Mittwoch, 20. August 2014

Krieg: Die Sprache marschiert voran

Er hat wirklich „Schergen“ gesagt. In der ARD, in einer ernsthaften Nachrichtensendung. Putins Schergen natürlich, was sonst. Das erste Opfer im Krieg, schreibt die "Zeit", sei immer die Wahrheit. Aber das stimmt nicht. Das erste Opfer im Krieg ist immer der gesunde Menschenverstand: Wehen die Fahnen, begibt sich der Verstand in die Trompete. Und Sprache wird in einem Maße zur Waffe, dass sie bald nur noch als Karikatur erkennbar ist.

Die Leitmedien verbiegen sie, um die Öffentlichkeit von ihrer Sicht der Dinge zu überzeugen. Das ist nicht schwer zu durchschauen, denn wer in Zeitungsartikeln und Fernsehbeiträgen täglich mit Begriffen wie „Schergen“, „Despot“, „Faschist“ oder „Postfaschist“ bombardiert wird, fühlt sich über kurz oder lang in ein absurdes Theaterstück versetzt, in dem durch schamlose Übertreibung versucht wird, eine Botschaft zu überbringen, dem mitdenkenden Publikum aber zugleich zu signalisieren, dass das Ganze natürlich nur eine Farce ist.

Je ernster die Sprecher klingen und je häufiger die Kommentatoren inflationös von "Schlächtern" und "Massakern" und "Völkermord" und "purem Faschismus" schwärmen, desto unwirklicher wird die Szenerie. Begriffe werden, da liegt die „Zeit“ richtig, übernommen, ohne ihren wirklichen Sinn zu hinterfragen. Hauptsache ein Superlativ, Hauptsache das größte Kaliber.Bumm!

Das fängt schon an, ehe der Krieg losgetreten wird. Wer eben noch Partner war, Kreml-Herr oder Präsident seines Landes, wird nach und nach zum Autokraten, Despoten und Diktator, seine Soldaten werden zu “Schergen“, seine Mitarbeiter zu Helfershelfern und seine Unterstützer zu "russophilen Trollen".

Das Wort "entmenscht" taucht gelegentlich auf und es ist ernstgemeint, eine „entmenschte Soldateska“ (Bild) ist „grausame Realität“ (Zeit) und der Gegner leidet selbstverständlich unter "wahnhaftem Wirklichkeitsverlust" (Spiegel), er ist jemandem "hörig" oder aus grausamsten Beweggründen unwillig, eine "humanitäre Katastrophe abzuwenden".

Wer der verbalen Mobilmachung zuhört oder sie mitliest, fühlt sich wie in einem Kinderbuch gefangen. „Grausame Kämpfer“ (Zeit) gibt es hier, "mörderische Angriffe" und "gewissenlose Söldner", immer werden Kinder auf Spielplätzen ermordet, aber immer nur von einer Seite, immer ist irgendwer "bluttrünstig" und unterwegs, "sinnlose Gewalt" auszuüben.

Der Holzschnitt als Kriegsdoku. War es im Kinderbuch die böse Hexe, ist es hier „das böse Wort Krieg“ (Zeit). Die sprachliche Eskalation allerdings nähert sich jeweils mit ganz großen Schritten ihrem Grenznutzen: Wenn erst Milizen zu Aufständischen, dann zu islamischen Stammeskriegern und dann zu Radikalislamisten oder Rebellen zu "Separatisten", zu "Prorussen“ und dann zu blutgierigen Banditen geworden sind, bleibt nur noch eine Steigerung: Nazis hier, Faschisten dort. Godwins Law im wahren Sterben. Und Ende.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

re Godwins law : ginge es nach "Zeit" & Co. müssten wir auf einem Naiplaneten leben der komplett von Nazis beherrscht wird .

der Sepp

Anonym hat gesagt…

es muss natürlich "Naziplanet" (tm) heißen .

der Sepp

Anonym hat gesagt…

Aber all dieser Bemühungen zum Trotz lässt sich in Russland bisher niemand zu einem „Volks“-Aufstand gegen den „Machthaber“ anstifen.
Das muss überaus ärgerlich sein.

Anonym hat gesagt…

re Anonym : warum sollten die Russen mit Putin unzufrieden sein ?

Es geht den Russen heute deutlich besser als noch vor wenigen Jahren - es gibt inzwischen gute Arbeitsplätze , es wird auch weniger gesoffen als noch vor 20 Jahren und jeder Russe kann sich eine Datsche mit Gemüsegarten kaufen . Abgesehen davon sind die Waffengesetze in der Förderation relativ liberal - wer will kann im Wald herumballern und das ist für mich der ultimative Indikator für Freiheit .

( Mein Geschäftspartner hat ein G3 mit Zielfernrohr , wir waren irgendwo südlich von Moskau und haben dort auf schwarze Schaufensterpuppen geballert , danach ging es in die Sauna und dann in die Disko ) mehr Urlaub geht nicht .

der Sepp

Anonym hat gesagt…

Jeder, der es will, sollte um zu verstehen was mittels der Sprache abgeht, Viktor Klemperer "LTI" lesen und sich darin eindenken - es hilft, zu verstehen, was hier mit uns ALLEN gemacht wird und wie ein großer Teil seit fast 70 Jahren verblödet wird (BILD Dir unsere Meinug - oder wie war der Werbespruch?)
Pfui Deibel nochmal und immer wieder!
Demokratie geht anders als das was hier abgeht!

Anonym hat gesagt…

Klemperer, Salcia Landmann, Werfel, Feuchtwanger, Ernest Bornemann, Wilhelm Reich usw. habe ich in die blaue Tonne getan, nachdem mehrere Antiquariate sie nicht geschenkt haben wollten (warum wohl?). Bei Karl Kraus zaudere ich ja noch. ---
Er hat den Messie in sich überwunden - H.H. über den Reichsprotektor - leicht abgewandelt.