Dienstag, 13. Juli 2010

Hitzeschock im Sommerloch

In mehr als tausend Kleinwagen der Marke VW, Fiat, Toyota und Saab fielen am Wochenende die Kühlungen aus, melden die Straßenverkehrsämter - doch Erlebnisse von Autofahrern zeigen: Das Hitzechaos war und ist weit größer. PPQ-Leser berichten vom Klimakollaps auf der Straße, von Übelkeit in Autos, schwitzenden Fahrern, Überfüllung auf Raststättentoiletten und überforderten Kassiererinnen.

Nun hat das Sommerthema Straßen-Hitze auch die Politik erfasst, wie das Saunamagazin "Spiegel" analysiert. Die Welt ist aus den Fugen, der Untergang nahe, das Bundesverkehrsministerium drängt auf Konsequenzen aus den Hitzeproblemen bei Alt-Kleinwagen, die ohne Klimaanlage auskommen müssen. Die Hersteller müssten die Ausstattungsmängel beseitigen, forderte eine Ministeriumssprecherin. Dazu führe man Gespräche mit der Industrie und dem ADAC. Der Aufsichtsrat des VW-Konzerns soll sich damit beschäftigen, hat das Unternehmen versichert.

Eine Lösung für die Zukunft? Schön und gut, aber Autofahrer müssen sich auch in den kommenden Tagen auf unangenehm heiße Fahrten gefasst machen - nicht nur in alten Volkswagen, Trabant aus DDR-Herstellung und Suzukis ohne Klimaautomatik, sondern auch in Ford-, Opel- und Volvo-Modellen, die in allen Teilen der Republik ohne Klimaanlage unterwegs sind.

Zur Erinnerung: Einen dramatischen Höhepunkt hatten die Zustände in einem Stau am Samstag zwischen Hannover und Bielefeld erreicht. Eine schwangere Fahrerin versuchte, eine Scheibe einzuschlagen. Mehrere Jugendliche, die zuvor drei Tage auf der Fanmeile in Berlin bei mehr als 50 Grad in der prallen Sonne durchgefeiert hatten, brachen zusammen, am Ende mussten 27 Schüler ärztlich versorgt werden. Die neun Jugendlichen, die einen Hitzeschock erlitten, konnten die Krankenhäuser am Samstagabend und am Sonntag wieder verlassen.

Die Autohersteller entschuldigten sich, boten Entschädigungen und kostenlose Erfrischungen an - und zogen eine erste Bilanz. Am Samstag seien rund 400 Autos deutschlandweit wegen Überhitzung liegengeblieben, etwa 70000 Liter Schweiß hätten von Sitzpolstern und notdürftig verteilten Taschentüchern aufgefangen werden müssen. Die wirkliche Dimension des Problems dürfte nach Berichten von PPQ-Lesern aber erheblich größer sein.

Karola Kasenbrett etwa saß am Samstag in ihrem kleinen Golf, der ein Geschenk ihres großen Bruders war, aber nicht über eine Klimaanlage verfügt. "Unzumutbar", berichtet sie, "Innentemperatur 48 Grad". Durch die hohe Geschwindigkeit, die sie fahren musste, um schnell nach Hause zu kommen, sei es auch nicht möglich gewesen, die Seitenscheibe zu öffnen. An der Raststätte dann der Schock: Der Eisstand überfüllt, die Nassbereiche völlig verdreckt, weil sich Kinder in die Gänge übergeben hätten.

Eine Schulklasse aus Aachen erlebte am Freitag einen Ausfall der Klimaanlage in einem Kleinbus zwischen Berlin und Hannoverals "Höllenfahrt", wie der renommierte "Stern" enthüllte: "Ich habe alle Schüler mit Kopfschmerzen und Übelkeit ans Fenster gesetzt", berichtet der Lehrer Horst Hasenwaldt. Schon auf dem Hinweg nach Berlin sei es in dem vollbesetzten Transporter überhitzt gewesen, nach Ende der Klassenfahrt aber waren die Jugendlichen auch mit ihrer Kraft am Ende. Während viele korpulente ältere Herren und zum Teil herzkranke Damen der Hitze trotzen konnten, kippten die vom Aufenthalt auf der Fanmeile dehydrierten 15-Jährigen zusammen. Auch der Asphalt habe sich zum Teil in der Hitze aufgelöst oder sei wegen Asphaltkrebs bereits nicht mehr vorhanden gewesen.

