Freitag, 29. Juni 2012

Günters EM-Blog: Deutschlands Schande

Höchst erfolgreich, dabei aber immer unterhaltsam und sportlich zugespitzt, so schreibt der ehemalige Nobelpreisträger Günter Grass seit seinen späten Hits "Was noch zu sagen wäre" und "Mit letzter Luft" hier bei PPQ seinen poetischen EM-Blog.

Im weißen Hemd mit Bundesadler hat Grass auch beim Spiel gegen Italien am ZDF-Fussballstrand in Heringsdorf im Regen gesessen (Bild oben) und live mit der deutschen Mannschaft gedichtert. Grass mahnt wie immer, khedirt, hummelt und neuert. Trauern ist erste Bürgerpflicht, weil Löw danebenlag wie schon bei seinem schwäche signaliserender Umstellung gegen Griechenland. Schweinsteigers Burnout, und dann noch kein Glück. Dann noch Kroos von Anfang an - das Ende ist nahe - optimal ist anders, wie jeder weiß, der wie Grass die Geschichte kennt.


Der Niederlage nah, weil dem Spiel nicht gerecht, bist fern Du dem Land, das die Euphorie Dir einblies.

Was mit der Volksseele gesucht, gefunden Dir galt, wird abgetan nun, unter Schrottwert taxiert.

Nur ein 1:2 gegen Spanien ist es, das offenlegt wo der Fehler liegt

500 Seiten dicke Kladden mit Analysen, die nichts gebracht haben
außer einen Sieg gegen Griechenland

Ein Gegner gegen den noch der FC Augsburg
siegen würde wenn er spielen dürfte

Als Verlierer nun nackt an den Pranger gestellt, leidet ein Land, dem Dank zu schulden Dir Redensart war.

Zum 1:2 verurteiltes Land, dessen Reichtum gepflegt Fernsehsender schmückt: von Dir gehütete Beute.

Brutal naive Fehler und niemand singt die Hymne
die die Italiener brüllen

Wer nicht den Euro hat, kommt nicht ins Halbfinale, wer nicht unter dem Rettungsschirm lebt, kann nicht Meister werden

Die mit der Konter Gewalt das Land heimgesucht, trugen zum schneeweißen Hemd Schweißflecken unter dem Arm.

Kaum noch geduldeter Spender, dessen Geld die Rettungspakete nährt

Erfolgloses Land, bei jedem Turnier, wo Hoffnung bleib immer das letzte Gefühl

Rennen dem Titel hinterher seit so langer Zeit
frustrierend seit Franz und wieder nichts

Dir trotzend trägt Ballotelli Schwarz am Arm und landesweit kleidet Trauer das Volk, dessen Gast Du gewesen.

Außer Landes jedoch hat dem Krösus verwandtes Gefolge alles, was gülden glänzt gehortet in Deinen Tresoren.

Rettungspaket auf unsere Kosten, Pfostenschuß als hätten wir es gewußt
Viererkette ohne Pommesfrisur

Lauf endlich, lauf! schreien der Fans Hooligans, doch zornig gibt Goethe Dir den Becher randvoll zurück.

Unser Plan funktioniert nicht, die dauernden Umstellungen
never change a winning team, Löw weiß es besser

Es riecht nach Benzin, zu nett zum gewinnen
wir brauchen Spieler die 19 und mit der Erfahrung

Von 100 Länderspielen mit Leidenschaftwir können nicht anders im Rettungspackt

Verfluchen im Chor, was eigen Dir ist, werden die Götter, deren Olymp zu enteignen Dein Wille verlangt.

Der Hades-Plan sah das nie vor, mehr Europa muss kommen, ein Einheitsteam

Die Mannschaft muss noch reifen, zirka 100 Jahre
Brasilien als Ziel ein Sturmlauf der Masse

Nie mehr schlagbar, wenn wir alle zusammen spielen
Ballotelli statt Gomez, Xavi statt Schweinsteiger

Europa ein Team ein Kasse ein Lied
ein Währung ein Weg der kein leichter ist

Deutschland das neue Holland
Strategie das Team ist der Löw der alles richtig macht

Vorher Sieger, dann gleich zum Flieger
wir treten wieder an mit neuen Spielern noch jünger noch flinker


Gereift verkümmern wirst Du ohne den Sieg, den ersehnt du hast, Europa, seit 96.

8 Kommentare:

eulenfurz hat gesagt…

Ach, ist der Spuk schon wieder vorbei? Das ging ja diesmal recht lautlos, ohne Trömpöterööterei, ab.

Lieber ein Ende ohne Schrecken, als eine Schrecken ohne Ende. Herzlichen Dank, Italien!

Anonym hat gesagt…

Die deutschen Champions sind ihren Ruf gerecht geworden.
Allen voran der Fliegenfänger.

Seis drum.
In zwei Jahren garantiert das seit 2006 bewährte Konzept. 6 bis 8 Bayernspieler, die so tun, als hätten sie noch nie miteinander gespielt.

ppq hat gesagt…

das konzept ist doch aber, immer zu sagen: jetzt klappts. und dann: aber beim nächsten mal.

inzwischen seit 16 jahren gute deutsche tradition

Gustaf Fröhlich hat gesagt…

Und das tragische an der Sache ist: der Engländer hatte genügend zeitlichen Vorsprung, an jedem Urlaubsort der Welt die besten Plätze mit seinem Handtuch zu verunzieren. Auch in dieser Disziplin werden die Deutschen ewiger Zweiter bleiben..

Anonym hat gesagt…

das ist der perfekte protest gegen das menschenverachtende regime in der ukraine.
danke jogi, dass ihr aus protest dem endspiel fern bleibt!

Anonym hat gesagt…

Ein stolzes Volk ist seines Ruhms beraubt.Genauer:
Das ganze Volk verbirgt sein Haupt in tiefer Trauer.
Nie wurde es von solchem Schicksalsschlag getroffen -
es weint, es klagt, und niemand mag mehr hoffen.
Nichts nützt es, dass es einst der Großen viel geboren:
Es hat im letzten Fußball- Länderspiel verloren!
(Rudi Strahl, 1971)

ppq hat gesagt…

rudi ist unerreicht. ein idol

Anonym hat gesagt…

Lieber Günter: Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien !

1:2 gegen ?