Es ist die dritte Welle oder auch schon die vierte. Sie ist echt und schmerzhaft und die, die auf ihr surfen, versprechen sich viel davon, ganz oben gesehen zu werden, beim tollkühnen Ritt auf dem Schaum einer Zeit, die den einen zu langsam vergeht und den anderen viel zu schnell.
Über Jahre war ausgemacht, dass die, die unsere Demokratie anzweifeln und womöglich sogar ablehnen, im Familienverbund in der Minderheit sind. Sie hatten zu schweigen oder sie wurden von der klimabewegten Enkelin, der Lehrertochter aus der Öko-NGO oder dem Berliner Beraterbruder knapp eingenordet. Für Deine Geschwurbel ist kein Platz an Omas Geburtstagstafel! Niemand will ausgerechnet zu Weihnachten deine Verschwörungstheorien hören.
Der feiste Sachsen-Onkel
Der feiste Onkel aus Sachsen, der als Dachdecker oder Fliesenleger arbeitet und glaubt, wegen seiner vielen Bekannten in Handwerksberufen an speichernden Netzen, grünem Wasserstoff und der Endlösung für die Flüchtlingspolitik der EU zweifeln zu können, musste kleinlaut einlenken. Familie ist Familie und Blut dicker als Wasser, selbst wenn es nur angeheiratet oder angepartnerschaftet ist. Selbst der größte Impfleugner, Grünenhasser oder Putinliebhaber überlegt sich zweimal, ob er seine Atomkraftwerkpropaganda auch um den Preis weiter verbreiten will, dass sich seine nächsten Angehörigen angewidert abwenden.
Der gesellschaftliche Friede blieb durch die Vermeidung von Debatten gewahrt. Zugleich aber drehte sich der Wind: Gegner eines Atomausstieges, Feinde der Wärmewende, Verwandte, die nicht an die israelische Schuld für die Lage im Gazastreifen glauben, dazu Zeitgenossen, die einen Dialog mit Moskau befürworten und nicht glauben wollen, dass Donald Trump die USA in ein dunkles Zeitalter der Diktatur führt - sie alle vernetzten sich. Und je höher die Umfragezahlen der zumindest kurzzeitig als in Gänze komplett gesichert rechtsextremistisch eingeordneten AfD stiegen, umso lauter und selbstbewusster verschafften sie sich mit ihrern Zweifel, ihrer hetze und ihrem Hass Gehör im Familienverbund.
Hoffähiger Hass
Die Rechtsaußenpartei zu wählen, erschien vielerorts plötzlich nicht mehr als Todsünde. Kolonialismus nicht für den einzigen Grund für den bedauernswerten Zustand weiter Teile Afrikas zu halten, wurde hoffähig. Die Liebe zum Diesel, das Bekenntnis zum Fleischessen und die Ablehnung von Tempolimit und CO2-Abgabe kamen nun vielerorts bei Familientreffen auf den Tisch. Mit üblen Folgen: "Ich habe mit einem Teil meiner ostdeutschen Familie gebrochen, weil sie politische Haltungen vertreten, für die ich nicht stehe", hat die Popsängerin Nina Chuba jetzt öffentlich bekannt. Sie könne da auch keine falsche Toleranz oder Verständnis zeigen. "Ich bin absolut gegen die AfD“, sagte Chuba, die für die neue Welle der Unerbittlichen steht, die Gespräche über verschiedene Ansichten rundheraus ablehnt und keine Diskussionen mehr über politische Positionen führen will, die nicht die eigenen sind.
Auch Leonie Plaar ist eine junge Frau aus dieser Generation, die die ostentative Abkehr von ihrer Familie als Karriereooster nutzt. Plaar, Historikerin, Influencerin, politische Aktivistin und Schriftstellerin, ist nicht nur lesbisch, sondern auch queer, sie entstammt einer Familie beinharter AfD-Mitglieder und in ihrem Buch "Die AfD, meine Familie und ich" schildert sie, wie ihre eigene Radikalisierung über Jahre hinweg imm er extremere Ausmaße annnahm. Bis sie irgendwann den Gedanken nicht mehr wegschieben konnte: "Hier gibt es kein Zurück mehr."
