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| Jan "Böhmi" Böhmermann ist einer der wichtigsten Wahlkampfhelfer der AfD. Wenn sie an die Macht kommt, will er Deutschland verlassen. Seine Mission wäre dann auch erfüllt. |
Sie lieben ihn, sie lassen sich von ihm unterhalten, bespaßen und informieren. Sie glauben, was er sagt, weil er es sagt. Wenn er ruft, dann sind sie zur Stelle. Und wenn er fordert, dann möchten sie, dass ihm sein Wunsch erfüllt wird. Jan Böhmermann betrachtet die Welt aus der Perspektive eines Bohemien. Die Leiden, die Lasten und die Ängste der einfachen Leute sind ihm Material für Schenkelklatscher auf Kosten von Minderheiten. Wo immer unzulässig vereinfacht werden kann, da tut er es. Wo sich eine Schuldfrage stellt, schiebt der Selfmade-Millionär aus Bremen die Reichen vors Loch.
Gift und Galle
Der Possenreißer für weiße Männer ist über Jahre zu einer Institution von Unseredemokratie geworden. Böhmermann spritzt Gift und Galle in die richtige Richtung. Böhmermann sät Hass und er erntet Zweifel, aber im Dienst der richtigen Sache. Das frühere SPD-Mitglied steht stellvertretend für eine Generation, die Ungleichheit nicht für eine Antriebskraft, sondern für einen Verbotstatbestand hält. Er jüngst deckte Böhmermann auf, dass es in Deutschland unterschiedliche Gewerbesteuerhebesätze gibt und sich viele Firmen absichtlich dort ansiedeln, wo sie niedrig ausfallen.
In seinem "ZDF Magazin Royal" prangerte der 44-Jährige diese "Steueroasen" an;: Gemeinden, deren Hebesatz niedriger ist als der durchschnittliche Hebesatz in Deutschland, so die Botschaft, dürfe es nicht geben, weil dadurch Milliarden an möglichen Steuereinnahmen wegfielen. Mehr Steuern aber sind gut, weniger Steuern schlecht.
Die gute alte DDR
Jan Böhmermann verwies auf die gute alte DDR, die eine einheitliche Substanzsteuer auf das Vermögen von natürlichen und juristischen Personen als Gewerbekapitalsteuer und eine Gewerbeertragsteuer auf die definierte Ertragskraft eines Gewerbebetriebes erhob. Im Gegensatz zur ungerechten und spalterischen Regelung im neuen Deutschland stand das Aufkommen nicht den miteinander um die Einnahmen konkurrierenden Gemeinden zu, sondern dem Finanzminister. Dementsprechend lag der Hebesatz einheitlich bei 400 Prozent ab einer großzügigen Freigrenze von 3.000 Ost-Mark.
Warum, nicht wieder so? Warum nicht alles über einen Kamm scheren, alles in eine zentrale Kasse packen, ARD und ZDF zusammenlegen und auch mich, so sprach Jan Böhmermann, nur noch so bezahlen wie andere Bundeskanzler, Minister und Bundespräsidenten? Als einer der immer noch Jungen im Gemeinsinnfunk ist Böhmermann eine Säule des Wiederaufbaus, vor dem ARD und ZDF stehen, nachdem auch Brandenburg die radikalen Neuordnungspläne der beiden neuen Medienstaatsverträge zugestimmt hatte.
Doch im Unterschied zu Louis Klamroth, dem umstrittenen ARD-Quotenkönig am Montagabend, dessen neuer Vertrag ihn zum Sebastian Lege des Ersten machen wird, hat Böhmermann noch nicht entschieden, wie es mit ihm weitergehen soll.
Sein Vertrag läuft aus
Ende des Jahres läuft der Vertrag des multitalentierten TV-Künstlers, Musikers und Ansagers aus. Ob das Interesse den studierten Historiker, Soziologen, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaftler ohne Abschluss weiter verpflichten will, ist unklar. Böhmermann selbst, in den vergangenen Jahren ein großer und besonders wichtiger Wahlkampfhelfer der Rechtspopulisten und Faschisten in Deutschland, hat seine Vertragsverhandlungen jetzt mit einem "offenen Gespräch" in der "Süddeutschen Zeitung" eröffnet, das er nutzt, um Alexander Gorkow und Nils Minkmar seinen Mut, seine Unerschrockenheit und seine ungebrochene Schaffenskraft zu beschreiben.
