Donnerstag, 11. Januar 2018

Meinungsfreiheit geht auch ohne Netz

Er soll an allem schuld sein, ist es aber nicht: Justizminister Heiko Maas will nur das Beste für alle Menschen.

Die Kritik an Heiko Maas' Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist völlig überzogen. Nur weil ein bisschen Blödsinn  gelöscht wird, heißt das noch lange nicht, dass das Abendland am Ende ist. Statt zu jammern sollten die vermeintlich Zensierten einfach mal die Klappe halten und warten, bis sich die Kinderkrankheiten ausgewachsen haben. Falls nicht, kann man dann immer noch meckern.

Ein weiterer Kommentar zu einem Gesetz, das jetzt schon viel erreicht hat: Endlich wird über die notwendigen Grenzen der Meinungsfreiheit in einer gnadenlos entgrenzten Gesellschaft geredet.


Dank sozialer Netzwerke ist Häme salonfähig geworden. Dank Facebook gibt es Hass, dank Twitter wird gehetzt. Google steht stellvertretend als Begriff für Zweifel, das ganze Internet ist ein Hort von Verfolgung, Mobbing und Menschenfeindlichkeit. Zuletzt stiegen die Zahlen um 176 Prozent, das war nach Berechnungen des Justizministerium dreimal mehr als vorher. Vieles davon war strafbar, was es nicht war, zumindest rechtswidrig oder grob geschmacklos.

Die "Merkel muss weg"-Brüller stoppen


Keine Gesellschaft, die sich freiheitlich und demokratisch nennt, muss es sich bieten lassen, dass Mitbürger andere Mitbürger "Idiot" nennen, ganze Menschengruppen als "Pack" abqualifizieren oder die immer noch sehr beliebte Kanzlerin mit einem vertierten "Merkel muss weg" aus dem Amt putschen wollen.

Deshalb was das jetzt vor allem von Rechten, Rechtspopulisten, Rechtsextremen, Rechtsradikalen und Rechtsextremisten so harsch kritisierte Anti-Hass-Gesetz NetzDG so dringend nötig, um das Internet nicht zu dem rechtsfreien Raum werden zu lassen, als der es jahrelang gegolten hatte. Gut, dass der Mitteilungsdienst Twitter gleich zum Start ein klares Zeichen setzte und auch Heiko Maas selbst Einhalt gebot: Dessen Tweet, in dem er den AfD-Vordenker und SPD-Parteikollegen Thilo Sarrazin als „Idiot“ bezeichnete, wurde gelöscht, Maas selbst wusste anschließend nicht einmal, wer es gewesen sein könnte.

Gut so! Das setzt Grenzen, denn wenn solche Signale online kursieren, wirkt das alte Mao-Rezept: "Strafe einen, erziehe hundert!" Schon jetzt wird jeder, der irgendwo vor einer Tastaur sitzt, gründlich nachdenken, ehe er seinen Hass oder irgendwelche minderwertigen Kommentare in die Tastatur klappert. Und das große Reiningungsprogramm mit dem komplizierten Namen Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist noch jung. Es hat noch nicht die Wirksamkeit, die viele erhofft hatten: So finden sich bei Twitter immer noch ganz miese Satire-Tweets, staatliche Sender verbreiten Fotos von farbigen Jungen, die in "Affen"-T-Shirts gekleidet sind und auch die AfD darf offenbar noch immer unkontrolliert eigene Internetseiten betreiben, die erkennbar nicht unter die Kunst- und Meinungsfreiheit fallen.

Es geht um Unrecht und nicht jedermanns Blabla


Da muss noch etwas passieren, das ist klar. Schuld ist nie die gesellschaftliche Situation, schuld ist Twitter. Schuld ist nie die Unzufriedenheit von Menschen, die sich ein Ventil sucht. Schuld ist Facebook. Sie mussten verpflichtet werden, nicht nur strafbare, sondern auch rechtswidrige Inhalte zu löschen – insbesondere jene, die gegen die freiheitliche Ordnung hetzen, die Meinungsfreiheit infragestellen und das tun, indem sie haarscharf an Strafgesetzen vorbeisegeln. Gut, dass sie dafür nun ein teures Melde- und Löschmanagement vorhalten müssen. Das schafft Arbeitsplätze in EU-Partnerländern, wo Nachwuchsjuristen am lebenden Objekt lernen können, wie man Satire zensiert und den Machern von fiesen politischen Witzen begreiflich macht, dass eben nicht jeder behaupten kann, er sei Charlie und dürfe das.

