Samstag, 1. Juni 2019

Nannen-Preis: "Spiegel" holt Titel für Relotius-Story

Beim traditionellen "Tanz der Preisträger" durften erstmals auch zugeloste Leserinnen und Leser mitmachen.
Er gilt als der „Oscar“ der Journalistenzunft: Der Henri-Nannen-Preis, der früher Egon-Erwin-Kisch-Preis hieß, dann aber den Ehrennamen des früheren SS-Frontberichterstatters verliehen bekam. In diesem Jahr stand die feierliche Verleihungszeremonie vor 300 geladenen Gästen ganz im Zeichen der Relotius-Story. Der gastgebende Verlag Gruner + Jahr und die durch die Hitlertagebücher bekanntgewordene Illustrierte "Stern" zeichneten journalistische Glanzleistungen der Republik für 2019 aus.

Strahlender Gewinner war dabei die vom Magazin "Spiegel" selbst veröffentlichte mehrbändige Aufklärungsreportage zum Einzelfall Relotius. Ausgezeichnet wurde das Blatt auch für die beste investigative Leistung. Gemeinsam mit der "Süddeutschen Zeitung", dem WDR und einem Rechercheverbund aus DPA, Mindener Tageblatt, Falter (Wien) und dem ARD-Moma heimste der "Spiegel" die Auszeichnung für eine Klickbait-Reportage über spanische Erntehelferinnen aus Nordkorea ein, die sexuell missbraucht werden, aber wegen der Uneinigkeit der großen europäischen Führungsnationen keine Steuern zahlen.

Die Königs-Disziplin, der Relotius-Preis für die packendste Schreibtischreportage über einen ernsten und akuten Fall gewinnt eine von einem Reporterkollektiv zu zwölf Händen geschriebene mehrseitige Story über die Aufdeckung des Einzelfalles um den skrupellosen Reporter. Die Reportage handelt vom Umstand, dass "keine Hinweise darauf gefunden wurden, dass jemand im Haus von den Fälschungen wusste, sie deckte oder gar an ihnen beteiligt war".

Der Preis wurde in einem deutlich kleineren Rahmen als in früheren Jahren in der immerhin noch festlich geschmückten Kantine des Gruner+Jahr-Verlagsgebäudes vergeben. Die Branche leidet unter Auflagenverlusten, überall muss gespart werden, die staatliche Nachrichtenagentur DPA gilt in vielen Häusern bereits heute als fleißigster Mitarbeiter. „Früher war mehr Lametta“, sagte Moderatorin Marietta Slomka, die sehnsuchtsvoll an die Jahre zurückdachte, als die Verleihung noch in der Elbphilharmonie stattfinden konnte.

Doch bei kalten Würstchen vom Büfett, Jever-Pils und leise vom Band vorgelesenen Reportage-Höhepunkten aus den eingereichten Arbeiten war die tiefe Krise schnell weggeplauscht. Den Preis für die leiseste Unternehmensschließung in der Branche heimste das lange erfolgreiche Klickbait-Portal Buzzfeed ein. Für die beste investigative Leistung wurden die unbekannten Urheber des sogenannten Strache-Videos ausgezeichnet, die mit ihrer siebenstündigen Reportage “Abgehört auf Ibiza” unmittelbaren Einfluss auf die Regierungsbildung in Österreich genommen hatten.

Mit einem Sonderpreis geehrt wurde ein Autorenteam der Süddeutschen Zeitung in der Kategorie “Inszenierte Wirklichkeit” für ihre Berichterstattung über den NSU-Prozess. Das Blatt aus München hatte die fünfjährige gerichtliche Auseinandersetzung als packendes Hörspiel dramatisiert, in dem bekannte Schauspieler knappe Auszüge aus den geheimen Protokollen des "größten Strafprozesses in Deutschland seit der Wiedervereinigung" (SZ) vorlasen.

Ein Novum der Preisverleihung in diesem Jahr: Erstmals konnten 50 der letzten LeserInnen und Leserer der Abo-Magazine direkt an der Verleihung des Nannen-Preises und dem traditionellen "Tanz der Preisträger" weit nach Mitternacht teilnehmen. Die Plätze wurden verlost, sie berechtigten am Abend dazu, das Verleihungsritual von einem Nebenraum aus zu verfolgen, in den ein Echtzeit-Livestream die feierliche Zeremonie übertrug. Diese stärkere Öffnung der Verleihung für das breite Publikum, war gewollt. Die Veranstalter erklärten, es sei beabsichtigt, "damit in Zeiten von Fake-News ein Zeichen für mehr Transparenz“ zu setzen. Der Nannen-Preis könne so helfen, "dass die Menschen wieder mehr Vertrauen in die Medien gewinnen".



4 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Und die Mitbewerber am Verblödungsmarkt gnatzen.
-----
https://blog.zeit.de/glashaus/2019/05/31/gastbeitrag-2017-taeuschung-verdacht/

Wir haben 2017 einen weitgehend erfundenen Gastbeitrag veröffentlicht. Wie konnte es dazu kommen?
Chefredaktion ZEIT ONLINE 31. Mai 2019 um 18:46 Uhr

Die beschriebenen Szenen eines im Frühjahr 2017 auf ZEIT ONLINE veröffentlichten Gastbeitrags sind wahrscheinlich weitgehend erfunden: Das Problem mit dem Penis, so der Titel des Beitrags, dreht sich um eine angebliche Aufklärungs-Sprechstunde mit Geflüchteten in einer deutschen Kleinstadt.

Eine Anfrage des Spiegel hat uns auf die mögliche Fälschung aufmerksam gemacht und wir haben diesen Beitrag in den vergangenen Tagen nochmals eingehend geprüft und mit der Autorin, ihrem mittlerweile eingeschalteten Anwalt, ihrer Familie sowie weiteren möglichen Zeugen gesprochen. Wir haben vor Ort Fakten des Textes und die Vita der Autorin überprüft.

Wir gehen derzeit davon aus, dass die Autorin ihr Umfeld, uns und andere Medien getäuscht hat. Wie konnte es zu der Veröffentlichung auf ZEIT ONLINE kommen?

Die Anmerkung hat gesagt…

http://archive.is/RR5E9

Sexuelle Aufklärung : Das Problem mit dem Penis

Viele Geflüchtete haben in ihrer Heimat nie über Sex gesprochen. Das führt nicht nur im Bett zu Problemen. Nun lernen sie es bei dem "Fräulein, das immer über Sex redet". Von Sophie Roznblatt

13. Februar 2017, 14:03 Uhr

Volker hat gesagt…

Der schönste Teil des ZEIT-Roznblatt-Fake ist der Kommentar von I love the Treaty of Rome.

Anonym hat gesagt…

http://www.turi2.de/aktuell/bloggerin-erfindet-holocaust-opfer-taeuscht-zeit-online-und-deutschlandfunk/


https://kohlkanal.net/.media/29cebc178756ffb052bda1b9793c9865-imagejpeg.jpg