Montag, 6. April 2020

Corona-Medien: Wir gegen die Bugs



Bis hin zur Tonart stimmt alles in Paul Verhoevens 23 Jahre altem Film "Starship Trooper": Was auf der Leinwand die "Bugs" sind, gerissene, zahllose und fiese außerirdische Spinnen, die die Menschheit bedrohen, ist heute Corona, das Virus, das ähnliches vorhat. Und was im Roman von Robert A. Heinlein, der Verhooven als Vorlage diente, die an Riefenstahl-Ästhetik gemahnende Propaganda zu Zusammenschluss der Menschen unter ein unausweichliches Kriegsregiment sein musste, sind heute die als Nachrichtensendungen verkleideten Stimmungsberichte der Leitmedien zum Krisenfall: Essen ist da, das Bargeld ist sicher, die Grenzen nun doch noch zu schließen, kam nicht sehr spät, sondern es genau richtig. Wollen Sie mehr wissen?



Gute Nachrichten für den Zusammenhalt


Noch mehr über die gute und richtige Politik der Bundesregierung? Über Menschen, die nicht hamstern, sondern solidarisch miteinander sind. Die unentwegt Zusammenrücken, keinerlei Panik oder Hysterie fühlen? Zuhausemiteinanderstark. Wirbleibendaheim. Schauen Sie sich diesen Kirschkäferzüchterverein an. Weil er nicht züchten kann, ist er jetzt Partnerbrigade eines Altenheims in Quarantäne! Oder diese alte, aber tapfere Dame. Darf ihre Enkel nicht sehen, hat aber jetzt Skype. Und dieser pfiffige Mann hier, sehen Sie nur: Er bastelt Atemmasken aus Kaffeefiltern und Schlüpfergummi! Wollen Sie mehr wissen? Bastelanleitung auf unserer Internetseite!

Das Land, so scheint es wenigstens im medialen Bild, rückt zusammen. In Umfragen sammeln sich die Menschen hinter der größten Regierungspartei, in spontanen Interviews versichern sie, alles gut zu verstehen. Die Aussetzung von Grundrechten ist nun mal nötig, noch mehr Überwachung wäre allerdings auch schön. Dass es so schlimm gekommen ist, wie es noch werden wird, daran ist nicht der Umstand schuld, dass die Regierenden wochenlang toten Auges in eine Nebelwand fuhren, von der frühere Reisende zu berichten wussten, dass in ihrer Mitte eine massive Felswand wartet. Nein, Schuld sind Quertreiber und Kritiker, Meckerer und Miesmacher. Wollen Sie mehr wissen?

Mediale Mobilisierung des Volkskörpers


Der MDR sendet volksgesundheitliche Mobilisierungssendungen mit Titeln wie "All you need is love" und kaum läuft der Spaß zwei Minuten, trudeln von draußen schon erste Zuschauerreaktionen ein. "Die Lieder, die ihr spielt, sind ein Traum", schreibt jemand, der schon weiß, was kommen muss. Große Namen im Dienst der guten Sache. Momente des Eskapismus im Rhythmus einer Frontunterhaltungskompanie.

In "Starship Troopers" hat Paul Verhoeven hat die Stimmung geschildert, die in einer Gesellschaft herrscht, die auf ein einziges großes Ziel eingeschworen wird. Jede Kritik wird staatsfeindlich, statt Fragen zu stellen, wer wann wo welche Pflichtversäumnisse begangen hat, wird der Alltag zur Freudenfeier der Selbsthilfe.  Die Sehnsucht nach "klaren Ansagen" (Catherine Newmark) wächst, die Scheu, mitten in der Schlacht die Taktik zu diskutieren, wird ebenso immer größer.

Die Grundrechte sind im Corona-Urlaub, die vierte Gewalt spielt Bundespresseamt. Strategische Täuschungsmanöver, die zahllose Menschen die Gesundheit kosten, werden zu lässlichen Tricks, die der Staatsbürger man "ganz entspannt" (RND) hinzunehmen hat, denn es war ja zu seinem Besten. Wollen Sie mehr wissen?

