Freitag, 14. Februar 2014

Staatsaffäre: Was wusste die Kanzlerin?

Der Chefaufklärer des größten Nazi-Mordfalles der Geschichte der jungen deutschen Demokratie sammelt privat Bilder und Filmchen von nackten Jungen. Er bezahlt den keineswegs strafbaren Schund mit seiner Kreditkarte – ausländische Mächte benötigen nicht einmal die Werkzeuge von NSA und Co., um einen deutschen Spitzenpolitiker mit einem Karrierefahrplan, der günstigstenfalls bis in ein Ministeramt führen wird, in der Hand zu haben. Die Staatsanwaltschaft bekommt einen Tipp aus dem Ausland – der Chefaufklärer habe nichts Strafbares getan. Sie nimmt, so geht das hierzulande, Vorermittlungen auf, weil es, so sagt sie später, keinen Anfangsverdacht gab.

Dann die Durchsuchung, deren veröffentlichte Ergebnisse nach Schmierenkomödie klingen. "Das stinkt zum Himmel, er hat sich generalstabsmäßig auf die Durchsuchungen vorbereitet", zitiert die Bild einen Ermeittler. Edathy habe es geschafft, bis auf einen intakten Computer "alle anderen Rechner" zu "entfernen". Nicht geschafft hat er es, "Reste zerstörter Festplatten" (Bild) in einen Papierkorb außerhalb seines Grundstückes zu werfen.

Klingt logisch und nachvollziehbar und passt so genau zum übrigen Geschehen, wie es von hieraus weitergeht. Ein surrealer Film ohne Tonspur: Der Innenminister bekommt, unter Verletzung aller gesetzlichen Vorgaben, von seinen Staatssekretär mitgeteilt, dass da etwas gegen den Chefaufklärer im Busch ist. Etwas, das nicht strafbar ist. Sowas teilen sich die Herren da oben dauernd mit. Der Innenminister tratscht die Nachricht deshalb sofort weiter – er informiert über den SPD-Parteichef umgehend die komplette Parteispitze des künftigen Koalitionspartners. Wohl um zu verhindern, dass die den Sammler legaler Kinderbild in ein Regierungsamt beruft und damit die Kanzlerin seiner Partei, die diese Regierung führen wird, in Schwierigkeiten bringt, wenn die Sache auffliegt.

Als es soweit ist, leugnen alle wie ein Mann, irgendetwas zu wissen. Nur „Die Harke“ wars, das Heimatblatt, ist das empörend, eine Verletzung der Privatspähe, unglaublich. Es schüttelt einen, wenn man Politiker ist. 24 Stunden später geben sie dann allerdings zu: Alle haben alles vorher gewusst, vom Vizekanzler bis zum letzten Vorstandsbeisitzerersatz. Nur die Kanzlerin, die ist von ihrem damaligen Innenminister hintergangen worden, denn sie, das versichert ihr Sprecher, sei nicht damals, sondern jetzt eben erst informiert worden.

Es ist wie in einer Slapstick-Komödie, in der auf jeden groben Scherz noch eine Sahnetorte geworfen wird. Berlin außer Rand und Band, eine Kamarilla aus miteinander über Parteigrenzen hinweg verkumpelten Rechtsverächtern regiert nach der gnadenlosen Moral des Machterhaltes. Es ist wie damals bei Wulff: Für die da draußen gilt das Gesetz, für uns hier drin, die wir das Land führen müssen, sind die Maßstäbe anders, flexibel, ganz am Nutzeffekt ausgerichtet. So geht das Lied, das sie nun singen müssen.

Ein Marschgesang, der sie in eine Bredouille geführt hat, die keinen Ausweg kennt: Entlässt Angela Merkel ihren nunmehrigen Landwirtschaftsminister Friedrich, weil er sie hintergangen hat, indem er ihr nichts gesagt hat? Oder würde Friedrich dann gestehen, dass er ihr ja doch alles erzählt hat – und erst danach und auf ihre Anweisung die SPD informierte? Hält Merkel also nur an Friedrich fest, damit er das nicht tut? Wäre Friedrichs Entlassung ein Beweis für Merkels Unwissen? Ist ihr Festhalten an ihm ein Beleg für das Gegenteil? Oder einer dafür, dass die Kanzlerin ihre Truppen nicht im Griff hat, weil die die politische Konkurrenz ins Vertrauen ziehen, wo sie ihr keinen Piep sagen?

