Dienstag, 12. Juni 2018

Wegen der Rechten: Ali Bashar, Mann ohne Rechte

Es ging in diesem Fall um nichts weniger als die Kanzlerschaft der Angela Merkel. Über das schicksalhafte Wochenende nach dem Bekanntwerden der Flucht des mumaßlich 20-jährigen mutmaßlichen Mörders und Vergewaltigers Ali Bashar aus Wiesbaden nach Erbil war das nicht ganz so klar geworden.

Die G7 bestimmten die Schlagzeilen, Merkel ließ sich als Kämpferin gegen den in Deutschland verhassten US-Präsidenten Trump zeigen und die ihr gewogenen Medienarbeiter taten, was sie konnten, um nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, dass der Mordfall Susanna Feldman ein weiteres Mal geradezu dazu herausfordert, ein multiples Versagen der zuständigen Organe des deutschen Staates zu diagnostizieren.

Erst der Rückblick auf eine historisch einmalige Rückholaktion, bei der geflüchtete Flüchtling vom Chef der Bundespolizei persönlich in einer regulären Lufthansa-Maschine aus dem von den Kurden beherrschten Nordirak abgeholt wurde, zeigt, wie brisant die Bundeskanzlerin die Situation einschätzte. Alles musste schnell gehen, vom Tisch geräumt werden, um die Lage zu beruhigen und Kritikern Wind aus den Segeln zu nehmen.

Pfeifen auf die Rechtsgrundlage


Also pfiff die Bundesregierung auf jede Rechtsgrundlage oder ein formelles Auslieferungsersuchen an die Regierung in Bagdad. Informell wurden stattdessen die – seit Jahren mit deutschen Waffen ausgestatteten – Kurden um Hilfe gebeten, die auch eilfertig loszogen und Ali Bashar festnahmen. Die ausführenden Organe bei dieser Aktion sind allerdings trotz der in deutschen Medien üblichen Bezeichnung „Behörde“ alles andere als das – die Zentralregierung in Bagdad sieht die  Kurden, die im vergangenen Jahr in einem weltweit nicht anerkannten Referendum für eine Unabhängigkeit vom Irak stimmten, als illegal an.


Aber sie sind die, die dort die Macht haben, wo sich Ali Bashar versteckte. Mit denen muss man arbeiten, und sei es, dass der Bundespolizeichef am Erbiler Flughafen offiziell keinen Schritt aus der Maschine macht, weil der Gesetzgeber Auslandseinsätze deutscher Polizisten nicht vorsieht. Das alles erinnert eher an die Enrführung Adolf Eichmann aus Argentinien als an ein rechtsstaatliches Verfahren. Deshalb wohl behaupten die zuständigen Ministerium, von der ganzen Aktion nichts gewusst zu haben.

Der mutmaßliche Mörder erlebte nach seiner Festnahme, was das bedeutet: Peschmerga-Polizei vernahm ihn und erlangte sofort ein Geständnis. Ab zum Flugzeug, siebenstündiger Flug nach Deutschland, dort sofort nächste Vernehmung bei der Polizei, Dauer nach Medienangaben sechs Stunden,  nächstes Geständnis. Kurz in „Polizeigewahrsam“ (Tagesspiegel), dann aber auch schon wieder ab zur nächsten Vernehmung, diesmal bei einer Amtsrichterin.

Ein Mann ohne Rechte


Ein Mann ohne Rechte, bei dem die in der Fachliteratur empfohlene Vernehmungsdauer von "maximal drei bis vier Stunden" ebensowenig noch eine Rolle spielt wie der Umstand, dass Vernehmungen in der Nacht nach dem deutschen Polizeirecht „besonders kurz“ gehalten werden sollten.

Hier geht es um Höheres, für die Kanzlerin vielleicht schon wieder einmal um alles, das zeigte schon ihr erneuter Auftritt bei "Anne Will", der Zeit ihrer Kanzlerschaft stets auf besonders ernste und akute Problemlagen deutete. Seehofer sitzt ihr wegen der Landtagswahlen im Nacken, er muss den Fremdenfeinden etwas liefern, Ankerzentren, geschlossene Grenzen, einen Masterplan, irgendwas. Die AfD feiert doch nach jedem Mord ein Umfragefest, selbst die Linke und die SPD suchen mehr oder weniger unverschämt eine Tür nach rechts raus.

Und sogar ihre eigene Partei, Merkel weiß das, wird eines Tages erschrocken aufwachen und sich fragen, wie eine Volkspartei zum zweiten Mal nach der Kohl-Ära mit den schwarzen Kassen von nichts nichts mitbekommen und trotzdem alles mitmachen konnte.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Oi, etwas völlig Neues, daß sich die Regierung unserer geliebten Kanzlerin nicht an geltendes Recht hält. Wer hätte das gedacht? PPQ anscheinend nicht. Andererseits, hätte sie den offiziellen Dienstweg beschritten, ich weiß nicht, ich weiß nicht, aber ich kann mir vorstellen, daß die Kritik eine ebenso harsche gewesen wäre. Immerhin hat sie gezeigt, sie kann, wenn sie will.
Außerdem war es keine Rückholung, sondern eine humanitäre Aktion. Wer weiß schon, was dem armen Lämmchen im Irak für Mord gedroht hätte und unter welch inhumanen Haftbedingungen die Fachkraft für Lebensverkürzung untergebracht wäre? Ich will gar nicht darüber nachdenken. Nein, hier war Eile geboten, um das potentielle Opfer irakischer Justiz heim ins kuschelige Deutschland zu holen, wo die Haftanstalten großzügig eingerichtet sind und die Richter ein Herz für Messerstecher haben. WEnn kein deutsches Blut in ihren Adern fließt.

Anonym hat gesagt…

Danke für die Schilderung der Umstände der Heimholung. Ich bin allerdings doch erstaunt, dass das Handeln und Denken der Regierenden und ihrer kalten, glitschigen Verwaltungsvasallen nach Jahren des wahllosen Zerstörens von Rechtsstaat, Industriestandort, Bundeswehr, Universitäten, europäischer Zivilisation, Zinsmärkten, Altersersparnissen, Familien, Vereinsfesten, Infrastruktur, Lebensfreude ...so langsam einen immer gleichen Stil erkennen lässt. Selbst dann, wenn einmal etwas halbwegs zivilisationsbewahrendes getan wird, wie im Falle der Expost-Habhaftwerdung des Gläubigen Ali, geschieht dies schamlos, gesetzlos, perspektivlos, rotzfrech, doof bis dümmlich.
Mein herzlicher Gruß geht an die Wähler.

Die Anmerkung hat gesagt…

Ist das jetzt generell Rückrufaktion wie bei Diesel von Mercedes?
Oder handelt es sich um einen Einzelfall?

Gernot hat gesagt…

Wir können auf keinen verzichten, deshalb wurde er hergeholt. Dabei gilt bestimmt auch im türkischen Staat bei Mord/Totschlag das Weltrechtsprinzip. Dann hätte er dort für seine Auslandstat verurteilt werden können.
Beim Verbüßen einer langjährigen Haftstrafe ist er jahrelang legal in D aufhältlich; der Verleihung der Staatsbürgerschaft steht nichts mehr im Wege. Oder irre ich mich? Ich meine, es ist doch nicht illegal, in D im Gefängnis zu sitzen.

Am Rande: Bei der Vernehmung kann er theoretisch einschlafen. Es besteht weder Aussage-, noch Wahrheitspflicht.
Im Gegenteil bietet die Vernehmung dem Gesetz nach "rechtliches Gehör", dient also dem Beschuldigten.
Könnte ja sein, mancher wisse das nicht.