Montag, 3. Juni 2019

Abschied von Andrea: Wer hat uns verraten

Als Martin Schulz aufgab, genoß Andrea Nahles still im Hintergrund.

Es war eine schwere Geburt am Ende eines langen, schmalen Geburtskanals, ein blutiger Akt der Separation sozialdemokratischer Führungsfigurten von sozialdemokratischen Inhalten, von liebgewordenen Posten und bestürzender Inhaltsleeree aus der Union, die mit dem Sturz einer SPD-Führung endete, die den Zusammenruch der dienstältesten deutschen Partei mit einem Tempo betrieben hatte, das die desaströse Schulz-Ära wie ein goldenes Zeitalter erscheinen ließ. Bis zum letzten Moment klammerte sich Andrea Nahles an ihren Doppeljob als Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD - die Frau, die von Anbeginn an nicht gewusst hattem, wohin und weswegen überhaupt, wollte weitermachen in der Hoffnung, es eines Tages irgendwie schon wissen zu werden.

Trickreich wie es nur ein altes Politschlachtroß vermag, zog sie ihre letzte Karte, indem sie damit drohte, die Karten ihrer Gegner vorzeitig sehen zu wollen. Und beinahe wäre der Coup gelungen: Vorgänger Martin Schulz, dessen Amtsambitionen Außenstehenden anmuteten wie eine Ankündigung Erich Honeckers im Frühjahr 1990, den glücklosen Egon Krenz beerben zu wollen, zog furchtsam zurück. Der ehrgeizige "Gottkanzler" (Spiegel) hatte geplant, Nahles erst nach den verlorenen Landtagswahlen im Herbst zu stürzen, auf dass seine Nachfolgerin, die ihn um das Amt des Außenministers gebracht hatte, als Sündinböckin scheide und er seine Lieblingsrolle als Retter noch einmal spielen könne. Nahles überraschte ihn und in ihrem ungebrochenen Geltungsdrang hielt sie selbst noch an ihrem Rettungsplan fest, als ihre Genossen ihr über die üblichen verschlungenen Wege signalisierten, dass an einer vorzeitigen Trennung kein Weg vorbeiführen wird.

Wie schmerzhaft die Scheidung für die alleinerziehende Mutter vom Bauernhof in Weiler ist, lassen die Abschiedszeilen vermuten, die Nahles, dritte SPD-Chefin in nur 24 Monaten, der deutschen Sozialdemokratie und der unvorbereiteten Öffentlichkeit übereignet hat, ehe sie, die mit einem vor 20 Jahren erworbenen Magister-Abschluss am Arbeitsmarkt kaum vermittelbare 48-Jährige, sich in die Vulkaneifel zurückzog.

Für PPQ hat Gebärdendolmetscherin Frauke Hahnwech den Abschiedsbrief der Erfinderin des Nahlismus und der "Guten Gesellschaft" (Nahles) analysiert und aus dem Propagandistischen ins Deutsche übersetzt.

Nahles: „Liebe Genossinnen und Genossen, ich habe den Vorsitz von Partei und Fraktion in schwierigen Zeiten übernommen. Wir haben uns gemeinsam entschieden, als Teil der Bundesregierung Verantwortung für unser Land zu tragen. Gleichzeitig arbeiten wir daran, die Partei wieder aufzurichten und die Bürgerinnen und Bürger mit neuen Inhalten zu überzeugen."

Frauke Hahnwech: Nahles betont hier, dass nicht sie die Partei in schwierige Zeiten geführt, sondern andere schon zuvor einen Schaden angerichtet hatten, den sie trotz fleißigster Arbeit in Absprache mit ("wir", "gemeinsam") der Parteiführung nicht so schnell hatte reparieren können. Nahles sieht sich auf einem guten Weg, "die Partei wieder aufzurichten" und mit Bürger ("gemeint: Wähler) mit irgendwelchen "neuen Inhalten" zu überzeugen.

Nahles: "Beides zu schaffen ist eine große Herausforderung für uns alle. Um sie zu meistern, ist volle gegenseitige Unterstützung gefragt."