Als einer der ersten Kulturschaffenden in Deutschland, die die rechte Strategie des Versteckens spalterischer Botschaften hinter einer vermeintlich humorigen Fassade in einem großen Sender nutzen durfte, der selbst den Bundespräsidenten zu seinen freien Mitarbeitern zählt, sieht sich Böhmermann nach Ablauf seines letzten Drei-Jahres-Vertrages noch lange nicht am Ziel. Er ist ein "Mann unter Strom", getrieben von Allmachtsfantasien, dem "alles immer wichtig" ist, wie die beiden SZ-Autoren schreiben. Vor allem er selbst.
Reizfigur Nummer 1
Seit Böhmermann den Boden des Anstandes mit dem Vortrag seines sogenannten Schmähgedichts auf Recep Tayyip Erdoğan im Jahr 2016 verlassen hat, gefällt der Teilzeitmusiker, Sänger und Kurator als antisemitisch kritisierter Kunstschauen sich als Deutschlands Reizfigur Nummer eins. Nichtbeachtung ist die Höchststrafe. Selbst den Schaden, den seine Bemühungen, die Deutschen für eine von oben nach unten klar geordnete Gesellschaft zu begeistern, wie er sie gern hätte, nimmt der von seinen Anhängern "Böhmi" genannte Moderator hin, wenn ihm dafür Aufmerksamkeit gewidmet wird.
Er ist wie Jette Nietzard, wie Ruprecht Polenz, wie Markus Söder und Luisa Neubauer. Auch Böhmermann lebt nur, wenn er gesehen wird, gehört und angegriffen. Seine Person besteht aus dem, was er selbst "die öffentliche Projektionsfläche und öffentliche Figur Jan Böhmermann" nennt, ein Kunstwerk, auf das "verhetzte Rentner" (Böhmermann) mit Wut reagieren, die sich aus der Ohnmacht speist, sich Woche für Woche von einem wie Böhmermann die Welt erklären lassen zu müssen, ohne auch nur einmal sagen zu dürfen: Das stimmt doch alles gar nicht.
Helöd seiner eigenen Sage
In der SZ berichtet der Held der großen Böhmermann-Saga selbst von seiner Erkenntnis, gewonnen auf einer Rollerreise von Köln nach Chemnitz, mitten hinein ins dunkle Herz Deutschlands, wo sie Menschen anderen Aussehens jagen und abends in Nazi-Uniformen um braune Brauchtumsfeuer stehen, Heino-Lieder singend. "Es ist alles in der Realität nicht 20 Prozent so schlimm, wie uns das Internet glauben machen will", hat Böhmermann bemerkt. Unterwegs habe er sich - er spricht im Interview von sich als "Wir", denn natürlich war die Reise ein Teamevent - in kleine Pensionen gewagt, "auf dem Land, manchmal ohne Reservierung". In Chemnitz angekommen, sei er dann "erleichtert über die große Diskrepanz zwischen dem digitalen Zerrbild und der optimistischeren deutschen Wirklichkeit".
Die Menschen da draußen, sie sind gar nicht so schlimm, wie es immer im Fernsehen kommt, auf das Böhmermann als Fernsehschaffender allerdings nicht kommen lassen darf - die Vertragsverhandlungen stehen bevor. "Das Problem ist nicht nur der Journalismus, das Problem sind zuerst die digitalen sozialen Medien", sagt er deshalb und er beschreibt offenherzig seine übliche Arbeitsmethode: Ein bisschen Fakt, viel Meinung, gewürzt mit einer kräftigen Prise Zynismus, umgerührt mit dem Löffel der totalitären Ideologie, der Millionen bis heute zutrauen, Menschen eines Tages doch noch zu ihrem Glück zwingen zu können. Und fertig ist ein Stück, das "schön klickt" (Böhmermann).
Ein Medienphysiker
Die digitale Welt habe ihre vollkommen eigene Physik, erklärt der Mann, der es wissen muss. "Sie erzeugt Wut – aus dem einzigen Grund, dass sie genau davon lebt." Aus seiner Arbeit beim ZDF wisse er, dass "klassische Medien das im schlimmsten Fall blind übernehmen, aus Angst sonst nicht mehr up to date zu sein." Daraus werde eine Journalismus-Simulation, die wie im jüngsten "ZDF Magazin Royale" aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Kommunen die Möglichkeit gibt, über ihre Gewerbsteuerhebesätze selbst zu bestimmen, einen Skandal um vermeintliche Steueroasen zimmert.
Dass die Methode im Netz analysiert und kritisiert wird, gefällt Jan Böhmermann gar nicht. Der erklärte Feind der freien Meinungsäußerung, wie sie viele missgeleitete Menschen verstehen, hat sich früh gegen soziale Netzwerke positioniert, auf denen jeder sagen und schreiben kann, was er will. Elon Musk solle "sich ficken gehen" übertrat Böhmermann bewusst eine Grenze des Sagbaren, die in Deutschland vom Jugendschutz gezogen wird.
