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In der SPD ist die Abschaffung der Demokratie und die Errichtung eines von Jesus geleiteten Königreich Gottes auf Erden jetzt hoffähig geworden. |
Das Weltbild ist wissenschaftlich, alle Pläne zum notwendigen gesellschaftlichen Wandel sind durchgerechnet und mit guten alten und vielfach bewährten Gesellschaftstheorien unterlegt. Vom Weg hin zum Sozialismus, da sind sich Linkspartei, BSW, Grüne und SPD einig, darf niemand ablassen, denn der Sozialismus wird es ein es Tages sein, der Gleichheit und finale Gerechtigkeit schafft.
Doch sosehr das einleuchtet, die vor allem die deutsche Sozialdemokratie, Teil der Socialists&Democrats getauften revolutionären Fraktion im Europa-Parlament, leiden darunter, dass die Masse ihres früheren Klientels nicht mehr naach Hilfe und Betreuung, Bevormundung und Führung verlangt, sondern danach, von ihren Funktionären in Frieden gelassen zu werden. Die aber, reihenweise ausgebildet in Kaderanstalten ohne Kontakt zur Außenwelt, entstammen heute einem ganz andren Milieu als ihre Wähler. Führende Sozialdemokraten sind studierte Leute ohne schwielige Hände. Sie haben günstigtstenfals noch nie im Leben gearbeitet, weil es Sitte ist in der Partei, sich bereits mit 17 oder 18 Jahren langsam hochzudienen.
Breite Ablehnung überall
Die alte Arbeiterpartei leidet unter einer breiten Ablehnung durch 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung. Und ein Grund dafür liegt in der Entkoppelung ihres Funktionärsbetriebes von dem was früher die Basis des Erfolges von Politikern wie Brandt, Wehner, Schmidt und Schröder war. Auch die entstammten keineswegs dem öligen Umfeld von Lokfabriken oder dem staubigen Boden eines Bergbaubetriebes. Sie hatten aber ein Leben außerhalb der Politik geführt und wussten so aus der Erinnerung zu sagen, wie sich Dinge darstellen, betrachtet man sie nicht aus der Perspektive eines aus Ideologie und Machtgier betonierten Parteibunkers.
In der zweiten Kadergeneration nach Schröder hat sich die Erinnerung der Genossen an diese langjährige Basisverbundenheit als Grundlage jeder erfolgreichen Politik in Zehn-Punkte-Plänen, hektischen Strategieverschiebungen und trotzigem Beharren auf der Richtigkeit der eigenen Politik verloren. Die SPD ist auf dem Weg zu einer Partei, die ausschließlich noch das Interessen ihrer hauptamtlichen Funktionäre vertritt, den eigenen Traumberuf weiterhin ungestört von der Wirklichkeit ausüben zu dürfen.
Opfer des sozialen Aufstiegs
Der Führungsriege nach dem - letztlich barsch erzwungenen - Abschied der letzten laschen Schröderianer Scholz, Gabriel und Steinmeier aus der aktiven Politik ist ein Opfer ihres sozialen Aufstiegs geworden. Der Beruf des Politikers, zuweilen ausgeübt in der zweiten Generation, erlaubt das Leben auf größerem Fuß und einen weiteren Überblick. In den dadurch vom Boden ihrer Klasse abgehobenen sozialdemokratischen Führungsriegen entstand der Eindruck, es müsse nur gelingen, den früheren Klassenkameraden mit sehr viel und noch viel mehr guten Gaben des Sozialstaates den Mund zu stopfen, um Ruhe und Ordnung und Zustimmung zur Politik der Partei dauerhaft einzukaufen.
Ein Missverständnis, so verhängnisvoll, dass es droht, Deutschlands älteste Partei daran scheitern und sie untergehen zu lassen. Die Zeichen stehen an jeder Wand, bei jeder Wahl lassen verzweifelte Wähler die Alarmglocken schrillen. Doch nirgendwo in der SPD ist eine Politikerin oder ein Politiker, der Ohren hat, um es zu hören. Ganz im Gegenteil. Die Klingbeils, Bas und Pistorius, Hubig, Klüssendorf, Köpping und Post scheinen bitter entschlossen, den für ihre Partei so verhängnisvollen Kurs auch um den Preis des - bereits absehbaren - eigenen Untergangs fortzusetzen.
Abschied vom Klassenkampf
Unter ihrer Ägide ist die SPD zurückgekehrt auf den Weg des Klassenkampfes gegen das einst verhasste System, von dem sie sich vor mehr als 60 Jahren verabschiedet hatte, um pragmatische Politik für lebendige Menschen zu machen. Bei dieser Strategieänderung handelte es sich ursprünglich um den Versuch, der unter Angela Merkel nach links drängenden Union durch einen eigene noch linkere Ausrichtung aus dem Weg zu gehen.
