Samstag, 2. Juni 2007

Wie wir vergeben unseren Schuldigern


Die Revolution schleicht im Dritten Programm über den Sender, ansatzlos und ohne Folgen. Vor laufender Kamera vergibt der Sportjournalist Manfred Hönel, in den Zeiten, als Erich Mielke noch ein honoriger Spitzenmann des Weltproletariats war, führender Stadtbilderklärer der Erfolge des DDR-Sports, der ebenso reumütigen wie epo-gespritzten deutschen Radfahr-Elite. "Ich akzeptiere diese Entschuldigung", sagt Manfred Hönel, der eine gute Adresse für Vergeben und Verzeihen ist. Damals, zu Mielkes großen Zeiten, war Hönel nicht nur ein Sportreporter, in dessen Wortschatz der Begriff "Doping" fehlte, sondern im Auftrag der Staatssicherheit hatte er als "IM Harro" auch ein Auge auf die Reporterkollegen und Sportgenossen, die vor allem bei Auslandsaufenthalten stets Gefahr liefen, vom Klassenfeind abgeworben zu werden. Da hat Hönel aufgepasst und Schlimmeres verhütet. Später hinderte das die größte deutsche Tageszeitung nicht, den spitzensportlichen Spitzel mit der flotten Schreibe und den unzweifelhaften Führungsqualitäten einzustellen. Vergeben war ihm worden.

Das war aber nur der Anfang. Zwar musste Hönel dann doch gehen, weil selbsternannte Opfer ihm nicht vergeben wollten. Als freier Journalist vergibt er nun aber umso gnädiger - denn nur wer vergibt, dem wird vergeben.

Das zeigt sich jetzt im Fall des Magdeburger Wirtschaftsführers und Regierungsberaters Hieckmann. Auch der diente in den großen Tagen der in Gestalt der DDR institutionalisierten Wanderung durch den Sozialismus zum Kommunismus als aufmerksamer Späher in den Reihen der revolutionären Mielke-Avantgarde. Heute ist er Chef der Industrie- und Handelskammer (IHK), Berater der Landesregierung von Sachsen-Anhalt und als Ostexperte für die Bundesregierung tätig.

Ein Weg, der so noch vor zwei Jahren nicht denkbar gewesen wäre - selbst kleine Stasi-Lichter, die damals aufflogen, flogen sofort raus, wo immer sie drin waren, und seien es nur Jobs als Straßenbahnfahrer oder Müllkutscher gewesen.

Vorüber, vorbei diese Zeit der zähneknirschenden Unversöhnlichkeit. Klaus Hieckmann, dessen frühere Tätigkeit als Schildknappe und Schwertschwinger der Partei im Zuge eines Prüfungsverfahrens für die Verleihung des - in grauen Vorzeiten auch an honorige Männer wie Hans Filbinger vergebenen - Bundesverdienstkreuzes aufflog, hat sich gleich zu Anfang seiner Affäre selbst verziehen. Er habe niemandem geschadet, sagte der ehemalige "IM Stahl", der seine Zwangslage vor dem quasi erzwungenen Engagement für das MfS so schildert: „Es war eine Phase, als ich perspektivisch als Generaldirektor für das Kombinat Getriebe und Kupplungen vorgesehen war. Hätte ich mich geweigert, hätte man mir vielleicht einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich hatte keine Alternative.“


Wer nachvollziehen kann, wie verführerisch die Karriereperspektive ist, Generaldirektor für das Kombinat Getriebe und Kupplungen zu werden, wird das selbstverständlich nachvollziehen können. So stimmten Politiker und Wirtschaftskollegen denn auch kirchenchorgleich ein und fanden, Hieckmanns eventuelle Verfehlungen im vergangenen Früher könnten gut aufgerechnet werden gegen seine unzweifelhaften Verdienste im realen Jetzt. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer, der von Hieckmanns frühen Ausflügen in die Welt der Geheimdienste seit Jahren wusste, versicherte quasi abschließend, seine Regierung werde weiter mit dem Chef der IHK zusammenarbeiten, auch wenn der Hieckmann heiße. Ein Verzeihen durch die Hintertür nur, aber Klaus Hieckmann wird es dem Ministerpräsidenten vermutlich ebenso großherzig vergeben wie sein ehemaliger MfS-Kollege Manfred Hönel den Radfahrern ihre alten Doping-Sünden großzügig nachsieht.

3 Kommentare:

Eisenschwein hat gesagt…

ich habe mich die ganze zeit gefragt, woher hieckmann weiß, dass er niemandem geschadet hat. sollte er die operationen, die sich aus seinen berichten ergaben, selber beobachtet haben? ich mags nicht glauben.

Anonym hat gesagt…

Gut, daß ich wenigstens die Liste aller Hauptamtlichen MfSler noch habe. Vom Journalist Wolfram damals 1990 in Berlin veröffentlicht. Habe sie eingescannt und schau mir mal die Schlüsselpositionen der Parteien und Regierungen, aber auch sonstige Marionetten-Positionen durch.

Ob ich sie mal namentlich erwähne, ich meine die, die heute schon wieder an den Hebeln der MACHT mitfummeln???

Bei Anständigen - würde ich das Verdienstkreuz am Bande, mit Schwarzem Adler, dafür bekommen. Aber, die Gefahr besteht wohl gar nicht...

Eh, Freundschaft, liebe real-existierenden sozialistischen Genossen... (eh, auch national fühlende Sozialisten; PG-Veteranen z.B.?)

Anonym hat gesagt…

Hallo.
Ich mochte mit Ihrer Website www.politplatschquatsch.com Links tauschen