Schlachten am Küchentisch
Wie in Schlachten war Plaar zuvor in Gespräche am Küchentisch gegangen. Teilweise über drei, vier, fünf Stunden habe sie mit ihrem Vater, einer AfD-Gründungsmitglied, debattiert. Plaar empfand das als "unglaublich zehrend", denn obwohl sie sich akribisch vorbereitete und sich tief in Verschwörungsideologien und Falschinformationen einlas, gelang es ihr nie, ihren Vater zur Umkehr zu bewegen. "Die Situation spitzte sich weiter zu, bis ich den Schlusspunkt setzen musste", glaubte Plaar, für die der geeignete Momnet für den geplanten Kontaktabbruch kam, "als eine mögliche Impfpflicht mit dem Holocaust verglichen wurde".
Wie Chuba brach auch Plaar den Kontakt zu ihrer Familie ab. Ihre Mutter, die rollengerecht versuchte, sie umzustimmen, stellte sie vor die Wahl, sich von ihrem Mann zu trennen oder ihre Tochter zu verlieren. Ihre Mutter habe sie mit den klassischen Argumenten ködern wollen: "Das ist doch dein Vater, er hat so viel für dich getan!" Leonie Plaar aber blieb hart: "Ich erklärte ihr ganz klar, dass Familie für mich Schutz, Geborgenheit und Sicherheit bedeutet". "Dieser Mensch" aber, so nennt sie ihren Vater, unterstütze eine Partei, "deren Mitglieder mir als queere Person schon den Tod gewünscht haben". Das aber entspreche "nicht mehr meiner Definition von Familie".
Erbarmungslose Geschichte eines Bruchs
Mutter gab auf. Leonie Plaar hatte gewonnen - ihr Buch, das auf schmalen 190 Seiten die erbarmungslose Geschichte eines Bruch erzählt, war nicht sonderlich erfolgreich, doch in den Sparten "Biografien von LGBTQ+", "Faschismus" und "Diskriminierung" erregte es ebenso Aufsehen wie bei großen Medienhäusern. Plaar wurde herumgereicht von "Brigitte" bis "Stern", der Deutschlandfunk hielt ihr das Mikrophon hin und die Seite "Kraureporter" ließ sie berichten, wie sie "direkt von der Politik der AfD betroffen" sein kann, ohne dass diese Partei schon jemals irgendwo regiert hat.
Plaar und Chuba sind mit ihrer unerbittlichen Haltung den eigenen Blutsverwandten gegenüber nicht allein. Große Teile der Jugendlichen, die sich früher um Bewegungen wie die Letzte Generation oder Fridays for Future geschart hatten, leben als junge Erwachsene im Gefühl, jetzt sei die Zeit gekommen, vor der sie ihre Ikonen immer gewarnt hatten.
Plaar war Anfang 30, als die AfD sich als eurorettungskritische Partei gründete, aber sofort als rechtsextreme Formation enttarnt wurde. Nina Chuba, die als Kind von Eltern aus Sachsen-Anhalt in Hamburg aufwuchs, erlebte die sogenannten "grünen Jahre" als Teenagerin. Die heute 26-Jährige hat die Welt nie anders gesehen als auf dem Weg hin zu Nachhaltigkeit mit offenen Grenzen überall, erneuerbaren Energien und Regenbogendemonstrationen.
Gegenkräfte der Beharrung
So sahen die Beschreibung der gesellschaftlichen Großtrends aus. Die Gegenkräfte der Beharrung hatten sich über Jahre zurcügezogen in ein paar abgelegene Täler an der Elbe, an der Unstrut und im Erzgebirge. Mutige Reporter , die sich hin und wieder dorthin wagten, wo der Hutmann sein tristes Leben zwischen Pellettheizung, Feierabendbier und Schmierereien am Asylbewerberheim führte, berichteten von schrecklichen Zuständen: Trotz aller Versprechen der in Teilen gesichert rechtsextremen Partei fehle es auch in den Landkreisen, in denen sie hohe Wahlergebnisse eingefahren habe, an Geld, die Kreisstraßen zu unterhalten, die Krankenhauslandschaft wackle und die überbürokratischen EU-Regeln seien auch nirgendwo abgeschafft worden.
