftsmacht überweist. Seinerzeit half die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau der Regierung in Neu-Delhi Millionen für Elektrobusse beim Wiederaufbau nach dem Ende der britischen Kolonialzeit. Nie mehr war seither von den deutschen Bussen zu hören, die etwa 0,21 Prozent der 2,3 Millionen Busse mit Diesel- oder Erdgasantrieb ersetzen sollen.
Heute erntet die ARD-Indienberichterstattung die Früchte dieser Saat: Indien mache "Tempo bei der Energiewende", schwärmt eine Konstanze Nastarowitz über "einen weiteren Meilenstein bei der Energiewende", den das oft als "größte Demokratie der Welt" bezeichnete Land zwischen Arabischem Meer und Gold von Bengalen erreicht habe, ganze "fünf Jahre früher als es das Pariser Klimaabkommen festlegt". Der Duktus erinnert an die Welle der Kenia-Lobpreisungen, die die Mai 2023 über Deutschland schwappte, als der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz und seine treuen Medienbegleiter in Ostafrika einen "Klimachampion" entdeckten, der zwar unter Stromausfällen, Unterversorgung und himmelhohen Preisen leidet, aber aus Deutschlands Medienstuben gesehen als Vorbild gepriesen wurden.
Skepikern heimleuchten
Als wolle sie den immer lauter werdenden Transformationsskeptikern daheim von Hamburg aus ins Gewissen senden, singt die "Tagesschau" eine Hymne auf "Indiens Fortschritte bei der Energiewende". Herausragend sei der Umstand, dass das Land bereits 40 Prozent seiner installierten Stromkapazität aus nicht fossilen Energieträgern beziehe. "Erstmals stamme mehr als die Hälfte der installierten Stromerzeugungskapazität in Indien aus nicht-fossilen Energieträgern - wenn auch nur ganz knapp", lobt die von einem "vielfältigen Gremium" (NDR) aus zu 99 Prozent weißen, älteren Angehörigen der politischen Klasse überwachte Anstalt.
Wer mit der Wahrheit lügen will, mit reinen, puren, ungeschminkten Fakten Meinung machen und dabei nicht erwischt werden, dem rät das Lehrbuch des klassischen Demagogiefaches "Lügen mit der Wahrheit", Details lieber wegzulassen und anstelle der Wahrheit mit Halbwahrheiten zu arbeiten. Hier ist es die "Hälfte der installierten Stromerzeugungskapazität", die unvorbereitete Zuschauer in die Irre führt.
Unauffällige Adjektivierung
Wer drei Sekunden nachdenkt, dem fällt die Adjektivierung auf, die unauffällig auf eine natürlich bestehende Diskrepanz zwischen installierter Kapazität und realer Produktion hinweist. Ob Anlagen zur Produktion sogenannter "Erneuerbarer" (Ricarda Lang) eine Kapazität von 10, 100 oder 1.000 Gigawatt haben, sagt nichts darüber aus, wie viel Strom sie tatsächlich erzeugen.
In Indien sind es nicht etwa 40 Prozent der benötigten Strommenge, wie die "Tagesschau" gezielt nahelegt. Nach den Daten von Our World in Data entstammen neun von elf Terrawatt Energie, die Indien verbraucht, aus Öl und Kohle - das sind 81 Prozent. Mehr als die Hälfte entfällt Kohlekraftwerke - bis 2030 plant die indische Regierung zudem, diesen Bereich auszubauen.
Mit Hilfe von neuen Kohlekraftwerken mit einer Gesamtkapazität von 31 Gigawatt soll eine zuverlässige Stromversorgung während der sonnenfreien Stunden gewährleistet werden. Der geplante gigantische Zubau an Kohleverfeuerungsanlagen entspricht exakt dem Rückbau, den Deutschland bis zum gleichen Jahr durch seinen Kohleausstieg zum Klimaschutz beisteuern will.
Nur knapp zehn Prozent
Derzeit tragen Solar- und Windkraft in Indien zusammen nicht 40, sondern nur knapp mehr als zehn Prozent zur Stromerzeugung bei, trotz ihrer hohen installierten Kapazität. Nachts ist es auch in Asien dunkel, dadurch fallen die Solaranlagen das halbe Jahr über aus. Windkraft ist noch weniger wichtig: Sie liefert derzeit nicht einmal zehn Prozent der Energie, die mit tatkräftiger Hilfe Russlands aus Erdöl gewonnen wird. 70 Prozent der Stromproduktion in Indien entstammen der Verbrennung von Kohle, die Abhängigkeit Indiens vom fossilen Sektor entspricht etwa der der DDR oder der Bundesrepublik von 1986.
