Dienstag, 2. Juni 2009

Geheim: Kupferstiche von Kurras

Geschlagen ziehen wir nach Haus / die Enkel fechtens besser aus“, wussten schon Thomas Müntzers Bauernhaufen. Gerhard Neiber aber, im revolutionären Arbeiterstaat DDR Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit, darf sich freuen, dass das auch 500 Jahre später gilt: Wurde ein persönliche Anweisung des Generalleutnants, die Akten zum Ohnesorg-Schützen Karl-Heinz Kurras (oben im Bild im braunen Jackett links neben Walter Ulbricht) zu vernichten, kurz vor dem Ableben der DDR noch ignoriert, so setzt sie die bundesdeutsche Generalbundesanwaltschaft jetzt mit leichter Verspätung doch noch durch. Der "Focus" meldet, der oberste Fahnder der Republik haben eben Teile der immerhin 42 Jahre alten IM-Akte des Mannes sperren lassen, der wegen seiner SED-Mitgliedschaft und Stasi-Zuarbeit inzwischen im Alleingang für die gesamte deutsche Geschichte seit 1986 verantwortlich gemacht wird.

So soll Kurras die Studentenrevolte provoziert und ausgelöst, die Band Ton Steine Scherben gegründet, die Regierung Brandt installiert, die Regierung Schmidt gestürzt, Helmut Kohl erfunden, den Nato-Doppelbeschluss in Moskau verteidigt, die Abspaltung Jugoslawiens vom Warschauer Pakt vorangetrieben, die Gewerkschaft Solidarnosc in Polen ermutigt und Michael Gorbatschow als Nachfolger von Juri Andropow ins Gespräch gebracht haben. Pate gestanden habe der sich heute dement gebende Pensionär auch beim Bundesligaaufstieg von Hertha BSC, beim wiederholten Europapokalausscheiden des BFC Dynamo, dem Moskauflug von Matthias Rust, dem Afghanistan-Einsatz der Russen und bei einem bis heute nicht aufgeklärten Bombenattentat auf Oskar Lafontaine, das angeblich nie stattgefunden hat, später aber als Messerattentat auf Wolfgang Schäuble Schlagzeilen machte.


Bei dem Material, das damit nicht mehr für die Öffentlichkeit zur Verfügung steht, handelt es sich nach Informationen des "Focus" um Band 17 der Akte Kurras. Die fraglichen Papiere enthielten unter anderem Protokolle des Funkverkehrs zwischen Karl-Heinz Kurras und der Stasi in Klopfzeichensprache. Zur Begründung habe es geheißen, "die laufenden Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft im Fall Kurras würden durch eine Veröffentlichung" der Funkfrequenzen gefährdet, über die die Ostberliner Agentenzentrale ihre Kundschafter im Westen lenkte. Kurras sei womöglich immer noch im Dienst, eine verfrühte Veröffentlichung der Daten aus Band 17 könnten den greisen Superspion aufschrecken und die Strafverfolgung behindern.

Gesperrt bleiben werden auch die Stasiakten zum Fall Thomas Müntzer im Jahre 1525, in dem Graf Ernst II. von Mansfeld und Herzog Georg der Bärtige unter Verdacht stehen, den Priester und Hobbyaufwiegler gefoltert und später vor einer wilden Menge Volkes ermordet zu haben. Nach dem Vorbild von US-Präsident Barack Obama, der die Veröffentlichung von neuen Folterfotos aus Abu Ghraib mit dem Hinweis verweigert hatte, darauf sei nicht viel Neues zu sehen, ließ die Bundesanwaltschaft wissen, das neu aufgetauchte Kupferstiche unter Verschluß bleiben sollen, bis Grünspan darüber gewachsen sei.

3 Kommentare:

berlinpankowblogger hat gesagt…

Ist denn Herr Kurras jemals aus der SED ausgetreten? Oder isser jetzt automatisch Mitglied der Linkspartei?

binladenhüter hat gesagt…

müsste er sein. naja, wenn er beitrag bezahlt hat

Anonym hat gesagt…

Er ist sicher IM (Inoffizielles Mitglied).