Es war vergebens. Nie gelang es der Partei der einst mächtigen deutschen Arbeiterbewegung, mit ihren Kampfaufrufen gegen Manager, Spekulanten, Überreiche und Privatfirmen und für höhere Steuern und einen größeren, stärkeren Staat wie früher begeisterte Massen hinter sich zu versammeln. Die SPD unterließ in der Folge jeden weiteren Versuch. Die Funktionärsriege zog sich ganz in ihre Berliner Blase zurück. Selbst ihren letzten Wahlkampf führte die SPD ausschließlich im geschlossenen Saal vor handverlesenen und eingeschworenen Anhängern. Die Partei großer Wahlkämpfer wie August Bebel, Regine Hildebrandt, Oskar Lafontaine und Franz Müntefering hat sich in ihre Nische zurückgezogen. Die meisten Parteiführer sind im Lande draußen vollkommen unbekannt.
Die Quittung für das letzte Aufgebot
An der Spitze der Partei, die früher kantige Gestalten wie Wehner, Schmidt und Sarrazin im Dutzend hervorbrachte, so dass die Granden sich gegenseitig mit allen Mitteln bekämpften, stehen mittlerweile junge, im parteigenen Saft geschmorte Figuren wie Tim Klüssendorf, Katarina Barley, Jessica Rosenthal und Achim Post. Die Quittung bekommt dieses letzte Aufgebot an jedem Wahltag. Nur noch ein Drittel der Wählerinnen und Wähler, die Kanzler wie Brandt und Schröder überzeugten, folgt der SPD heute noch treu. In mehreren Bundesländern droht Umfragen zufolge schon bei der nächsten Landtagswahl das Unvorstellbare: Ein Scheitern der langjährigen Volkspartei SPD an der Fünf-Prozent-Hürde.
Dass die deutsche Sozialdemokratie energisch gegen ihr eigenes Verschwinden ankämpft, lässt sich trotzdem nicht sagen. Der Funktionärsbeschäftigungbetrieb, als der sich die Partei heute versteht, produziert Durchhalteparolen und haltlose Versprechen. Bärbel Bas, eine ermüdend langweilige Funktionärsfrau, die es bis in die spätern 90er Jahre hinein allenfalls zur Parteigruppenkassiererin in Duisburg-Walsum gebracht hätte, steht stellvertretend für einen akzeptierenden Umgang sowohl mit dem unaufhaltsamen Aufstieg der AfD als auch mit dem eigenen Niedergang.
Sehnsucht nach Nahles
Nach der Wählerklatsche in Nordrhein-Westfalen hat Bas' diese Strategie in einem Satz zusammengefasst, wie er eleganter nicht formuliert werden kann. Ihre Partei habe die Aufgabe, "jetzt wieder die Politik zu machen, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bewegt und das ist die Aufgabe, die wir jetzt auch haben und da wird uns auch die AfD nicht den Rang ablaufen", sicherte die hälftige Parteivorsitzende zu. Auf einmal sehnten sich viele alte Sozialdemokraten nach Andrea Nahles und Andrea Ypsilanti, zwei früher federführend mit dem Rückbau der deutschen Sozialdemokratie beschäftigten Genossinnen, denen nach getanem Werk glücklich der Sprung in schöne Versorgungsposten gelang.
Den Zurückgebliebenen bleibt nicht viel Hoffnung. Vorbei sind die Zeiten, in denen es nach Wahlniederlagen kräftig krachte in der SPD, in denen zwischen den verschiedenen Parteiflügeln um die Ausrichtung gestritten und nach personeller Erneuerung gerufen wurde. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch, der den Niedergang seiner Partei in den zurückliegenden 20 Jahren direkt aus seinem Abgeordnetenbüro im Bundestag beobachten konnte, hat eine individuelle Strategie entwickelt, um einen weiteren Verlust an Vertrauen zu verhindern. Es darf nicht zu schnell gehen mit dem Machtverlust. Wenigstens fpünf bis zehn Jahre muss die SPD noch relevant genug bleiben, um die Kaste ihrer aktuellen Anführer bis zur Rente zu bringen.
Jetzt muss Jesus helfen
Miersch selbst tut alles, um den Trend wegzubremsen. Dem Niedersachsen tut es spürbar weh, dass seine einst so stolze Arbeiterpartei zu einer Karikatur ihrer selbst verkommen ist, die in manchen Bundesländern schon um den Verblieb im Parlament kämpfen muss. In der Verzweiflung darüber, nicht zu wissen, was sich dagegen unternehmen lassen könnte, hat der studierte Jurist jetzt sogar bisherige Aussagen dazu erweitert, wie er als junger Sozialist Anfang der 90er Jahre in die SPD geriet
Der Grund sei gewesen, dass "die SPD mit ihrer Tradition und ihrer Politik in der deutschen Geschichte wie keine andere Partei für die Grundwerte Solidarität, Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit steht", hatte Miersch bisher versichert - doch unter dieser Wahrheit versteckte der 58-jährige eine weitere, die er erst jetzt offenbarte, wo es darum geht, neue Wählerschichten von den unbestreitbaren Qualitäten der SPD zu überzeugen.