Ein Fall für die Bundesregierung, die gerade erst die letzten zwölf ernsten Staatskrisen überstanden hat. Einen "Verlust an Menschlichkeit", diagnostiziert die Welt während der größten Naturkatastrophe seit dem inzwischen außer auf Karl Eduards Kanal vergessenen Erdbeben von Haiti. Demonstrativ forderte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, dass Autos "bei minus 40 Grad genauso zuverlässig fahren wie bei plus 40 Grad". Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) kritisierte die Autoersteller, die offenbar früher um die Klimaprobleme gewusst, dennoch aber nicht serienmäßig Klimaanlagen in ihre Autos eingebaut hätten. Die technischen Probleme müssten umgehend abgestellt werden, sagte sie in Berlin.

Unterdessen legte eine Gewitterfront den Verkehr auf einigen Autobahnen zeitweise lahm. Von massiven Störungen wegen Blitzeinschlägen und Bäumen auf der Straße berichtete ein Sprecher. Betroffen seien der Fernverkehr, viele Autos ohne Klimaanlage seien aber unterdessen weiter unterwegs, weil sich die Umgebungsluft doch etwas abgekühlt habe. Der Reiseratgeberverlag "Spiegel" hat derweil eine Überlebensliste für Fernreisende zusammengestellt, wie Die Anmerkung anmerkt.

14 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Das wöchentliche Tracking-Magazin bietet im aktuellen Heft als Beilage noch eine Survival-Hilfe für lange Bahnfahrten an.

Das ich das noch erleben durfte.

nwr hat gesagt…

Da hätten die Klimaforscher im letzten Winter doch nicht so schnell auf die dekadische Eiszeit umschwenken sollen, sondern lieber von einer halbjährlichen Eiszeit sprechen sollen... Denn nun gucken sie wieder doof aus der Wäsche - diese Hitzewelle wäre doch ihr bester Beleg für die Erderwärmung!

bpb hat gesagt…

Ein Hoch auf die Entwickler und Erbauer unserer ICE-Züge. Bei weniger als 5 Grad bleiben sie wegen "Fluschnee" stehen, bei mehr als 25 müssen sie wegen ausfallender Klimaanlagen anhalten. Das gabs bei der Deutschen Reichsbahn nicht. Da konnte man meistens die Fenster öffnen und im Winter sind sie erst gar nicht losgefahren.

ppq hat gesagt…

ich verstehe euch nicht. der ramsauer hat klar vorgegeben, dass die züge bei plus 40 genauso fahren müssen wie bei - 40. das tun sie doch? und das sogar schon bei -5 und bei + 35!!!

nwr hat gesagt…

Die sollten mal lieber Soft-ICE-Züge bauen. Bei der letzten Fahrt war es in so einem Ice-Waggon derart eisig runtergekühlt, daß ich mir einen Schnupfen geholt habe.

Stimme aus dem Kissen hat gesagt…

Um Himmels Willen, wer bitteschön fährt den ZUG???

Züge, das sind doch diese Verkehrsmittel, traditionell vollgestopft mit miesepetrigen Menschen, die einem 8 und mehr Stunden lang erzählen, wie schlimm das Zugfahren ist.

Vollgestopft mit dem Typus "grüne Studienrätin", die sich dann auch noch aufregen, wenn man ihr Blag kopfüber in die Toilette gehalten hat, weil selbiges nicht aufhören wollte, Mitreisende gegen die Schienbeine zu treten.