Vergeblich. Musk blieb. Jetzt fordert sein mächtiger Gegenspieler aus Mainz deshalb eine zwingende und harte Regulierung aller Plattformen, "die gewerbsmäßig Inhalte verbreiten". Und er ruft "Politiker, Abgeordnete und Minister, Behörden, alle staatlich finanzierten Institutionen" auf, sich dort umgehend abzumelden.
Böhmermann, der TikTok-Star
"Warum hängen Staatssekretäre und Bürgermeisterinnen auf Twitter herum? Warum sind Abgeordnete auf Tiktok?" Warum bespielt das ZDF Youtube? Warum unterhalten deutsche Gebührensender Accounts beim chinesischen Überwachungsportal TikTok? Warum treibt sich selbst Jan Böhmermann dort herum? Was macht er auf Instagram, einer Tochter des berüchtigten Facebook-Konzerns, dessen Chef Mark Zuckerberg sich zuletzt demonstrativ abgewandt hatte von der deutschen Definition der Meinungsfreiheit?
Im Interview spricht Böhmermann nicht darüber. Er beschreibt lieber X, das "braune Loch", aus dem eine "Todesspirale" wird, wenn Medien skrupel- oder kenntnislos ungeprüft weiterverbreiten, was dort geschrieben steht.
Er würde das alles unter scharfe Kontrolle stellen, die Macht der Netzwerke abschalten, den "zerstörerischen Algorithmus" in die Hände des Volkes legen, vielleicht vertreten durch die Rundfunkkommission, den Fernsehrat oder die EU. So lange jeder die Chance habe, für ein paar Minuten groß rauszukommen, über "diese Guerillamedien", dann, sagt Jan Böhmermann, "schadet das der politischen Kultur massiv!" Jeder Klick, den jemand anderes bekommt, ist einer weniger bei ihm.
Die Zeit wird knapp
Das muss jetzt, die Zeit wird knapp. Selbst in seiner Blase aus festgefügten Vorstellungen spürt Jan Böhmermann, wie der Wind sich dreht. Schon länger als ein Jahrzehnt sendet er gegen den Rechtsruck an, mal klagend, mal jammernd, mal möblierend. Und was hat es gebracht? Heute gilt Jan Böhmermann als einer der wirkungsmächtigsten Wahlhelfer der in zeitweise als in Gänze gesichert rechtsextremistisch eingestuften AfD.
Und seine Verzweiflung darüber ist so groß, dass er jede Taktik beiseite schiebt und nach dem Start eines Verbotsverfahren ruft, ganz egal, wie dessen Erfolgsaussichten stehen. "Wir sind doch keine Weicheier! Wir sollten das dringend erforderliche Verbotsverfahren nicht nur unter dem Angsthasen-Blickwinkel betrachten: Klappt das oder nicht? Wir sollten den Rücken durchdrücken und sagen: Wir, die wehrhaften, mutigen Demokraten, werden das natürlich schaffen."
Aufruf zur Wahl der AfD
Geht es an der Urne schief und auch in Karlsruhe, käme für ihn nur noch Plan B infrage. Bei einem Wahlerfolg der AfD werde er Konsequenzen ziehen, wie "viele Menschen" (ZDF), die "derzeit schon überlegen, im Fall einer Regierungsübernahme durch die AfD das Land zu verlassen" (SZ). Böhmermann sieht sich heute schon als Blutzeuge des politischen Bebens: "Wir öffentliche Menschen, wir laufen voran mit unseren Visagen – und wir bekommen es dann auch ab", sagt er, ohne das Land, in das er auswandern wird, schon zu verraten.
Die Lage ist ja vielerorts im Fluss, mancher Staat, der eben noch lockte, stürzt im nächsten Moment ab in eine Diktatur, fest in den Händen von Nazis und Faschisten. Sein Angebot an viele, die ihn nicht mehr sehen können, steht: Vertragsverhandlungen hin oder her, der neue Vertrag ab Januar mit Laufzeit wie auch immer - wählt die AfD, dann seid ihr mich los.


1 Kommentar:
"derzeit schon überlegen, im Fall einer Regierungsübernahme durch die AfD das Land zu verlassen"
So wie die ganzen linken Junkies und Alkies im US Showbiz die USA schon zweimal wegen Trump (nicht) verlassen haben.
Wenn der mal stirbt, sollte man sein Hirn untersuchen wie das anderer Genies wie Lenin oder Einstein.
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