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| Kommt nur zum Gucken: Grünen-Chef Felix Banaszak hat jetzt ein "Fenster zum Osten". |
Der Chef kam selbst, denn er zahlt das Experiment aus eigener Tasche. Mitten im halbentleerten deutschen Osten hat Grünen-Vorsitzender Felix Banaszak ein zweites Parteibüro eröffnet. Das "Fenster zum Osten" liegt in Brandenburg, einem Bundesland, das dem Abkippen in die Diktatur zuletzt nur noch durch eine vom sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke beherzt eingegangenen Koalition der SPD mit dem oft als "linke AfD" bezeichneten Bündnis Wagenknecht (BSW) gerettet werden konnte. Die Grünen gern mitgemacht. Aber selbst hier im weiteren Speckgürtel um das grüne Berlin reicht es nicht mehr in den Landtag.
Die Notgemeinschaft hält
Wider Erwarten hält die Notgemeinschaft bisher. Selbst scharfe Provokation wie die Weigerung des BSW, dem neuen Rundfunk-Staatsvertrag zuzustimmen und damit Sendungen wie "Restles Monitor" oder "Reschke Fernsehen" zu retten, steckt die brandenburgische Sozialdemokratie stoisch ein. Größeres zählt. Auch für Banaszak, einen 32-Jährigen, der für die Grünen nach einem Neuanfang sucht, seit die alte Spitze sich nach Amerika abgesetzt hat und im Bundestag eine weibliche Doppelspitze dabei ist, auch die verbliebenen Wähler aus der unideologischen Ecke zu vertreiben.
Banaszak, ein Kind des Ruhrpotts, hat beschlossen, dass alles anders werden muss, wenn es so bleiben soll, wie es ist. Gar nicht unähnlich der früheren Parteichefin Ricarda Lang, die geduldig darauf wartet, wieder gefragt zu sein, will der frühere Habeck-Zögling demonstrativ raus aus dem ideologischen Elfenbeinturm, dorthin, wo er "die Menschen" wähnt. Der Bürobau in Brandenburg entspricht in seiner Anlage der Idee der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel. Angesichts eines lauter werdenden Grummelns im Osten hatte die beschlossen, den auf die blühenden Landschaften wartenden Neubundesbürgern eine Armada von neuen Behörden zu schenken.
Überall ein Amt
Überall, wo es auch nach 30 Jahren noch nicht blühen wollte, siedelte Merkel ein Amt an. Als Sahne auf der kolonialen Kirschtorte gilt bis heute das mystische "Zukunftszentrum", eine Bauhülle in Gestalt eines prächtigen Parkhauses aus Glas und Blech, das später, wenn es denn erst fertig ist, mit bislang geheimgehaltenen Inhalten gefüllt werden wird. Welche, das wird erst später bekanntgegeben. Zeit ist noch genug, einen Zweck für den Zweckbau zu finden. Ursprünglich war die Eröffnung zwar für 2028 geplant, doch aktuell wird nicht vor 2027 mit dem Bau begonnen.
Geht alles sehr, sehr gut und baugrundmäßig glatt, kommen die Möbelwagen mit der Ausstattung für das "Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation", so der korrekte Name, schon zehn Jahre nach dem Vorschlag der Kommission "30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit", eins zu bauen, wozu auch immer. Merkel, die Mutter der Idee, ist dann schon fast ein Jahrzehnt im Ruhestand.
Die westdeutscheste Partei
Das Grünen-Büro in Brandenburg hingegen wird dann schon auf fünf Jahre erfolgreiche Existenz zurückschauen können. Fünf Jahre, in denen es der westdeutschesten aller Bundesparteien die Gelegenheit gegeben hat, die Primaten im Brandenburger Raum in ihrem natürlichen Habitat zu beobachten. Dass die Grünen es im Osten Deutschlands derzeit schwer haben, liegt ja auch daran, dass die neuen Länder für sie reines Durchmarschgebiet sind. Die Probleme, die die Leute hier haben, interessieren die Partei nicht. Und was die Partei für große Probleme hält, tun die Leute hier mit einer Handbewegung ab.
Wer zu knabbern hat, um sein Häuschen Baujahr 1952 im Winter warm und den Kühlschrank voll zu bekommen, hält die Frage, ob gegendert werden soll oder muss oder darf, für nebensächlich. Und wer einen 20 Jahre alten Diesel fährt, weil der Bus im Dorf nur früh und abends hält, ist kaum für einen Umstieg auf ein 9.000 Euro teures Lastenrad zu begeistern. Banaszaks Bezeichnung des Büros als "Fenster" ist insofern durchaus treffend.
Nicht Anfassen, nicht Füttern
Es geht hier ums Schauen, nicht ums Anfassen. Bitte nicht Füttern! Man will mittendrin sein, aber keinesfalls dabei. Der Ostdeutsche als solcher gilt nicht nur den grünen, sondern auch in weiteren Kreisen des progressiven Westdeutschlands als grober, unkultivierter Geselle. Er misstraut denen, die die Demokratie tragen. Und schon allein deshalb gilt es, ihm zu misstrauen. Von Brandenburg an der Havel, rund 60 Kilometer westlich von Berlin aus immerhin, kann Felix Banaszak jetzt ein Auge auf die Verdächtigen haben.
Was sagen sie? Sprechen sie überhaupt noch mit einem wie ihm, der noch auf die Art gearbeitet hat, wie sie arbeiten? Werden sie ihm, der nach dem Zivildienst eine Bilderbuchkarriere in seiner Partei gemacht hat, wie sie vorgeschrieben ist, glauben, dass er nicht als Vertreter seiner "abgehobenen Akademiker- und Elitenpartei wahrgenommen" werden will? Sondern als der Junge, der sich trotz Bahncard 100 und Büromitarbeitern, die sich um Platzreservierungen kümmern, auf dem Boden eines Bahnwaggons sitzend fotografieren lässt, als sei er seine bodenständige grüne Parteigenossin Göring-Eckhardt aus Thüringen.
Die Reaktion der Zootiere
Grundsätzlich reagieren die meisten Menschen ähnlich wie Zootiere stark auf Veränderungen ihrer Umwelt, wie sie etwa wahrgenommen werden, wenn Beobachter auf den Plan treten. Besucher, berichten Forscher, würden unter normalen Bedingungen im Zoo als Teil der Umwelt begriffen, in freier Wildbahn aber instinktiv als Gefahr aufgefasst.
Ob die grünen Besucher aus dem Raumschiff Berlin-Mitte in Brandenburg an der Havel als Störfaktor oder doch eher als neues Unterhaltungsangebot begriffen werden, lässt sich wenige Tage nach der Eröffnung noch nicht sagen.
Bisher ist die Adresse der neuen Anlaufstelle nicht einmal bei Google Maps hinterlegt worden.


2 Kommentare:
Akademiker- und Elitenpartei? Banaschak glaubt, das ist das Bild, das 'wir' von den Grünen haben? Da kann er gleich wieder heimfahren.
Man könnte sagen Partei der Abbrecher, die am kleinen Einmaleins scheitern aber glauben, einem die Welt erklären zu können.
Mit Akademikern und Elite meint er die Sympathisanten in der Lehrerschaft.
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