Und die am Wochenende ins schweineteure exotische Dampfbad gehen, aber dann bei 50 Grad nicht auf die Idee kommen, einfach mal was zu trinken. Weil man ja sonst nicht mehr über die Bahn jammern könnte und erzählen könnte, wie schlimm das alles ist und dass man gleich tot umfällt.

Zugfahren ist total geil. Natürlich nur ohne die ganzen Passagiere drin. Die müssen vorher weggehen.

nwr hat gesagt…

Wer noch Zug fährt? Hauptsächlich Geschäftsleute.

Ja, so ist das: Früher hat man sich immer über den Durchzug aufgeregt, der bei geöffneten Fenstern im D-Zug zur Nackenstarre führte, jetzt ist es die icekälte im ICE, die Schnupfen verursacht.

Nur Fliegen ist schöner. Da gibt es wenigstens Kotztüten.

Stimme aus dem Kissen hat gesagt…

@ nwr

Fliegen ist eindeutig schöner. Nicht zuletzt deshalb, weil die Klientel, die einem beim Bahnfahren vornehmlich auf die Nerven geht, beim Fliegen entweder über der Kotztüte hängt, oder aber vor Flugangst sich panisch in die Lehnen krallt oder aber gar nicht erst mitfliegt.

Das Schlimme am Bahnfahren ist, dass es sich dabei um eine vollständig humor- und lebensunfreudige Szene handelt, die ständig meint, irgendwie zu kurz zu kommen oder andere Leute mit ihrem Öko-Terror behelligt. Natürlich meist sekundiert von irgendwelchen miserabel erzogenen Gören, sowas geht ja irgendwie meist Hand in Hand. So eine Art Lehrerzimmer auf Rädern.

nwr hat gesagt…

@Stimme aus dem Kissen
Hmmm, die Schilderung klingt nach Wochenendticket in der Regionalbahn, aber nicht nach 1. Klasse im EIS-Waggon. Das ist durchaus bequemer als die enge Hockerei in den Inlandsfliegern.

Mittlerweile ist Fliegen billiger als Zugfahren, zumindestens Zugfahren im EIS-Waggon. Dauert aber länger, wenn man flott zwischen "City und City jetten" muß.

Alles sch...., am besten Zuhause bleiben.

Stimme aus dem Kissen hat gesagt…

NWR

Neenee, ich rede hier vom Durchschnitts-ICE.

In der Regionalbahn ist es entweder lustig oder gefährlich - in der Mitte gibts nix.

Der Typus "Grüne Studienrätin" mit verzogenem Geblag würde einen Regionalzug ja auch nicht mal betreten (denn Kurzstrecken fährt man ja mit dem Hybrid-Drittwagen), denn da fährt ja nur Proletenvolk mit.

Nein, der Typus "Grüne Studienrätin" fährt natürlich Langstrecken-ICE. Wegen dem CO2 und so. Und um unterwegs "ein gutes Buch" lesen zu können. Und weil man die Raser auf der Autobahn nicht ausstehen kann, die das Klima versauen und womöglich besser Autofahren können. Und weil man im ICE unterwegs mehr Leute volltexten kann mit irgendwelchen kruden esoterisch angeleimten Ge- und Verboten.

ICE-Fahren ist der blanke Horror. Aber nicht wegen der Bahn. Es gibt nur selten Lichtblicke: einmal hat ein Mann zu so einer Tussi gesagt, deren Kind stundelang den ganzen Wagen terrorisiert hat und dabei nicht vor Tritten und Prügel zurückschreckte: "Jetzt kleben Sie ihm doch endlich mal eine". Ihr hättet mal das Gesicht der Tussi sehen sollen - ein Blick für die Götter.

ppq hat gesagt…

ihr solltet zusammen ein buch schreiben. eure erfahrungen sind mindestens 10.000 verkaufte exemplare wert. "das große bahnfahrerbuch" oder so. ich würde es kaufen.

