Dienstag, 24. Dezember 2019

Berlin im Lichterglanz: Weihnachten wenigstens können wir

Mit dem Bau von Flughäfen läuft es schon länger nicht mehr wie gewünscht, die Autobranche wrackt ab, die neue Elektromobilität leidet unter Kinderkrankheiten und der CO2-Preis an der Börse droht, alle deutschen Preisfestlegungen zu unterlaufen. Doch jetzt ist erstmal Weihnachten, das Fest der Liebe, das genaugenommen eine deutsche Erfindung ist, weil der Weihnachtsbaum erstmals in einer Urkunde aus Mainz erwähnt wird, die aus dem Jahr 1527 datiert, und der erste Schwibbogen von Männern geschnitzt wurde, die - wenn auch in einem weitgehend unverständlichen Dialekt - Deutsch sprachen.

Selbst der Weihnachtsmann mit dem Rauschebart, den sich die Skandinavier ungefragt unter die Nägel gerissen haben, ist eine deutsche Deutung des in der heutigen Türkei wirkenden griechischen Bischofs Nikolaus von Myra, denn ehe die Berliner Wochenzeitschrift „Mannigfaltigkeiten“ im Jahr 1770 vom „Weyhnachtsmann“ schrieb, gab es den bärtigen Gesellen mit dem roten Mantel schlicht nicht.

Dafür ist er heute überall, ebenso wie Lichterglanz und Klimaverachtung. Einmal im Jahr lassen es die Deutschen, Calvinisten im Herzen, richtig krachen. Es gibt Geschenke, fettes Essen und Nachtisch, wo schon nichts mehr reinpasst. Die Hungernden der Welt, an den wenigstens Festtafeln spielen sie am Heiligen Abend eine Rolle, ein Schicksal, das sie mit Jesus teilen, der Anlass, aber nicht Gegenstand des Festes ist. Nur in den offiziellen Reden kommt er vor, meist zum "Flüchtling" umlackiert, der traditionell für allerlei schräge aktuellpolitische Gleichnisse herhalten muss.

Dieses Jahr wird Jesus Klimaflüchtling sein, das ist klar, er wird die Dürre fliehen, den Wind, den Regen, die Hitze, den Staub und den Krieg, die sterbenden Korallenriffe, den Terror der Israelis und die Ausbeutung durch den Westen. Wenigstens aber redet die Kanzlerin nicht an diesem Abend, auch der Bundespräsident ist erst später dran. Heiligabend gehört der Familie und der Wiener Wurst mit Salat, dem toten Karpfen oder der toten Gans.

Das "Fest des Innehaltens, ein Fest der Verwandten und Wahlverwandten", wie es Joachim Gauck einmal nannte, als er noch erster Mann im Staat war, unterscheidet sich hierzulande nicht nur durch neue, strenge Bräuche zum Schutz vor rechten Anschlägen von den Vorgängen in den meisten anderen Ländern. Deutschland, einer der Staaten auf der Welt, die am härtesten von der allesvernichtenden Klimakeule getroffen werden, setzt eine neue Bescheidenheit gegen Pomp und Prunk, wie sie anderswo in obszönem Ausmaß ausgestellt werden.

Wo die Autokraten und Diktatoren in Moskau, Peking und Washington nicht genug bekommen können vom Tand des falschen Glimmers, widersteht Berlin der Verführung des Nochmehr und Nochgrößer. So wie Brüssel längst eine weihnachtsmannfreie Zone ist, zeigt sich die Kanzlerin in diesen letzten Tagen des Jahres gern vor einem struppigen Baum mit wenigen, auf Halbmast hängenden Kerzen, wie immer eine eines Landesverbandes der Waldbesitzer und weniger prächtig als beispielhaft: Schaut, ihr Deutschen und ihre Gäste, so mahnt die Kanzlerin auch zu ihrem vorletzten Weihnachtsfest im Dienst, die Haltung ist es, die die Würde des Weihnachtsfestes ausmacht und nicht die Materialschlacht, die Donald Trump, der Fahrer des Coca Cola-Trucks und europäischen Freunde im benachbarten Österreich veranstalten.

Deutschland kann Weihnachten, aber eben auch nicht mehr lange: Der neueste Vorschlag ist, das traditionelle Weihnachtsfest nicht mher "Weihnachten", sondern nur noch neutral "fest" zu nennen. 
Deutschland, die Region, in der die Erfinder von Weihnachten leben, könnte auch damit wieder Vorreiter werden.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Fun fact: Das englische Christmas enthält den englischen Namen des Christus und ist damit konfessionell festgelegt. Das Ersetzen durch einen neutralen Begriff ist zwar dumm, aber zu begründen (die Begründung lasse ich weg).
Das deutsche Weihnacht ist in wörtlicher Bedeutung konfessionell neutral, aber wir ersetzen es durch einen anderen neutralen Begriff.
Oder wie man in der Anglophonie sagt: Monkey see, monkey do.