Montag, 22. Dezember 2025

Das Jahr ohne Sommer: April der Erwartungen

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Diesmal wieder mit der CDU zusammen: Die SPD regierte Deutschland in 23 der letzten 27 Jahre. Mit Friedrich Merz hat sie aber erstmals wieder einen Kanzler gefunden, der wirklich Sozialdemokrat ist.

 You look so tired, unhappy
Bring down the government
They don't, they don't speak for us

No Surprise, Radiohead, 1997

Es war ein Jahr zum Vergessen und vielen gelang das außerordentlich gut. Der neue Kanzler wusste schon nach Wochen nicht mehr, was er versprochen hatte. Seine Hilfstruppen von der SPD hatten verdrängt, dass sie wiedermal eine Wahl verloren hatten. In der Welt draußen wendete sich einiges zum Besseren. Deutschland aber blieb mit klarem Kompass auf Kurs. 

Der Rückblick auf 2025 zeigt zwölf Monate, die es in sich hatten. Nie mehr wird es so sein wie vorher.
 

Es ist ein Neustart mit alten Gesichtern, eine Hoffnung, die nicht lange braucht, um zu enttäuschen. Im April, erst ein halbes Jahr ist seit der neuerlichen Zeitenwende vergangen, die das Auseinanderbrechen der rot-grün-gelben Fortschrittskoalition für Deutschland, Europa, die Welt und das globale Klima, mit sich brachte. Doch Deutschland hat sich geschüttelt. Die demokratischen Parteien fanden in der größten Stunde der Not wie ein Mann zusammen, um neue Schuldenhaushalte zu schaffen, Schuldenhaushalte von einer Dimension, die früher lebenden Generationen überhaupt nicht vermittelbar gewesen wären.

Es sind nur Nullen 

Doch es sind nur Nullen, viele zwar, so viele sogar, dass der einfache Mann auf der Straße nicht auf Anhieb zu sagen vermag, wie viele eigentlich und welcher Anteil dabei auf ihn fällt. Die richtige Antwort wäre 15.000 Euro, zumindest was die laufenden Sondervermögen anbelangt. 45.000 Euro kämen aus Altverpflichtungen hinzu. Ein Betrag, der in der Diskussion gern unerwähnt bleibt, weil er für viele Armutsgefährdete, aber auch für Teile der hart arbeitenden Mitte nach Überreichtum klingt.

Was muss, das muss. Friedrich Merz, der seinen Marsch zur Macht über fast zwei Jahrzehnte hinweg penibel geplant hat, begeht nicht den Fehler von Robert Habeck und seinem Kanzler Olaf Scholz, die finanziell unzureichend ausgestattet in die "sozialdemokratische Ära" (Scholz) gestartet waren. Ohne Moos nicht los. Ohne Klimasondervermögen kein Spielraum, die notwendigen Härten bei der unumgänglichen Transformation einer Industrienation zu einer wunderbar behördlich regulierten Ladentheke für chinesische Waren  so weit auszugleichen, dass der Frosch nicht aus Kochwasser hüpft bevor er gar ist.

Handreichung der Grünen 

Die Union rüstet sich mit Hilfe der Grünen und der Linken für die Kanzlerschaft, die neue SPD-Führung, auf eigenen Beschluss gebildet aus den Überlebenden der Ampelzeit, zögert nicht, die Genossen von der Basis per Mitgliedervotum einzubinden. Lars Klingbeil, der neue und einzige starke Mann der deutschen Sozialdemokratie, weiß um die Verfassung Partei in solchen Momenten. Die steht zuverlässig für einen Platz am Lagerfeuer der Legislative. Ehe sie in die Opposition geht, geht sie lieber unter.

Was da kommt, ist die nächste Regierung der Ratlosen, so viel ist schon vor der Ableistung des Amtseides der beiden blutigen Neulinge in Staatsgeschäften zu sehen. In den Koalitionsverhandlungen spielen sich die künftigen Partner gegenseitig am Gemächt: Die eine Seite wünscht ein Lügenverbot und die staatliche Kontrolle der Wahrheit. Die andere ist entschlossen, lieber die Jugend in den Schuldenturm zu sperren als den eigenen Wählern reinen Wein einzuschenken über die desaströsen Zukunftsaussichten eines Landes, das sich sein Geschäftsmodell selbst zerstört.

Es erwacht kein Frühling 

In diesem April erwacht kein Frühling. In diesem April regt sich nicht die Hoffnung, Friedrich Merz könnte mit seiner Ankündigung einer großen Stimmungswende "bis zum Sommer" etwas anderes getan haben als jeder furchtsame Wanderer, der im dunklen Wald vorsichtshalber vor sich hin pfeift. Wie vom Donner gerührt steht das politische Berlin an der Seite es politischen EU-Europa, als Donald Trump in Washington seine neuen Zölle ankündigt. 