Stimme aus dem Kissen hat gesagt…

@ ppq

Du kannst mir ja viel erzählen, aber nicht, dass Du Dir ein Buch mit dem Titel "Das große Bahnfahrerbuch" kaufen würdest.


Ich komme aber erst dazu, wenn ich mein Buch "Die schönsten Bahnstrecken zwischen Bad Sooden-Allendorf und Zella-Mehlis" und meinen Krimi "16 Uhr 50 ab Castrop-Rauxel" in dem eine grüne Studienrätin während einer Bahnreise erwürgt und verhackstückt wird, abgeschlossen habe. Danke aber erst mal für den Tipp.

ppq hat gesagt…

täusch dich da nicht. meine letzte bahnreise hatte ich in dem jahr, als christoundjeanclaude (ein wort!, imemr!) den reichstag verhüllten. der zug hin war soooooooooo voll, der zurück aber erstaunlicherweise sogar noch voller. ich schwor der fortbewegungsart abrupt ab, irgendwo zwischen jüterbog und wittenberg.

aber danach hatte ich, woher auch immer und wozu habe ich vergessen, sogar mal "das große reichsbahnbuch".

mehr aber würde mich in der tat der krimi interessieren. klingt todesspannend. ehrlich gesagt lese ich aber eigentlich sowieso jeden dreck, immer schön abgemischt mit was hübschem. da wäre für euer großes bahnfahrerbuch auch noch platz. und wenn ihr es "das große bahnfahrerwutbuch" nennt und alles reinschreibt, was in den letzten paar tagen in der zeitung stand, verkauft ihr davon wie der italiener dieser tage eiskullern.

das kapitel "zu christo(undjeanclaude) mit dem ice" würde ich beisteuern, versprochen

Stimme aus dem Kissen hat gesagt…

@ ppq

meine letzte bahnreise hatte ich in dem jahr, als christoundjeanclaude (ein wort!, imemr!) den reichstag verhüllten.

Mensch, das ist aber auch erst gerade mal ein gefühles Jahr her. Aus dem Gesagten schließe ich, dass Dein Problem auch weniger die Bahn selbst als die vielen Mitreisenden waren. Siehste, siehste, siehste. Sag ich doch.

aber danach hatte ich, woher auch immer und wozu habe ich vergessen, sogar mal "das große reichsbahnbuch".

Verständlich. Schließlich waren das noch richtige Züge, bei denen man die Fenster öffnen konnte.

mehr aber würde mich in der tat der krimi interessieren. klingt todesspannend. ehrlich gesagt lese ich aber eigentlich sowieso jeden dreck

Na schönen Dank auch. Ich hätte da übrigens in meinem selbst geschriebenen Fundus noch "Das große Buch der Zimmerpflanzen" und "Heimwerken leicht gemacht". Falls Dir mal der Lesestoff ausgehen sollte.

Bahnhasserbücher gibt es übrigens bestimmt schon wie Sand am Meer. Ich hasse ja auch nicht die Bahn. Wer schon mal in Großbritannien mit der Bahn unterwegs war, wird für immer schweigen, was die Fehler und Macken der Deutschen Bahn angeht. Denn in GB weiß man prinzipiell nie, ob man am selben Tag noch ankommt. Und wenn ja: wo.

Nein. Mein Problem sind diese Bahnjunkies, die nicht genug davon kriegen können, aber dann acht Stunden lang im Stück maulen, weil dies oder jenes nicht gut genug ist.

Die sich so benehmen wie jemand, der sich trotz Staumeldung am ersten Ferienwoche von Nordrhein-Westfalen auf die Autobahn München-Salzburg begibt (40 km Stau), das alles in der Mittagshitze mit drei Kleinkindern und ohne was zu trinken dabei. Und die hinterher dann böse Briefe und Entschädigungsforderungen und Schmerzensgeld bei VW oder Toyota einfordern, weil es im Auto zu heiß gewesen sei. Also Leute, die für ihr doofes Verhalten immer noch Entschädigung von anderen einfordern.