Der Feind im But


Mehr gibt es nicht, mehr braucht auch keiner. Der Feind ist der Feind, ihm gilt der Kampf. Kleinlich nachzukarten, wer wann geirrt, gelogen oder wider besseren Wissens eine "Fähigkeit zur schnellen, nüchternen Chancen-Analyse" sehen will, wo in Corona-Woche neun jedem Beobachter das Bild einer zögerlichen, sich im Tagesrhythmus umentscheidenden und jede Kommunikation verweigernden Regierung vor Augen steht, das wäre schädlich, das würde dem Virus nur in die Hände spielen.

Doch der Name des Spiels lautet "Wir gegen die Bugs", die nationale Kraftanstrengung erlaubt weder Fragen noch Verhandlungen darüber, ob die weitgehende und unbefristete Aussetzung der Grundrechte für Millionen Bürger wirklich aufgrund der administrativen Entscheidung einer unbestimmten Gruppe von Vertretern der Exekutive möglich ist. Denn wir alle sind jetzt Starship Troopers, Angehörige der Kampftruppe gegen die Bugs das Virus. Gemeinsam schaffen wir das. Zusammen stehen wir das durch. Händewaschen nicht vergessen!

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5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Bildunterschrift Die Welt:
In ihrem neuesten Video-Podcast findet die Bundeskanzlerin klare Worte zur grassierenden
Corona-Epidemie in Deutschland.


Ich bin mir inzwischen sicher, dass alle Nachrichtenartikel der deutschen Presse von Bernd Zeller geschrieben werden. Gute Show.

Bleiben Sie dran, im Anschluss hören Sie 'All You Need Is Love', aber davor gib's auf vielfachen Wunsch wie jeden Tag 'Lili Marleen'.

Und, liebe hier Lebende, denken Sie daran, was in der Politik die Wahl an der Urne ist, ist für die Medien der regelmäßige Kauf der genehmigten Printerzeugnisse und das tägliche Einschalten der Wochenschauen bzw. Tagesschauen.

ppq hat gesagt…

harte worte, aber nun sind sie halt da

Anonym hat gesagt…

Schmerz ist Ansichtssache.
(Wie lahm: The pain is in your mind - bah)

Jodel hat gesagt…

Ich glaube wenn ich die Aufforderung "Hände waschen" noch einmal höre, kriege ich die Krätze.
Bekommen unsere Medienschaffenden ein Handgeld, wenn wirklich absolut jeder Artikel und Bericht über das Corona-Virus mit der Aufforderung endet, sich aber auch ja die Pfoten sauber zu halten. 90 % der schon länger hier Lebenden war das schon vor den ganzen Hinweisen klar. Der restliche traurige Haufen dürfte es nunmehr auch kapiert haben oder macht aus Prinzip nicht mit.
Genau so gut könnte man inzwischen auch "Atmen nicht vergessen" als Schlußwort verwenden.
Glauben die, das es in unserem spitzenmäßig regierten Ländchen, noch irgendjemanden gibt,
der das noch nicht mitbekommen hat und daher weiterer Hilfe bedarf? Gibt es denn keinen anderen Tip den man noch verbreiten müsste? Masken tragen zum Beispiel. Nur so als Anregung. Inzwischen sollte doch in jedem guten Haushalt wenigstens eine rumliegen.

Denkt eigentlich niemand an die armen Schweine, die noch nie Patschehändchen hatten oder diese durch einen Unfall verloren haben. Diese bekommen derzeit doch ihren Makel ununterbrochen unter ihre Nasen gerieben. Hier würde ich einmal einen klaren Hinweis erwarten, was die überhaupt tun können. Das grenzt ja schon an Rassismus, das man diese Leute ständig übergeht und so tut als gäbe es sich nicht.

Die Anmerkung hat gesagt…

@jodel

>> Genau so gut könnte man inzwischen auch "Atmen nicht vergessen" als Schlußwort verwenden.

Besser iss. Wer jemals bei einem deutschen Hackfleischweltmeisterschaftskandidat in Behandlung war, der kennt den Spruch zur Genüge. Geht noch kürzer. Atmen!