Samstag, 2. November 2013

HFC: Geschichten aus der Murkelei

Kopfschütteln kostenlos, gnatzig schweigende Empörung und ein einsamer Ruf nach einem Trainerwechsel, mehr Emotion ist nicht drin nach 90 Minuten. Zuvor haben die 7000 Fans im ehemaligen halleschen Kurt-Wabbel-Stadion dem schlechtesten Heimspiel der Saison beiwohnen müssen. Und mit nach Hause nehmen dürfen sie ein sauer verdientes Remis als Lohn für eine Kollektivleistung mit zwei herausragenden Einzelakteuren, die letztlich den Ausschlag dafür gaben, dass der verhuschte und zu Beginn vor Furcht förmlich zitternde Gast aus Saarbrücken jubelt, während HFC-Abwehrspieler Kristian Kojola fassungslos die Hände über dem Kopf zusammenschlägt.

Überraschend war der Ausgang des Treffens des Tabellenzwölften gegen den Vorletzten allerdings nicht. Hatte der HFC das Spiel am Anfang noch fest in der Hand, ohne dafür mehr tun zu müssen als das Notwendigste, war die Begegnung um die 70. Minute irgendwie gekippt. 1:0 stand es da nach einem Handelfmeter, den Sören Bertram in der 35. Minute routiniert verwandelt hatte. Zuvor hatte der HFC die Gäste beherrscht, ohne zu glänzen. Zwar hatte Daniel Ziebig schon nach vier Minuten die Latte getroffen und auch Zeiger, Lindenhahn und Kojola hatten Einschußmöglichkeiten. Doch schon die Art, wie die Chancen vergeben wurden, verriet, dass das große Feuer eine Woche nach den Feuerspielen von Rostock heute zumindest nicht vom rasen auf die Ränge überspringen würde.

Seltsam gedämpft sind die Gesänge, seltsam gedämpft wirkt das Spiel. Saarbrücken wird nur gefährlich, wenn Halle grobe Patzer macht, wie sie Kojola zu Beginn gleich zweimal liefert. Und Halle scheint sich in Geduld üben zu wollen. Irgendwann geht schon noch einer rein.

Seinen unübersehbaren Beitrag dazu leistet Pierre Merkel, der Ex-Braunschweiger, der vor der Saison als Stammstürmer kam, in keinem seiner neun Punktspieleinsätze traf, dem Finnen Timo Furuholm Platz machen musste und nun nur auf dem Platz steht, weil der wegen seiner 5. Gelben Karte heute verhindert ist. Doch Merkel, der seine Zurücksetzung ins zweite Glied nie verwunden hat, tritt auf, als wolle er noch einmal beweisen, warum sein Spitznamen Pierre Murkel lautet: Großgewachsen, springt er an nahezu jedem Kopfball vorbei, im Laufduell ist er zu langsam, in der Balleroberung ein Komplettausfall und abgesehen von der Vorlage zu Ziebigs Lattenschuss kommt von ihm weder ein eigener Abschlussversuch noch ein brauchbares Zuspiel auf einen Kollegen.

Znd der Eindruck täuscht, dass die es nach der Führung auch zu zehnt ins Ziel bringen. zwar kombinieren Lindenhahn, Bertram und Gogia bis zum Strafraum der Saarbrücker teilweise sehenswert und wenn Marcel Baude aus der Abwehr nach vorn stößt, droht der ganze FCS-Abwehrverband zusammenzufallen. Doch vorm Strafraum ist immer Schluss, auch weil Murkel das Talent hat, immer genau dort parat zu stehen, wo ihn niemand sucht.

Trainer Sven Köhler, der ähnlich bewegungslos vor seiner Bank steht wie Merkel in der gegnerischen Hälfte, muss das sehen. Und er reagiert. Mit Toni Lindenhahn nimmt er den agilen Rechtsaußen raus und bringt Robert Schick, der eher für die Brechstange steht. Bertram und Gogia haben nun nur noch sich selbst zum kombineren, augenblicklich fehlt die Entlastung nach vorn und die Gäste aus Saarbrücken spüren, dass hier mehr geht als als mit einer verdienten Niederlage nach Hause zu fahren. In der 75. Minute klingelt es beim HFC. Aber das Glück, das in den letzten Wochen öfter mal ein Hallenser war, hält noch zur Stange: Schiedsrichter Stegmann pfeift ein Foul Philipp Zeiger, Tor zählt nicht.

Das Spiel der Hallenser gleich nun aber endgültig dem Geräusch, das Fingernägel auf einer Kreidetafel machen. Ein Dauerkrampf, zur Hoffnung geronnen, es könne wieder wie gegen Chemnitz zu einem mit letzter Kraft geretteten Sieg reichen. Allerdings ist da ja noch Sven Köhler, der erneut reagiert: Jetzt muss, nein, nicht Pierre Murkel, sondern Philipp Zeiger gehen, der bis dahin eine immerhin brauchbare Vorstellung im defensiven Mittelfeld gegeben hat. Für ihn kommt Pierre Becken, ein gelernter Verteidiger, der lange verletzt war und die zentrale Sechs noch nie gespielt hat.

Köhler will sich die letzten fünf Minuten durchmurkeln, aber Saarbrücken will nicht mitmachen. Halle verteidigt sich jetzt mit langen Bällen nach vorn, die Merkel allesamt verpasst oder verspringen lässt. Der FCS rennt mit Mann und Maus an und hat plötzlich auch eine Torchance nach der anderen. Kleinheider rettet gegen Deville, Franke blockt gegen Ziemer. Es ist die 87. Minute und die Zuschauer schauen mehr zur Uhr auf der Anzeigetafel als aufs Spielfeld.

Aber sechzig Sekunden später kommt es, wie es kommen muss. Wieder hat der HFC den Ball, wieder fliegt er lang nach vorn. Gogia wird gefoult, aber den Freistoß kann ihn Pierre Merkel nicht behaupten. Im Gegenzug greift Saarbrücken an, einmal abgewehrt, ein zweites Mal abgewehrt, fast hört man die Männer in Rot und Weiß darum betteln, dass sich nun endlich einer der Blau-Schwarzen ein Herz nimmt und die Sache zuende bringt. Maurice Deville, der vorher schon ein paarmal Anlauf genommen hat, erbarmt sich schließlich. Mit einer schönen Bogenlampe aus 18 Metern, die noch leicht abgefälscht wird, überwindet er Pierre Kleinheider im HFC-Tor.

1:1 und Schluss, jedenfalls beinahe, denn in der Schlussminute hat Pierre Merkel doch noch seinen großen Auftritt Noch einmal fliegt eine Flanke in den Strafraum des FCS, zum ersten Mal seit einem Schussversuch in der 5. Minute steht der Ex-Braunschweiger richtig. Er dreht sich. Schießt. Und trifft mit einem sehenswerten steilen Ball unter die Latte aus Nahdistanz zum Ausgleich. leider ist da schon abgepfiffen, weil Stegmann gesehen hat, dass Merkels Hand den Ball zum Schussbein umgelenkt hat.

Jetzt kommt der Schlusspfiff, jetzt schlägt Kojola die Hände vors Gesicht. Pierre Merkel tauscht mit einem Saarbrücker das Trikot. Viele Gelegenheiten, seine Sammlung zu erweitern, das lassen die Pfiffe und der höhnische Applaus der Fans vermuten, wird er in Halle nicht mehr bekommen.

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