Wer Frau ist, gebildet und queer oder Popstar, kann dem nicht zuschauen. Er muss ein Zeichen setzten, denn immer häufiger verursacht Streit um die AfD Risse, die quer durch Familien gehen und nur durch einen harten, klaren Schnitt geheilt werden können. Wo Väter, oft sind es die Väter, eher konservativ denken und darauf beharren, dass sie enttäuscht über die Politik der letzten 15 Jahre seien, arten Meinungsverschiedenheiten schnell aus, wenn Töchter, oft sind es die Töchter, verlangen, dass ihre Erzeuger mit solchen Aussagen vorsichtig sein sollen.
Das letzte Wort haben
Gewohnt daran, das letzte Wort zu haben, beharren Menschen, die mit den Positionen der AfD liebäugeln, oft darauf, sagen zu dürfen, was sie denken, ganz egal, was es ist. "Ich bin deshalb doch kein Nazi", versuchen sie sich selbst zu entschuldigen. Doch wer als Familienmitglied weiß, wie der Freundes- und Bekanntenkreis des Vaters aussieht, der ahnt, dass mehr dahitler steckt.
Als oft großstädtisch sozialisierte, mehrsprachige und universitär ausgebildete Generation sind die Jungen offener und einfühlsamer, aber auch sensibler bei Meinungsverschiedenheiten. Dass zwei Menschen ein Ding aus unterschiedlicher Perspektive bewerten können, erscheint ihnen als Verstoß gegen die Vorgabe, dass es immer nur eine Wahrheit geben kann.
Ein "Spiegel"-Reporter berichtete bereits in der ersten Distanzierungswelle im Jahr 2017 von traumatischen Szenen bei Besuchen daheim. Man schaue gemeinsam "Tagesschau", "einer kommentiert eine Szene, dann fallen schnell verletzende Worte, die oft nicht zurück genommen werden." Inzwischen reiche es oft schon, "wenn einer nur die Augen verdreht".
Rechte Kronzeugen
Der Hass steigt auf, es wird nachgekartet und mit Texten von Autoren, die der neurechten Szene nahestehen, versucht, die eigenen Argumentation zu stützen. Sein Vater, so berichtet ein junger Mann, der sich ebeenfall gezwungen sah, seine Familie zu verstoßen, habe behauptet, die AfD sei keine Partei, die er möge. Aber wählen müsse er sie, weil sie die einzige Kraft darstelle, die die anderen Parteien wieder in die Mitte rücken könne. Seine letzte Nachricht an den Vater zitiert der Kontaktabbrecher bereitwillig: "Wer Rassisten wählt, macht sich mit ihnen gemein. Und wer sich mit Rassisten gemein macht, ist selber mindestens ein Mit-Rassist."
Doch politischen Druck ausüben, das können die jungen Leute auch. Wo immer der Verdacht aufkommt, Väter oder Mütter, Brüder oder Schwestern, der Onkel, die Tante oder der Schwager bezögen falsche Positionen oder wählten sogar falsch, zeigt die Generation der Unerbittlichen Konsequenz. Kontaktabbruch. Sprechverbote. Eine private Brandmauer, errichtet aus Enttäuschung darüber, dass der Vater, der doch früher in der SPD war und für Amnesty spendete, abgedriftet ist.
Eine Brandmauer, die aber auch davor schützen soll, selbst infiziert zu werden mit dem Nazi-Virus, das anfangs fast nur Ältere befiel, mittlerweile aber auch Jüngere nicht mehr verschont. Der Lockdown auf familiärer Ebene erscheint da als einzige Chance der politischen Hygiene.