Wer glaubt das? Glaubt es überhaupt jemand? Die Konsequenzen sind in jedem Fall alternativlos: Alle haben gelogen oder lügen oder müssen zumindest angestrengt leugnen, dass sie gelogen haben oder immer noch lügen. Eine „Staatsaffäre“ hat PPQ den Fall Edathy genannt, der in atemberaubender Geschwindigkeit ein Fall Friedrich, ein Fall politische Elite und damit ein Fall Merkel geworden ist. Das „Handelsblatt“ schreibt das inzwischen ab, der "Spiegel" raunt von einer "Regierungsaffäre".

Morgen wird auch der Rest der Meute nachziehen. Dann wird der Name Merkel fallen. Sobald die Genehmigung kommt.

Im Moment steht der tapfere Heribert Prantl in der "SZ" vor einem Abgrund angeblicher Fragen - die interessante aber stellt er nicht: Ist es denkbar, dass Friedrich die SPD informierte, ohne zuvor seine Kanzlerin zu befragen?

Die Anmerkung zum Fall

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Davon geht die Welt nicht unter, scheint sie uns manchmal auch grau. Einmal wird sie wieder bunter, einmal wird sie wie der Himmel blau." Und. "Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern, keine Angst, keine Angst Angela...." Und. "Wir werden weiter regieren bis Alles in Scherben fällt, denn heute gehört uns Deutschland - und außerdem sind wir ja demokratisch legitimiert, ätsch!" Und "Bis zur Ho-, Ho-, Hochzeit ist Alles wieder gut..."

Es sind eben durch die bank Volldemokraten, von denen sich diverse Diktatoren, die sich der Putin oder Ahmadineschad (Oder so.) zum Vorbild nehmen sollten. Die sind edel, die sind gut und aufrichtig sowieso. Aber das wissen wir ja schon längst.

Cordt hat gesagt…

Schlimmer: Weshalb haben befreundete Dienste nicht gewarnt?

derherold hat gesagt…

Ich halet es fürnaiv anzunehmne, daß in einem solchen Fall nicht der "kleine Dienstweg" von CDU zu SPD läuft.

Es hätte nmich eher gewundert, wenn Friedrich (oder wer auch immer) nicht die SPD-Granden informiert hätte.

... sonst hätte die sich ja später gerecht und mittemang wären Bilder vom CDUCSU-Abgeordneten Alfons-Xaver Schmidt-Lüdenscheid in der Presse aufgetaucht, wie der in Frauenkleidern auf einem Behindertenparkplatz stehend Steuern hinterzieht während er den Hitlergruß macht.

derherold hat gesagt…

Holla, also noch einmal:

Ich halte es für naiv anzunehmen, daß in einem solchen Fall nicht der "kleine Dienstweg" von CDU zu SPD läuft.

Es hätte mich eher gewundert, wenn Friedrich (oder wer auch immer) nicht die SPD-Granden informiert hätte.

... sonst hätte die sich ja später gerächt und mittemang wären Bilder vom CDUCSU-Abgeordneten Alfons-Xaver Schmidt-Lüdenscheid in der Presse aufgetaucht, wie der in Frauenkleidern auf einem Behindertenparkplatz stehend Steuern hinterzieht, während er den Hitlergruß macht.

ppq hat gesagt…

die frage ist, ob friedrich das tut, ohne vorher seehofen und merkel zu informieren

Die Anmerkung hat gesagt…

Ich schreib mal hier nur das Ende des Tagestickers auf:

Es gibt einen weiteren kriminellen, zumindest fahrlässigen Aspekt an der Geschichte, der mächtig stinkt. Der heißt Qualitätsmedien.

Vor allem die Edelfedern deutscher blätter haben Edathy in den siebenten Himmel geschrieben, für eine Leistung, die man so zusammenfassen kann: Edathy hat mit seiner Vorsitzführung des Untersuchungsausschusses eine wirksame Aufklärung verhindert.

Das wurde von jenen Edelfedern umgedichtet in: Edathy hat sich als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses auch im Ausland große Verdieneste blablabla.

Nun fragen wir uns im Lichte aktueller Erkenntnisse, wieso nicht eines dieser Wurstblätter ab nach den Wahlen nachgehakt hat, warum der Edathy auf einmal nicht mehr stattfindet?

So viel, zum Wert eines Zeitungsabos. Kann man sich sparen.

Anonym hat gesagt…

@Die-Anmerkung:

Gelesen und für gut befunden! Die ganze Sache hat haut gout (wo ist das Franzosendach, wenn man es braucht über dem "u"). Mir scheint bei der ganzen Sache ist noch Großes zu erwarten. Eine Nacht der "langen" Me*ser? NSU, NSA-Friedrich, Genmais und der Energiewende-Siggi? Die RFOPs wissen mal wieder besser Bescheid: alles nur Ablenkung vom atomgefährlichen Genmais. Ich frage mich nur, wie man noch Snowden in die Sache packen könnte? Die Bundesregierungsjugendspiele haben begonnen.