Dienstag, 30. Dezember 2025

Das Jahr ohne Sommer: November der Entzauberung

Deutschland benötigt auch am Ende des großen Brandmauer-Jahres weiterhin baulichen Schutz vor rechts. Doch die Diskussion um einen Mauerneubau ist eingeschlafen.

Nothin' lasts forever
And we both know hearts can change
And it's hard to hold a candle
In the cold November rain

November Rain, Axl Rose, 1991

Es war ein Jahr zum Vergessen und vielen gelang das außerordentlich gut. Der neue Kanzler wusste schon nach Wochen nicht mehr, was er versprochen hatte. Seine Hilfstruppen von der SPD hatten verdrängt, dass sie wiedermal eine Wahl verloren hatten. In der Welt draußen wendete sich einiges zum Besseren. Deutschland aber blieb mit klarem Kompass auf Kurs. 

Der Rückblick auf 2025 zeigt zwölf Monate, die es in sich hatten. Nie mehr wird es so sein wie vorher.  

Es sind verstörende Nachrichten, mit denen der Internetkonzern Google Deutschland schockiert, als sich der Herbst der Reformen dem Ende zuneigt. Es ist so viel versucht worden. Es waren fast alle einer Meinung. So inständig mancher auch flehte, dass doch niemand ein Viertel bis ein Drittel und in manchen Regionen nahezu die Hälfte aller Bürgerinnen und Bürger aussperren dürfe, so Schulter an Schulter stand die Front. 

Die Brandmauer, sie würde stehenblieben, noch höher und breiter und undurchlässiger als immer. Sie würde, so hieß es, noch in hundert Jahren stehen, wenn sich die Bedingungen, die zu ihrem Bau hatten führen müssen, nicht geändert hätten.

Niemandem eine Träne nachweinen 

Eine Gesellschaft zeigte Charakter. Eine Gesellschaft knickte nicht ein vor einer schon im zehnten Jahr beständig wachsenden Minderheit. Nur weil Vater, Opa, Großmutter, Töchterchen oder der beste Freund auf Kindheitstagen auf Abwege geraten war, würde niemand jemandem auch nur eine Träne nachweinen. 

Das "dann geh doch rüber", mit dem vor allem rechtsoffene Kreise in der alte Bundesrepublik versucht hatten, progressiv denkende Umweltschützer, Wehrdienstverweigerer und von der SED finanzierte Medienarbeiter zu remigrieren, fand eine neue, inklusive Interpretation. Wer weiterhin Teil unserer Demokratie sein wolle, so hieß es in den Kanzelreden, der könne umkehren, sich abwenden von denen, die die regierung stürzen wollten. Und er werde, ein gewisses Maß an Reue vorausgesetzt, wieder Teil des großen Wir werden können.  

Millionen Unverbesserliche 

Eine Einladung, die von Millionen Unverbesserlichen ausgeschlagen wurde. Widerspenstig und kratzbürstig ignorierten im Verlauf des Jahres 2025 immer mehr Menschen die amtlichen Warnungen, sich nicht mit den falschen Freunden zu umgeben, keinen verkehrten Umgang zu pflegen und ja nicht bei falscher Gelegenheit am falschen Ort aufzutauchen wie die berühmte  Frau A.K.

Hinweise verpufften. Medienarbeiter, die beharrlich ihrer Aufgabe nachkamen, das Volk im Sinn der gestellten Klassenaufgabe zu erziehen, wurden verhöhnt. Politiker sahen sich nicht mehr ernstgenommen. Regierungsgegner drohten, das werde alles anders werden, hätten sie erst die Macht übernommen. Feige schlugen sich zugleich Millionen der Menschen in die Büsche, die sich noch zu Beginn des Jahres bei den größten Aufmärschen, die die Republik jemals gesehen hatte, als menschliche Schutzschilde zwischen den als "Nazi" enttarnten neuen Kanzler und die Brandmauer geworfen hatten.

Kein Interesse mehr für die Brandmauer 

99 Prozent Rückgang, so sieht es zehn Montae später aus. Das Interesse an der Brandmauer, dem tragenden Pfeiler der Unsererdemokratie, ist in einem so erschreckenden Maß eingebrochen, das oft Tage vergehen, bis der Schlüsselbegriff der Macht der Mitte in einem Medium verwendet wird. 

Natürlich versuchen es die Grünen noch, indem sie die ehemalige Trumpfkarte spielen, wann immer es zu passen scheint. Auch die Linke und selbst die SPD stehen stabil mt dem Rücken zur Wand. Doch die "kirmeshafte Lust am Untergang der liberalen Demokratie", mit der der "Spiegel"-Kolumnist Dirk Kurbjuweit das jhr am End ezusammenfassen wird, hat gewonnen. Die "Brandmauer" erscheint vielen nicht mehr als Sicherheitsversprechen. Sondern als Bedrohung der eigenen Entscheidungsfreiheit.