Die Gründe sind einfach zu verstehen: Während Kohlekraftwerke mit etwa 80 Prozent ihrer installierten Leistung Strom liefern, liegen Solaranlagen in Indien bei nur etwa zehn Prozent. Windkraftanlagen sind mit 20 Prozent besser, aber weit weg von einem Betrieb unter Dauerlast. Das bedeutet, dass zur Erzeugung der gleichen Strommenge wie ein Kohlekraftwerk das Achtfache an Solar- oder das Vierfache an Windkapazität benötigt würde - und selbst dann müsste noch irgendein Dreh gefunden werden, die Wind- und Sonnenversorgung dauerhaft sicherzustellen.
Angeblich erreichte Ziele
Die angeblich erreichten indischen Klimaziele sind ein Hirngespinst, das die "Tagesschau" nur verbreiten kann, weil sie die zugrundeliegenden Fakten zu Propagandazwecken gezielt zurechtschneidet. Als habe die Redaktion in Hamburg keinen Zugang zu Datenbanken und Archiven, wird alles ausgeblendet, was gewünschten Narrativ widerspricht: Dass Indien im April 2024, als Niederschläge ausblieben und die Wasserkraftproduktion zurückging, zu 77 Prozent mit Kohlestrom versorgt wurde, um die Netzstabilität zu gewährleisten? Kein Thema, wenn sich loben lässt, dass es - rein theoretisch - auch 40 Prozent Erneuerbare hätten sein können.
Es geht nicht um Wahrheit, es geht nicht um Realität oder Fakten. Bewusst wird die "installierte Kapazität" einmal erwähnt, aber nicht erläutert. Bewusst wird der Eindruck erweckt, Indien sei in höchsten Tempo erfolgreich auf dem besten Weg zur Energiewende. Dass der zitierte Experte vom Centre for Science and Environment (CSE) einen strategischen Plan vertritt, bleibt unerwähnt, ebenso die Nähe der Planer zur indischen Regierung. Diese Nähe könnte erklären, warum der Experte eine optimistische Sicht vertritt, die mit den politischen Narrativen übereinstimmt. Diese Nähe könnte auch erklären, warum die "Tagesschau" ausgerechnet ihn zitiert.
Und mit keinem Wort auf die Tatsache eingeht, dass weit weg ist davon, irgendeines seiner Klimaziele zu erreichen. Zwar meldete das Land zuletzt ein Rekordjahr beim Ausbau der Erneuerbaren. Doch das war weniger Hoffnungssignal als ernüchternde Neuigkeit. Um seine Energieziele zu erreichen, müsste Indien den Einsatz erneuerbarer Energien bis 2030 Jahr für Jahr verdoppeln. Auch angesichts der gesunkenen Preise für fossile Brennstoffe und der gestiegenen Preise etwa für Wind- und große Solaranlagen ein Vorhaben, das schwer infrage steht.
Doch aus der "Tagesschau" wird das sicherlich niemand erfahren.
4 Kommentare:
Das Schöne ist, dass die Tagessschau mit ihrer Glaubwürdigkeit inzwischen schon so viel gewuchert hat, dass jeder Interessierte bei so einer Meldung "weiß", dass sie unwahr ist, ohne das erst noch nachprüfen zu müssen. Danke an ppq für die Bestätigung. Jetzt fehlt nur noch der Faktencheck von Correctiv, Faktenfuchs und Volksverpetzer.
leider glauben weiterhin 80% der herde der aktuellen kamera und sind sich nicht im klaren, dass der grösste feind der staat ist. da man so dumm nicht sein kann, muss das betreute denken&leben definitiv gewollt sein!
devote, grenzenlos dumme köterrasse halt!
Wenn man uns bürokratisch beflissenen Weltrettern schon zwei der auch ohne Klimawandel heißesten Sonnenstaaten des Planeten - Kenia und nun auch Indien - als Energiewunderland serviert, weil deren Bewohner z.B. keine halbjährigen Winter heizen müssen, dann überzeugt das dennoch die hirntote Mehrheit des mündigen Schildbürgers, der sich eher von mittelalterlichen Aberglaubens-Idiotien als von rationaler Vernunft leiten lässt. Auch unter stupidem Nutzvieh lassen sich einzelne Ausnahmetalente finden, doch die Gesamtherde trottelt nur instinktgesteuert tierisch primitiv umher. Für tägliche Jobroutine reicht es, aber darüber hinaus wird das denken klimaschützend sparsam.
Jedes Ramschladen-Sonderangebot am Wühltisch beweist diese Tatsache erneut. Just sah man sie wegen einer neuen spitzzahnig grinsenden Plüschpuppe namens Labubu massenweise Schlange stehend.
Kleinkinder... das sind Kleinkinder in Erwachsenenkörpern.
Seit 2000 Jahren bekannt, aber nicht erkannt:
"Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun."
Über diese Nastarowitz findet man wenig, die schreibt, was grad weg muss, ein Ai in Menschenform.
Die Meldung ging am 14. Juli über Reuters, und man fand es aus irgendwelchen Gründen passend, das knapp 2 Wochen später bei tagesschau als neuste News zu verkaufen.
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