Weder Berlin noch Brüssel haben Diplomaten, Informanten oder Geheimdienstquellen in den Vereinigten Staaten, die sie über solche jähen Wendungen vorab ins Bild setzen. Auch im April erstarrt wieder ein ganzer Kontinent vor Schrecken. Bis Ursula von der Leyen, die keinen Ruf mehr zu verlieren hat, beherzt aus der Kulisse tritt und eine eilig zusammengesuchte Handvoll Worthülsen verteilt: Ein schwerer Schlag für die Weltwirtschaft. "Ich bedauere diese Entscheidung zutiefst." Immense Folgen. "Die Weltwirtschaft wird massiv leiden." Unsicherheiten werden zunehmen. Und, wie zuletzt schon bei den drastischen Abschottungsmaßnahmen, die die EU gegen andere Wirtschaftsräume getroffen hatte: "Der Protektionismus wird weiter angeheizt".

Der nächste Wiederaufbauplan 

Vier Jahre nach der Verkündigung des prächtigen Europäischen Wiederaufbauplanes "Next Generation EU" kann es nur um Wiederaufbau gehen. Nur wie? Nur was? Wer und weswegen? Die Kungelrunden der künftigen Koalition arbeiten quälend langsam, füttern die Öffentlichkeit aber mit vielversprechenden Ankündigungen. Alles wird anders. Die Wirtschaftsflaute wird beendet. Der AfD-Höhenflug auch. Die Grenzen können nun doch geschützt werden. Und die neue Mannschaft in Berlin, sie wird einmal mehr kräftig Bürokratie abbauen, durchdigitalisieren, entschlacken und zeigen, dass sie es kann.

Am 28. April stellte CDU-Chef Friedrich Merz seine Kabinettsliste vor: Katherina Reiche ist seine Wirtschaftsministerin, Johann Wadephul geht ins Auswärtige Amt, Mediamarkt-Boss Karsten Wildberger übernimmt das Digitalressort. Lars Klingbeil, ausgebildeter Politikwissenschaftler, löst den ausgebildeten Philosophen Robert Habeck als Vizekanzler und den ausgebildeten Politikwissenschaftler und Philosophen Christian Lindner als Finanzminister ab. 

Ein Mann der Überzeugungen 

Klingbeil, 47 Jahre alt, ist kein Herr der Löcher, sondern ein Mann mit Überzeugungen. Politik besteht aus Kompromissen, die aus Versprechungen in der Regel Vertröstungen machen. Für den Niedersachsen, ähnlich groß gewachsen wie Friedrich Merz, bedeutet das gleich zum Start ein ehrliches Bekenntnis: Die Stromsteuersenkung, die viele Unionswähler überzeugt hatte, wird es nicht geben, denn das Geld hat schon ein anderer. 

Das sei "eine Botschaft ans Land: Kompetenz statt Chaos", loben Union-Kreise, um das Protestgeschrei zu übertönen. Natürlich winkt der CDU-Parteitag den Koalitionsvertrag durch. Natürlich sind auch die noch verbliebenen SPD dafür, den Schalthebeln der Macht nahe zu bleiben. Abgesehen von vier Jahren schwarz-gelber Koalition regiert die Partei der Bebels, Brandts und Schröders 23 der letzten 27 Jahre mit. Kopfschüttelnd kommt Klingbeil ins Amt. Kopfschüttelnd muss der Mann, der erst seit 20 Jahren im Bundestag sitzt und nicht einmal zehn Jahre Spitzenämter in seiner Partei ausübte, Notiz vom traurigen Zustand des Staates nehmen. 

Aus der Funktionärsschule ins Finanzamt 

Viele Monate später wird er das alles als "peinlich" bezeichnen, im April aber ist die Freude noch groß, die ungeliebte und den meisten Bürgerinnen und Bürger grundunsympathische Saskia Esken als Co-Parteichefin losgeworden zu sein. Bärbel Bas, einer der letzten als Frau gelesenen SPD-Politiker, der vom Nimbus einer Basisnähe durch Geburt umweht wird, soll künftig neben dem Niedersachsen amtieren, der den vorschriftsmäßigen Funktionärsweg durch das Parteischulungssystem gegangen ist. Ein Duo, das sich alles zutraut, genauso wieder Merz und Söder, die beiden unumschränkten Beherrscher der Union, die sich gegenseitig belauern, den miserablen Zustand des Landes aber für einen  Startvorteil halten.