Frauke Hahnwech: Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten! Nahles bedient sich hier des alten Klischees vom Dolchstoiß: Sie selbst war gerade dabei, die "große Herausforderung" zu meistern. Doch dabei wäre "volle gegenseitige Unterstützung" nötig gewesen. Die es, so die überaus nervöse studierte Germanistin (Kommafehler in der Infinitivgruppe) nicht gab.

Nahles: "Ob ich die nötige Unterstützung habe, wurde in den letzten Wochen wiederholt öffentlich in Zweifel gezogen. Deshalb wollte ich Klarheit. Diese Klarheit habe ich in dieser Woche bekommen."

Frauke Hahnwech: Harscher Vorwurf an die Partei, hinterlistig verpackt: In der "Öffentlichkeit" (Nahles) sei die Loyalität der Partei ihr gegenüber infragegestellt worden, die Partei selbst aber habe sie stets im Unklaren darüber gelassen, inwieweit sie trotz des beschleunigten Abwärtskurses unter ihrer Ägida noch hinter ihr stehe. Nahles ahnte offenbar nichts vom Putsch, der für den Herbst gegen sie vorbereitet wurde, fast erschrocken klingt sie, wo sie von "Klarheit" schreibt, die sie "in dieser Woche" bekommen habe. Ein Frau, alleingelassen von einer Partei aus Brutussen.

Nahles: "Die Diskussion in der Fraktion und die vielen Rückmeldungen aus der Partei haben mir gezeigt, dass der zur Ausübung meiner Ämter notwendige Rückhalt nicht mehr da ist."

Frauke Hahnwech: Selbst Nahles, deren Fähigkeiten als Illusionistin von keiner Seite bestritten werden, konnte an dieser Stelle nicht mehr versuchen, Realitäten durch Selbstsuggestion zu ersetzen. Das Innenbild der jungen, frischen Kraft, die eine alte Partei entschlossen erneuert, fiel in sich zusammen. Nahles sah sich plötzlich für einen Moment selbst: Eine End-Vierzigerin, die seit fast einem Vierteljahrhundert hauptberuflich Politik macht und sich dabei eine Glaubwürdigkeit erarbeitet hat, die jede Relotius-Reportage wie einen Tatsachenroman wirken lässt.


Nahles: "Am kommenden Montag werde ich daher im Parteivorstand meinen Rücktritt als Vorsitzende der SPD und am kommenden Dienstag in der Fraktion meinen Rücktritt als Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion erklären."

Frauke Hahnwech: "Dann macht doch euren Dreck alleine" wäre hier die einzig korrekte Übersetzung aus dem Propagandistischen. "Daher" bedeutet in dem von Nahles gewählten Zusammenhang, dass die Verräter und Messerwetzer den Rücktritt zu verantworten haben werden. Nahles selbst inszeniert sich als Opfer mieser Ränkeschmiede, sie nennt keine Namen, sicher ist aber, dass die scheidende Parteichefin, die einmal geplante hatte, eine Doktorarbeit über "Walter Scotts Einfluss auf die Entwicklung des historischen Romans in Deutschland" zuschreiben, Martin Schulz und seine zumeist männlichen, weißem und alten Verbündeten meint, die die frühere Bundesministerin für Arbeit und Soziales Erneuerung reihenweise rasiert hatte.


Nahles: "Damit möchte ich die Möglichkeit eröffnen, dass in beiden Funktionen in geordneter Weise die Nachfolge geregelt werden kann. Bleibt beieinander und handelt besonnen!"

Frauke Hahnwech: Toxische Verlockungen. Nahles stürzt ihre Partei mit ihrem Rückzug vor den Landtagswahlen im Herbst bewusst in ein taktisches Dilemma: Jeder Nachfolger wird nun als erste Tat mehrere krachende Niederlagen verantworten, in Sachsen könnte die SPD an der Fünfprozentklausel scheitern, in der kleinen DDR Brandenburg droht nach 30 Jahren roter Regierungsverantwortung im schlimmsten Fall der Gang in die Opposition. Als verantwortlich handelnde Spitzenpolitikerin hätte Nahles die Rolle der Vorsitzenden mindestens bis nach den Landtagswahlen spielen und sich dann stürzen lassen müssen. Das hätte ihrem Nachfolger Kevin Kühnert die Möglichkeit gegeben, den üblichen "Neustart", der die SPD seit etwa zehn Jahren regelmäßig verkündet, mit einem frischen Rest Glaubwürdigkeit aufzuladen.

