Montag, 12. Juni 2017

Frankreich und Großbritannien: Von Wahlgewinnern und Wahlverlierern

Bildanalyse bei "Bild": Was Macron richtig macht - und May falsch.
Es war die Art Desaster, um das Martin Schulz die sozialdemokratischen Götter seit Monaten jeden Abend vor dem Schlafengehen inständig bittet: 42,4 Prozent für die Partei von Theresa May, plus 5,5 Prozent zur letzten Abstimmung zum Unterhaus, als die Tories noch von David Cameron geführt wurden. Cameron war damals ein "Wahlsieger" (FAZ). Mays Ergebnis dagegen ist nun ein "Desaster" (FAZ). Der Rest der Truppe spielte dieselbe Melodie: "große Verliererin" (Spiegel), „verheerendes Ergebnis“ (Süddeutsche) und „May-Debakel“ (Tagesspiegel). Eine parallele Meinungswelt, die sich um Zahlen und Fakten nicht schert.

Mit einer tiefen Dialektik, die nur ein deutscher Medienarbeiter begreifen kann, der nichts von Mehrheits- und Verhältniswahlrecht weiß, seine Ansichten dafür aber im Wochenrhythmus wechselt. Denn kaum hat Theresa May in Großbritannien alles verspielt, nur weil sie - wie seinerzeit Gerhard Schröder - der Ansicht war, dass ihre Brexit-Politik besser eine neue Bestätigung durch die Wähler erhalten sollte.

Doch noch schwieriger macht es die Wahl in Frankreich, bei der der neue starke Mann im Elisé-Palast "mehr als 32 Prozent" für seine Partei République en Marche holte. Was ihn aus deutscher Sicht zum "klaren Sieger" (Spiegel) der ersten Runde der Parlamentswahl macht.

Ein Sieger allerdings, der nicht nur vier Prozent weniger Stimmen bekommen hat als David Cameron vor zwei Jahren, sondern sogar zehn Prozent weniger als May vor einer Woche. May verlor ihre absolute Mehrheit im Parlament nicht wegen eigener, sondern wegen der Stimmenverluste der Ukip, deren Mission mit der Volksabstimmung über den Brexit quasi erfüllt war, obwohl ihr Ergebnis besser war als das, das Angela Merkel 2013 bei ihrem "Triumph" (FAZ) bei der Bundestagswahl eingefahren hatte. Macron wird sie kommende Woche in der zweiten Runde gewinnen, weil Frankreichs Sozialdemokratie nunmehr auch faktisch nicht mehr existiert. Bei etwa zehn Prozent liegt die Partnerpartei von Schulzens SPD noch. Es handelt sich dabei um dieselbe Partei, die vor fünf Jahren noch die Präsidentschaftswahl gewonnen und mit François Hollande den Präsidenten gestellt hatte.

Wie erfolgreich aber ist dessen Nachfolger wirklich? Der Mann, der aus dem Apparat kam, binnen eines Jahres eine völlig neue politische Bewegung aufbaute und Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl schlug?

Der Blick auf die Wahlbeteiligung verrät es: Die britische Wahlverliererin Theresa May holte bei ihrer Niederlage mehr als 13 Millionen Stimmen, denn die Wahlbeteiligung in Großbritannien lag bei 68,7 Prozent und damit über dem Wert der Cameron-Wahl (66,1 %). Emmanuel Macron hingegen, der altgediente Neuling, der als strahlender Wahlsieger durch die deutschen Leitmedien tourt, konnte nur knapp über 48 Prozent der Franzosen an die Urnen locken. Insgesamt wählten ihn damit kaum 7,5 Millionen Franzosen. Und nach der Logik der letzten Türkei-Wahl damit nur eine verschwindend kleine Minderheit.

Oder wie man in Hamburg schreibt: Ein Triump.

3 Kommentare:

derherold hat gesagt…

Nun neigte die (liberale, konservative) Parteienpolitik Frankreichs durchaus zu Neugründungen aber faszinierend ist, wie die PS nunmehr Democrazia Cristiana spielt.

Die Anmerkung hat gesagt…

"Zur Not muss Angela Merkel ein Machtwort sprechen"
Von Claudia Kade

https://www.welt.de/politik/deutschland/article165437825/Claudia-Kade-hat-etwas-zu-viel-von-der-Redaktionsbowle-genascht.html

Anonym hat gesagt…

Gesundheit - An deutschem Wesen soll wohl wieder mal die Welt genesen.