Null Wachstum. Ein Volk, das null Erwartungen hat. Eine Medienlandschaft, die in der Vorstellung lebt, dass Deutschland das Zentrum der Welt und die rechte Gefahr das zentrale Problem der Gegenwart ist. Dazu Trump, der für jede Verzögerung des angesagten Neustarts verantwortlich gemacht werden kann. Niemand braucht bei einer solchen Ausgangsposition mehr als die Chuzpe, Strukturreformen anzukündigen, von demnächst kommenden  Wachstumsrezepte zu flunkern und einen nahen Boom in allen Branchen vorherzusagen, der durch Staatsausgaben auskömmlich finanziert sein werde.

Vasallen in den Verlagen 

Zumindest die treuen Vasallen in den Verlagen wollen nicht zu früh zweifeln. Die Inflation flaue schon ab, sehen sie Licht am Ende des Tunnels aus fünf Jahren tiefer Depression. Die "Rhein-Zeitung" jubelt gar über "Innovative Betriebe, starke Wirtschaft – jetzt bohrt die neue Koalition dicke Bretter!" Das große Glück der gesamten Nation hängt an den 9.500 Stimmen, die Sahra Wagenknecht BSW  laut amtlichem Endergebnis für den Einzug in den Bundestag fehlen. Wären die Querfrontler drin, wäre Merz draußen. Wenigstens können die Parteien im Parlament selbst bestimmen, ob noch einmal nachgezählt werden soll. Die Entscheidung fällt mit der deutlichen Mehrheit aller Demokraten der Mitte: Besser nicht. 

Was Deutschland braucht, ist Stabilität, ist ein weiteres Weiterso, ist eine Merkel, die wieder Pragmatismus predigt, während sie ideologisch regiert. Der Papst ist tot, es lebe der Papst, Merz ist Merkel und Friedrich der Größte. Das Lügenverbot, das die SPD gefordert hatte, kann der CDU-Chef aus dem Koalitionsvertrag verhandeln. Strafrechtsexperten zufolge entgeht Merz damit einer drohenden Gefängnisstrafe wegen seiner Wahlkampfversprechen, die der Sauerländer zum Teil sogar in Gebärdensprache abgegeben hatte.  Merz' Zusagen wie "Grenzen zu" und "Steuern runter" sterben auf dem Tisch, an dem die Koalition um die eigenen Pfründe pokert. Niemand kann alles haben. Aber alle nichts.

Von den echten Demokraten verhöhnt 

Das erste Opfer jeder Regierungsbildung ist die Wahrheit. Der erste Feind, gegen den sich politisch Gegner gemeinsam wenden, ist die Meinungsfreiheit. Rot-schwarz, von den Grünen in den Sattel gehoben und zugleich als "Kleine Koalition" verhöhnt, führen ihren Meinungskrieg mit der Klage über die US-Plattformen, die das in der EU vorgeschriebene "Factchecking" beenden. Tränen tropfen im politischen Berlin, als die Hassrausch-Industrie kollabiert. Hämisch grinsen die Täter von Sylt, denn ein erschütterndes Update zur Staatsaffäre aus dem Frühjahr 2024 ergibt, dass kein einziger Sänger noch in U-Haft, niemand angeklagt und keiner verurteilt wurde.

Deutschlands Rechtsruck, er manifestiert sich in solchen Momenten. Elite-Rassismus bleibt unbestraft, die AfD unverboten. Statt knallharte Kante gegen Russland, China und Amerika zu zeigen, die rechten Regierungen in Europa zum Austritt aus der EU zu zwingen und die extremistischen Parteien im eigenen Land nicht nur hinter eine Brandmauer, sondern in eine Zelle zu stecken, setzt rot-schwarz den kompromisslerischen Kurs beim Kampf gegen  rechts fort. 

Anlauf zur Enttäuschung - der April im Rückblick 

Medien in der Zeitenwende: Kritiker der Kritiker
Tempolimit: Längere Fahrzeit, geringere Standzeit
Anklage wegen Gedankendelikt: Erster Traumverbrecher vor Gericht
Sylt-Krise: Wie viele Sänger sind noch in Haft?
Politische Evolution: Überleben auf Abwegen
Friedrich der Größte: Aufstieg zur Macht
Ende eines Traums: Tod eines Faktencheckers
Verheerende Bilanz: Der ökologische Fußabdruck von Bargeld
Zitate zur Zeit: Unheimliche Geräusche
Ausgestellte Leiche, tiefe Verbeugungen: Knicks vor einem Konservativen
Abschied vom Aufschwung: Die Null muss stehen



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