Nahles: "Ich hoffe sehr, dass es Euch gelingt, Vertrauen und gegenseitigen Respekt wieder zu stärken und so Personen zu finden, die ihr aus ganzer Kraft unterstützen könnt. Unser Land braucht eine starke SPD! Meinen Nachfolgerinnen oder Nachfolgern wünsche ich viel Glück und Erfolg."

Frauke Hahnwech: Wichtig ist hier das "wieder", mit dem Nahles noch einmal betont, dass in der SPD unter ihrer Führung Misstrauen herrschte und "gegenseitiger Respekt" kaum noch zu finden war. Dass sie mit der Formulierung von "Personen" im Plural einen Spaltpilz pflanzt und betont, "ihr", nicht sie selbst, müssten diese "Personen" unterstützen, zeigt Nahles noch einmal als gewiefte Machtpolitikerin mit ungebrochenem Größenwahn. Dass sie trotz halbwüchsiger Tochter, Wohnsitz tief im Westen und fehlendem Partner Partei- und Fraktionschefin zugleich sein konnte, ist für Nahles keine Frage. Dass ein anderes Parteimitglied diese beiden Jobs gemeinsam wuppen könnte, hält sie für überhaupt nicht vorstellbar. Der vergiftete Gruß zum Schluss betont das: "Viel Glück" bedeutet hier "viel Hoffnung habe ich nicht". Und "viel Erfolg" meint zweifellos ein höhnisches "Ihr wedet schon sehen".

4 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Sündinböckin

Kennt Google nicht. Ist wohl eher eine Sündenzicke, nehem ich an.

Hase, Du bleibst hier.. hat gesagt…

Eine Laienspielgruppe, tief in der Eifel, nimmt sie sicher auf. Mit "Bätschi", "voll auf die Fresse" und Pipi-Lied im Bundestag, hat Nahles beste Referenzen.

Anonym hat gesagt…

Diese Piefke-Hirnvollwaschbär.Innen-Pawlow-Kläffer-Meute ist noch dämlicher, als es die eh schon vollkastrierte Polizei erlaubt. –

Die Sozi-Bolschewisten wurde nicht etwas dafür abgewatscht, dass sie in ihrem linken Lügen-Parallel-Universum herum delirieren und auf ihren Murksismum herum halluzinieren, nein, nicht klimaaa-katastrophööö-affin genug waren ihre Mantras und Rituale. -

Denn: Ein vom debilen „Mäik IM-Erika (gemeint „Juroop“) GRETA äggän“ besoffenen Bundes-Hirnvollwaschbär.Innen-Tum und von Dressureliten und Diskurshoheiten konditionierten Pawlow Kläffertum ist alles zu „rrrrächtssss“, was nicht tagtäglich in hyperventilatorischem Klimaaa-Katstrophööö-Veitstanz herumtorkelt und all die MuKu-Femi-Öko Rituale zelebriert. –

Und wie einer der Vorposter (vergessen wer) vor kurzem so richtig konstatierte: Ist die Mehrheit des Bundes-Hornviehs von dieser Paranoia infiziert, avanciert der Wahn zur Norm, und jeder Immune und damit „Nichtinfizierte“ mutiert zur Hassfigur, die Wahrheit zu „Häitspietsch“, zum „strafbaren Verbrechen“ das gnadenlos verfolgt und mit drakonischen Strafen geahndet wird.

Godwin hat gesagt…

Mit den Worten von Henryk Broder - letztendlich ist es egal, wer den Leichenwagen steuert, am Ende wartet das bereits offene Grab.