Keiner verlässt den Pfad
Es sei vor allem die Kirche gewesen, die ihn zum Politiker werden ließ, gesteht der Chef der SPD-Bundestagsfraktion freimütig und er verweist auf wertvolle Erfahrungen, die er als Leiter kirchlicher Gruppen gemacht habe und die "für meine Arbeit bis heute total wichtig sind. Empathie zum Beispiel." Auch für die Arbeit in einer Bundestagsfraktion gelte: "Alleine ist man nichts, wir sind alle auf die Gruppe angewiesen". Ein Bekenntnis, indem sich christliche Werte, sozialdemokratisches Ideal und der Gesang der Harfüße aus dem "Herrn der Ringe" zu einer gemeinsamen Formel verbinden: "Niemand verlässt den Pfad und niemand wandert allein".
Dass "Jesus ein Linker ist" wie Miersch in seinem Glaubensbekenntnis formuliert hat, muss allerdings jeden Demokraten irritieren. Bisher galt die Geschichte von Jesus' den Opfertod am Kreuz aufgeklärten Anhängern des säkulären Rechtsstaates als Legende. Auch das Märchen von der Auferstehung am dritten Tag und der folgenden Himmelfahrt hatte Grimm-Charakteren, ganz zu schweigen von der Prophezeiung, Jesus werde eines Tages zurückkehren, um die Lebenden und Toten zu richten, das Ende aller Sünde und alles Bösem zu bewirken und seine Herrschaft auf der Erde anzutreten.
Abschaffung der Demokratie
Die Wissenschaft widersprach mit allem, was sie hatte. Eine Wiederauferstehung sei unmöglich, eine Himmelfahrt erst seit wenigen Jahrzehnten technisch machbar. Nur für Christen blieb die Rückkehr des Gottessohnes ein mit Spannung erwartetes Ereignis. Linke und alle anderen demokraten hingegen mussten selbst die theoretische Möglichkeit einer Durchfpührung ablehnen: Der kirchlichen Lehre zufolge plant Jesus eine Art Königreich zu errichten, einen Führerstaat, in dem er mit absoluter Macht herrschen will. Die Demokratie soll abgeschafft werden, Grundgesetz und Völkerrecht, Wahlen, der Sozialstaat, Gewerkschaften, Mitbestimmung und Betriebsräte - so ziemlich alles, was Sozialdemokraten in mehr als hundert Jahren zum Teil mit Blut erkämpft haben, würde in diesem christlich-fundamentalistische geführten Königreich Deutschland abgeschafft.
Dass ein führender Sozialdemokrat das nicht weiß oder aber es wider besseren Wissens in seinen öffentlichen Aussagen verschweigt, um bei fundamentalistsichen Christen zu punkten, spricht Bände über den Zustand der SPD. "Gott, eine behütende Kraft", lobt Miersch den Vater des Mannes, der nicht nur "auf die Gemeinschaft gesetzt" und "Solidarität" gepredigt hat, sondern auch nie Zweifel daran ließ, wie er sich die Regelung des Zusammenlebens aller Menschen vorstellt: Gottes Gesetze, des Menschen unbedingter Gehorsam einem Führer gegenüber, der selbst von sich behauptet, nur "den Willen seines Vaters zu tun, also mit anderen Worten: seinem Vater gehorsam zu sein".
Ein Linker, lupenrein.
3 Kommentare:
Büschen OT:
<< Dazu verlinkte er ein Video, in dem Theveßen in einer anderen ZDF-Korrespondenten-Schalte Stephen Miller, den stellvertretenden Stabschef des Weißen Hauses, in die Nähe von Propagandisten des Dritten Reichs rückte. >>
"Eine neue Hoffnung": Miller soll Auserwählter sein - vielleicht nehmen die sich Theveßen einmal gehörig vor... - Andererseits, er ist ihnen aber ein nützlicher Idiot. Knifflig!
Noch einen: Ich meine immer, nun könne mich wirklich nichts mehr plätten - aber die Reaktionen/Antworten unserer Mediienfuzzis, des ZDF zumal - Wahnsinn. Schwachsinn übrigens auch. Kranke Selbstgerechtigkeit hoch zwei.
Nochma OT:
<< ...und zwar über Carl Schmitt. Von dem ich bis eben auch noch nie etwas gehört habe, der Name sagte mir gar nichts ... >>
Carl Schmitt - bis jetzt nie gehört (Erich Schmitt wahrscheinlich auch nicht) - so isser, der Hadmut. Zuweilen nahe an der Kante zur Inselbegabung.
>so isser, der Hadmut
Es vergeudet halt auch berufsbedingt viel Zeit mit Klumphirnen à la genius@...
Von dem hätte ich zu gern die Webseite erfahren.
Jesus war schon ein bissel links, so 'alle Menschen gleich vor Gott', was die Sklaven damals gern aufnahmen. Hieß freilich nicht, dass alle Menschen unter sich gleich seien. Ein bißchen Beschiss ist immer eingebaut.
So richtig links war er freilich auch nicht, er hatte ja ein Handwerk gelernt und womöglich auch ausgeübt.
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