Dass es  so weit kommen würde, weil es immer so weit kommt, war zu erahnen. Die Geschichte zeigt, dass Propaganda nur wirkt, so lange sie nicht als Propaganda erkannt wird. Häufig genug wiederholt, können halbgare Fakten, manipulierte Statistiken und gezielt gekitzelte motionen eine klare Freund-Feind-Dichotomie schaffen. 

Ausgeblendete Widersprüche 

Widersprüche werden ausblendet, eine bestimmte Weltsicht mit Hilfe psychologischer Tricks, dumpfer Stereotypen und suggestiven, emotional geladenen Botschaften verbreitet. Die öffentliche Meinung ist einfach zu manipulieren: Demonstriert die gegnerische Seite, ist das ein "Aufmarsch", oft kommt es zu Gewalt. Ist man selbst auf der Straße, handelt es sich um einen "Gegenprotest", der "überwiegend freidlich" verläuft. 

Doch diese Magie, die zur Delegitimierung von Gegnern führt und die eigene Perspektive als einzig zulässig verbreitet, versagt, so bald die ersten Zweifel an der Behauptung auftauchen, nur sie sei es, die die  Wahrheit sage. Im Verlauf des Jahres 2025 war zu beobachten, wie sich zwei gegenläufige Trends aufschaukeln: Vermehrte Zweifel nicht mehr nur am Willen, sondern an der Fähigkeit der politischen Parteien, ihrer Führer und der von ihnen stets gelobten multinationalen Institutionen, anstehende Probleme lösen zu können. 

An die Reste der Realität genagelt 

Und die mit den Zweifeln wachsende Lautstärke, hektische Dringlichkeit und oft nurmehr noch grob an die Reste der Realität genagelten Versuche, mit noch mehr Medizin aus derselben Flasche doch noch alle zu heilen, die die bisherige Bilanz nicht überzeugt.

Das Überdrehte, Schrille und als Dauerton Heulende hatte so viele Jahre den Ruf, wenn schon niemanden überzeugen zu können, so doch alle Gegenstimmen unhörbar zu machen. Als die Schulstreiks in Deutschland die Ära von Klimahysterie und grüner Mathematik einleitete, erschien es jedem Medienkonsumenten, als seien Millionen Schülerinnen und Schüler auf der Straße. 

Obwohl es doch selbst auf dem Höhepunkt der nie mehr als zwei Prozent der Jugendlichen im Land waren, die zu den allfreitäglichen Kundgebungen für einen grundsätzlichen Gesellschaftsumbau im Namen des Klimakampfes kamen. 

Die letzte Elitenbewegung 

Wie Fridays for Future blieb auch die "Letzte Generation" eine Elitenbewegung, die keinerlei Massenwirkung entwickeln konnte - dafür aber von den Leitmedien hofiert wurde, als stehe sie tatsächlich für den Willen einer Mehrheit.  Nach diesem Vorbild designten die Anführer*innen anderer Randgruppenverbände ihr zynisches Geschäftsmodell: Auffallen, provozieren, die Grenzen von Zivilität und gutem Geschmack überdehnen, um wahrgenommen zu werden. Das gelang lange. Und die Schäden, die sich heute überall besichtigen lassen, sind groß.

Der neue antifaschistische Schutzwall, ein Bauwerk, das die lebendige Demokratie in eine Art Gipsbett hatte zwängen sollen, hat das Vertrauen von Millionen in die lauteren Motive der Medien, in die Problemlösungskompetenz der Parteien und in die Wohlstandsmehrungsfähigkeiten der EU nachhaltig zerstört. Wie in der am Ende unter der Last der eigenen, nie eingelösten Versprechungen zusammengebrochenen DDR überstehen die Ergebnisse der Arbeit der Parteien der Mitte und der europäischen Instanzen keinen Abgleich mit den Erfolgsmeldungen.

Abspielstationen für Propagandatexte 

Dass die großen Medien nahezu einstimmig versuchen, diese Diskrepanz auszublenden, entspannt die Lage jeweils nur für den Augenblick, verschärft sie aber auf lange Sicht. Denn indem sich die ehemals auch regierungskritische Häuser zur Abspielstationen für Propagandatexte machen, zerstören sie die einzige Möglichkeit, Menschen zu erreichen. Wer einmal über eine der unzähligen Designerwahrheiten gestolpert ist, den verlässt das Misstrauen, belogen und betrogen zu werden, nie mehr. 

Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er dann die Wahrheit spricht... ARD, ZDF, die "privatkapitalistischen Medienheuschrecken", wie sie das ARD-Framing-Manual nannte - sie alle machten im Verlauf des Jahres die Erfahrung, dass  Abraham Lincoln Recht hatte. "Man kann manche Leute die ganze Zeit täuschen und alle Leute eine Zeit lang, aber man kann nicht alle Leute die ganze Zeit täuschen", hatte der US-Präsident gesagt.

Immanuel Kant war es, der vor den Folgen warnte, es trotzdem zu versuchen: Jede Lüge untergräbt die Grundlage der Kommunikation. Niemand verschwendet noch Zeit darauf, einem Lügner zuzuhören, der dafür bekannt ist, sich seine Wahrheiten entlang ideologischer Erfordernisse zurechtzubiegen.

Die traurigen Siege der Haltungsökonomen 

Es sind die Vertreter der Haltungsökonomie, die als menschliche Kontraindikatoren fest zur Sache stehen und damit das Geschäft der Leute besorgen, die sie zu bekämpfen vorgeben. Dem Publikum vermittelt diese Art Wissenschaft des Gefühls den Eindruck, dass niemand mehr nichts Genaues weiß und deshalb alles egal ist. Der Kontrollverlust, den Friedrich Merz unbewusst mit seinem Satz vom Stadtbild heraufbeschworen hatte, löst eine tiefgreifende Irritation aus. 

Wenn der Bundestag im Zuge der Pandemie mit dem §5c IfSG Anweisungen erteilen kann, die über Leben und Tod entscheiden sollten, das Bundesverfassungsgericht das Gesetz aber Jahre später kassiert, was ist dann noch richtig? was ist falsch? Kommt der Automatismus, mit dem Politiker im dritten Jahrtausend alles regeln, deckeln, verbieten wollen, an seine Grenzen?  Oder hilft die Vorstellung eines Gesellschaftsmodells, das das sozialistischen Glücksversprechen früherer Zeiten reanimiert, weil Enttäuschung als letzte gesellschaftliche Triebkraft noch stark genug ist, Veränderungen zu bewirken?

Rettung durch Umverteilung 

Die Idee, ein Staat könne Wohlstand und soziale Wärme einfach durch Umverteilen, neue Gesetze und Klimaillusionen erzeugen, ist auf dem Rückzug. Doch geschlagen ist sie noch lange nicht. Die paradiesische Utopie, dass der Staat alles richten könne, sitzt gerade in der jungen Generation, die selbst noch nicht miterlebt hat, dass öffentlich verkündete Ziele kein Weg sind, Ziele zu erreichen. 

"Fensters zum Osten", wie die grüne Restpartei eines in Brandenburg öffnet, sind es vermutlich auch nicht. Nach der desaströs verlorenen Bundestagswahl ist der früheren Öko-Partei nicht nur die Prominenz abhanden gekommen, sondern auch die Machtperspektive. Soll man noch linker werden? Oder pragmatischer tun? Parteichef Felix Banaszak entschließt sich, stattdessen "Präsenz in den neuen Ländern zu zeigen" und eine Art Schlüsselloch in den Osten zu bohren, um das normale Leben der gewöhnlichen Menschen beobachten zu können. 

Nun nur noch besser erklären 

Das vermeidet, sich den realen Problemen stellen zu müssen. Es ist die "Wir müssen unsere gute Poltik nur noch besser erklären"-Variante von hochfliegenden Pläne zum Emissionshandel, Green Deals zur Dekarbonisierung und des Kanzlers Behauptungen, Deutschland sei eine Führungsnation bei KI. 
Der November 2025 ist der Monat der Entzauberung. Auch Merz' Allmachtswunsch ist nur eine Behauptung. Sein Sommer der Stimmungswende entschläft still wie alle Fortschrittsversprechen linker und grüner Utopisten. 

Der November des Abschieds:

Innovationsreich Deutschland: Raketen auf dem Weihnachtsmarkt
Fest der Demokratie: Die Helden von Heuchelheim
Zitate zur Zeit: Gerettete Königreiche
Gerechte Beitragsexplosion: Angriff aufs Ersparte
KI-Wettlauf: So will Trump die EU bei Künstlicher Intelligenz einholen
Rentenstreit: Die alten Frauen sind zu teuer
Kosten der EU: Ein Millionengrab aus Kaffeetassen
EU-Postkontrolle, Abteilung M: "Alles wissen, um alle zu schützen"
Lauterbach-Idee: Zukunft aus der Sterbeliste



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