Keiferei gehört unterbunden, wer überzieht, muss gesperrt werden. Bei dem neuen Gesetz geht es um Recht und Unrecht, um Meinungsfreiheit, die nur wirksam geschützt werden kann, wenn nicht jeder bedenkenlos und ungeprüft zu allem sein Babla abgeben kann. Klar, es gibt immer die Gefahr, dass Grenzen zu eng gezogen werden. Aber wenn die Netzwerke übers Ziel hinausschießen und löschen, was des Löschens nicht wertgewesen wäre, dann ist dies in erster Linie ihr Problem. Weniger Inhalte, weniger Besucher! Das rüttelt sich über die Jahre schon wieder zurecht, dann aber sauberer, ohne Gepöbel, aufputschende Kommentare und missbrauchtes Rederecht.

Darauf ein Auge zu haben, langfristig, ist Aufgabe der Politik. Sie muss zu gegebener Zeit bei der Gesetzgebung nachregulieren, die Stellschräubchen fester ziehen und sehen, dass die richtigen Inhalte nicht unter den notwendigen Maasnahmen leiden..

Vorerst aber ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ein Riesenschritt in eine bessere Online-Zukunft, mutig, weil gewagt, statt sich mit kleineren Tippelschritten vorzutasten. Beispielgebend für die ganze Welt, die heute schon aufmerksam nach Deutschland schaut und wissen will, wie unser Land mit dem größten Problem der Gegenwart zurandekommt.

Nötig und überfällig wäre es nun noch, die amerikanischen Netzgiganten zu besserer Kooperation mit der Justiz zu verpflichten: Warum soll nur gelöscht werden, ohne Namen und Daten der Urheber von rechtswidrigen Einträgen gleich an die zuständige Staatsanwaltschaft weiterzugeben? Facebook könnte das über eine Schnittstelle automatisiert erledigen. Welche Wirkung allein dadurch eingetreten würde, das wäre doch spannend zu sehen! Deutschland könnte mit einem solchen zweiten NetzDG zum ganz großen Wurf ausholen und zum europäischen, ja, zum Vorbild auch für Länder wie China, Vietnam, Pakistan und Russland werden.

Meinungsfreiheit heißt nicht, jede Meinung sagen zu müssen


Die Meinungsfreiheit selbst, das wissen auch die, die jetzt laut gegen das NetzDG Stimmung machen, bleibt in ihrem Kern ohnehin erhalten. denn die Meinungsfreiheit in Deutschland ist in einem gutem Zustand: Jeder kann jederzeit denken, was er wie, so oft er will und wo er will. Sogar Satire bleibt möglich: Das Satiremagazin „Titanic“ kann auch ohne Twitter Witze machen; in Heftform und auf der Webseite. Wer sich politisch äußern will, ist nicht zwingend auf Facebook angewiesen, er kann in die Eckkneipe gehen oder seine Gedanken mit seiner Frau oder Freunden teilen. Die wollen das gar nicht wissen? Ach, herrjeh! Meinungsfreiheit war noch nie die Freiheit, immer und überall gehört zu werden.

Nach deutschem Vorbild: Trump verschärft den Meinungsschutz

3 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

>> Das Satiremagazin „Titanic“ kann auch ohne Twitter Witze machen ...

Der Witz ist gut.

Anonym hat gesagt…

Na gut, drücken wir es anders aus, ohne death wishes: Die titanic ist ein albernes Zotenblättchen, und der Eulenspiegel so lustig, wie er in den späten Sechzigern war. Geht das?

Anonym hat gesagt…

Bischen sieht das Maasmännlein aus, wie Heinrich Erdbeer (1891 - 1938), und mit dem hat es bekanntlich kein gutes Ende genommen. Schwedisch, sprechen wie schreiben: Júdgúbbe.