Samstag, 18. Oktober 2014

Unter Feuer: Kinderradio Knirpsenstadt

Seit vergangener Woche liegt eine schriftliche Begründung des BGH-Urteils in Sachen Radio Fönwelle („Morgenshow-Urteil“) vor. Auch wenn die rechtliche Tragweite dieser Entscheidung nicht überschätzt werden sollte, bietet sie aus Sicht des Bundesverbands der Privatradiowirtschaft doch genügend Anlass für einige kritische Anmerkungen.

Die Entscheidung erging als Versäumnisurteil und ist noch nicht rechtskräftig. Gegenstand des Unterlassungstenors ist die folgende Aussage, die im Rahmen des Morgenshowspiels „Greif die Hits“ verwendet wurde: "Schnapp dir die günstige Gelegenheit und verpasse deinem Frühstück das gewisse Etwas!"

Der BGH sieht hierin eine unmittelbar an Kinder gerichtete werbende Aufforderung und damit einen Verstoß gegen Nr. 28 des Anhangs zu § Abs. 3 UWG.

Zur Begründung dieses Ergebnisses erklärt der BGH, dass durch das Spiel und die besagte Aussage gerade Minderjährige, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Kinder im rechtlichen Sinn), gezielt angesprochen würden. Hierfür verweist er auf eine angeblich kindertypische Sprache, die er maßgeblich darin erkennen will, dass die zweite Person Singular („Dir“) verwendet wird und sich im Umfeld der Aussage vereinzelte Anglizismen (gemeint sind wohl die Wörter „pimpen“ und „Erdnuckel“) finden. Welche Merkmale darüber hinaus auch das Spiel als solches kindertypisch erscheinen lassen sollen, wird in den Urteilsgründen nicht weiter erläutert.

Diese Argumentation des BGH ist nicht allein wegen ihrer konkreten rechtlichen Folgen bemerkenswert, sondern vor allem auch deshalb, weil sie deutlich macht, wie wenig Bezug Richter, die über diese Materie in letzter Instanz zu entscheiden haben, mitunter zu Sendungen von Radiosendernn haben. Jedem, der Radiosendungen nicht nur vom Hörensagen kennt, ist klar, dass der beschriebene Sprachstil für dieses Medium generell kennzeichnend ist. Man muss schon recht unbedarft an das Thema herangehen, um anzunehmen, dass Radiosender privater oder öffentlich-rechtlicher Natur ihre Kernzielgruppe deshalb allgemein bei Kindern unter 14 Jahren fänden. Studien belegen nämlich etwas vollkommen anderes: Rund 85 Prozent aller Spieler von Radiohörern sind keine Kinder, und das Durchschnittsalter liegt bei circa 32 Jahren. Dennoch sprechen Moderatoren ihr Publikum seit Jahren an, als handele es sich durchweg um geistig minderbemittelte Minderjährige.

Das ist rechtlich deshalb von besonderer Bedeutung, weil das Gesetz gerade nicht die „an jedermann“ gerichtete werbende Ansprache verbietet, von der sich Kinder lediglich auch angesprochen fühlen könnten. Untersagt ist nur die gezielte Ansprache von Kindern. Die Ansprache einer Zielgruppe, die zu 85 Prozent nicht aus Kindern besteht, ist aber geradezu der Lehrbuchfall einer an jedermann gerichteten Ansprache. Nur wer spricht zu Kindern, meine doch nicht immer Kinder, argumentiert der Radioverband.

Zweifel wirft die Urteilsbegründung auch unter einem anderen Aspekt auf: Das Gesetz nennt mit der „beworbenen Ware" einen klaren Bezugspunkt, der für eine verbotene Ansprache kennzeichnend sein muss. Mit anderen Worten: Das beworbene Produkt muss in der Werbung konkret benannt sein. Es genügt gerade nicht, wenn nur ein allgemeiner Kaufappell ausgesprochen wird.

Die vorliegend verbotene Aussage lud den Zuhörer nur dazu ein, sich "das gewisse Etwas" für sein Frühstück zu "schnappen". Worin dieses "Etwas" besteht, geht aus der Aussage nicht hervor. Ein konkretes Produkt wird also gerade nicht beworben. Vielmehr handelt es sich um eine allgemeine Einladung, ein „virtuelles Ladenlokal“ – aufzusuchen und dort erst nach dem passenden "Etwas" zu stöbern. Auch in der realen Welt sind solche allgemeinen Einladungen zum Besuch eines Geschäftes nicht vom Verbot der hier bemühten Vorschrift umfasst und daher dann auch nicht wettbewerbswidrig. Warum im Radiobereich etwas anderes gelten soll, ist der Urteilsbegründung nicht zu entnehmen, heißt es in der Stellungnahme.

Fazit: Die Entscheidung des BGH ist aus mehreren Gründen kritikwürdig. Da gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt wurde und somit eine endgültige Entscheidung noch aussteht, bleibt aber noch die Hoffnung, dass der Richterspruch nicht in dieser Form Bestand haben wird.

2 Kommentare:

fatalist hat gesagt…

Könntet Ihr bitte den Blog austauschen?
Das Outen der V-Leute mit Klarname war wohl zuviel des Guten... Blog gelöscht.

Wir haben aber noch ein paar Reserveblogs, zur Zeit (bis zur Löschung...) ist dieser hier vollständig am Netz:

http://sicherungsblog.wordpress.com/

Vielen Dank!

Christian R. aus Phnom Penh

Anonym hat gesagt…

Na, Herr v.u.z. Guttenberg, haben wir da nicht etwas vergessen?