Die Tür bleibt offen
Doch für Chuba, Plaar und die anderen jungen, engagierten Menschen, die ihrem Beispiel folgen, steht natürlich auch fest: Kein Bruch muss für immer sein, Heilung ist möglich. Und die Therapie ist denkbar einfach. Es braucht nicht mehr als eine Umkehr zurück zu den Werten, die die Generation vertrritt, die mit Work&Travel sowie unzähligen Erasmus-Semestern gesegnet wurde und nun nichts mehr anfangen kann mit Abschottung und Fremdenfeindlichkeit und Thilo Sarrazin und der Verteufelung des Islam.
Ihre Hand bleibt ausgestreckt, ihre Herzen offen: Sobald Vater seinem Glauben abschwört, Europa drohe eine Islamisierung, der Genderwahn zerstöre die deutsche Sprache, die Klimaideologie werde zu einer Gefahr für den Wohlstand der Deutschen, die Meiniungsfreiheit sei bedroht wie in der DDR und die Parteien der Mitte machten schon lange keine Politik mehr für die arbeitende Mitte, kann alles wieder werden wie früher.
7 Kommentare:
Die ganze traurige Geschichte der Plaar in Brigitte.
https://www.brigitte.de/aktuell/gesellschaft/kontaktabbruch-innerhalb-der-familie---der-vater-aus-meiner-kindheit-existiert-nicht-mehr--14028658.html
Der Film zum Thema für alle, die noch nicht genug umgedreht sind.
https://www.ardmediathek.de/video/westart/leonie-plaar-meine-familie-die-afd-und-ich/wdr/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLXNvcGhvcmEtNTM1NmVkMjAtZWFmMC00ZWQyLWFlODEtNzY1NGQ4ZmE3MmUz
Wer solch eine linksradikale Rechthaberei-Faschistin in der Familie hat, braucht keine Feinde.
Woher nimmt solches trotz oder durch Bildung verblödetes Ideologiegesindel das Recht, jeden, der nicht ihren Sozialismus-Quark mitrührt, zum Unmenschen zu diffamieren?
Man muss sich inzwischen ernsthaft überlegen, ob man noch friedlich abwarten soll, bis diese Hassbestien einen umbringen, oder ob es fürs eigene Überleben wichtig wäre, die zuerst zu terminieren.
Der sogenannte Rechtsstaat wird nämlich niemanden schützen, denn er ist längst Teil der Bedrohung.
Just wurden in Austria 10 kulturbereichernde Vergewaltiger einer 12jährigen freigesprochen, weil das Mädel ihr Nein nicht dadurch ausreichend deutlich bewiesen hatte, die alle abwehrend krankenhaureif zu schlagen,wofür sie dann garantiert hart bestraft worden wäre.
Das ist die juristische Absurdistan-Realiät!
Perversion auf allen Gesellschaftsebenen.
Aber die quasi hirntote Mehrheit findet das voll noomaaal.
Germania, quo vadis?
Der sachliche Hintergrund vons Janze.
Leonie Plaar
Meine Familie, die AfD und ich
Wie Rechtsextremismus uns entzweit – und wie wir dagegenhalten — Von der Historikerin und Aktivistin Frau Löwenherz
Paperback 18,00€
Leonie Plaar wurde 1992 in Osnabrück geboren und studierte Englisch, Geschichte und American Studies, ergänzt durch ein Zertifikat in Geschlechterforschung.
aushungern
"der ahnt, dass mehr dahitler steckt." Fetzt, den nehm ich.
Alles andere als OT: Der Staat ist mit Parasiten durchseucht in einem Maße, das ich bisher nicht für möglich gehalten habe. Björn Harms, Der NGO-Komplex. Langen Müller Verlag, 5. Auflage 2025. Der Penseur würde sagen: Leseempfehlung.
Ach was - ich be- und empfehle, dieses Buch zu lesen.
Wer wie Andreas Rosenfelder ...
Aaron Rosenfelder unterschlägt, dass dieser Kümmel oder wie der heißt, nach Pöbelprotesten längs wieder zugange ist.
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