Donnerstag, 2. April 2020

Merkels Führungsstärke: Unterwegs mit einer Unsichtbaren

Seit einer Woche wurde Angela Merkel nicht mehr gesehen. Der schlechte Netzausbau lässt keine Bildübertragung aus ihrem Wohnsitz zu.

Der eitle Donald Trump taucht jeden Tag im Briefing Room auf und gibt eine Pressekonferenz, die etwa eine Stunde dauert und 20 Minuten für Fragen von Journalisten offenlässt. Boris Johnson brüstet sich mit seinen neuen Videokonferenzen. Benjamin Netanjahu beschenkt sein Volk mit neuen Auflagen und Entschädigungszahlungen. Putin macht sich vor der kritischen deutschen Presse bei einem Krankenhausbesuch lächerlich.

Aus dem Herzen der deutschen Bundesregierung dagegen dringt ein Stimme. „Die Pandemie kennt keine Feiertage“, sagt sie. Und: „Es ist bei Weitem zu früh, darüber nachzudenken, die Maßnahmen zu lockern.“

Es ist die deutsche Kanzlerin, die da spricht, dargestellt von einem Comic-Mikrophon. Seit sie vor einer Woche ihre große "Es ist ernst"-Rede gehalten hat, ist Angela Merkel in Quarantäne abgetaucht. Gelegentlich ist von negativen Corona-Tests zu hören, auch steht die Meldung, dass es ihr gut gehe, sie nicht erkrankt sei und die Regierungsgeschäfte ganz normal weiterführe, nur eben vom heimischen Wohnzimmer aus und - in der Tradition von Bin Laden - mit verrauschten Audiobotschaften.

Fragen von Journalisten zu ihrem Krisenmanagement beantwortet Angela Merkel nicht. Es gibt keine Pressekonferenzen und nicht einmal die in Sonderlagen eigentlich traditionelle Selbsteinladung zur TV-Audienz bei Anne Will. Zur Zeit wäre die Begründung dafür die Quarantäne, könnte oder wollte jemand eine wissen. 


Ein körperloses Wesen spricht


Denn die miserabel ausgebauten Datenleitungen verhindern augenscheinlich jedwede Art von Bildübertragung aus der Kanzlerinnenwohnung. Oder der Umstand, dass die Kanzlerin beliebt, den Kampf gegen Corona im Morgenmantel zu führen. Wenn Merkel sich zu Wort meldet, dann als Unsichtbare - eine Stimme nur, die mit Merkelklang Merkelsätze aus Merkelworten spricht.

In manch anderem Staat wäre es für Menschen wie Medien unvorstellbar, mitten in der "größten Herausforderung sei dem Zweiten Weltkrieg" (Merkel)  von einem körperlosen Wesen ohne Gesicht angeführt zu werden, von einer Frau, von der nicht einmal jemand sagen kann, ob sie es wirklich ist oder vielleicht doch nur ein von der Administration in höchster Not zwangsverpflichteter Stimmenimitator.

Hierzulande aber ist das keine Frage, die öffentlich gestellt wird. Kollektiv haben die deutschen Medien die von der Bundesregierung vorgegebenen Grundregeln der Corona-Berichterstattung akzeptiert: Keine Kritik. Keine Nachfragen nach Details. Keine Zweifel an den Zahlen. Oder kaum erklärlichen Versäumnissen. Stattdessen bitte ganz, ganz viel fröhliches Unterhaltungsprogramm zur Ertüchtigung des Volkskörpers drumherum. Maskennähende Rentnerrinnen. Facebook-Yoga. Arbeitslose Köche, die Reste für Obdachlose aufkochen. Pfiffige Unternehmer, die mit glücklichem Gesicht Notrettungsanträge ausfüllen.

Das ist wahre Führungsstärke. Nicht einmal mehr persönlich auftauchen zu müssen, nicht mehr Gesicht zeigen. Kein Krankenhausbesuch, keine Pressekonferenz, keine Parade von Alternpflegern abnehmen. Und doch sicher sein zu können, dass diese besondere Art Leadership von niemandem und nirgendwo infrage gestellt werden wird. Trump und Johnson, aber auch Putin und Trudeau verkörpern den alten, den ewiggestrigen Anführer, der an der Spitze der Truppen Präsenz zeigt, der Reden halten, Pressekonferenzen geben und zwanghaft twittern muss. Angela Merkel führt in Abwesenheit. Sie taucht auf und wieder unter und signalisiert den überwiegend durch us-amerikanische Katastrophenthriller sozialisierten Bürgerinnen und Bürgern damit, dass die Lage keineswegs so schlimm ist, wie sie wäre, wenn die Kanzlerin jeden Tag persönlich vor die Kameras treten und behaupten würde, sie sei es nicht.

Alle ziehen mit


Zum Glück ziehen alle mit. Statt verstörender Recherchen  über eine Regierungspraxis, die dem nahenden Grauen  erst mit dem Einkaufswagen entgegenfährt und sich dann mit gebunkerten Weinvorräten daheim einschließt, gibt es Maskenbasteltipps und Ermutigungssendungen. Alle stehen zusammen, wenn auch auseinander, alle machen das Beste aus der Lage und blieben standhaft daheim. Alle wissen, was sie müssen, und ziehen wie ein Mann mit.

Niemand schürt Zweifel, niemand wagt es sich noch, das Totalversagen sämtlicher Behörden 13 Jahre nach dem Totalversagen bei der Pandemieübung Lükex 2007 auch zu erwähnen. Nestbeschmutzer. Verunsicherer. Angstschürer. Von weit draußen wirkt es, als sei wieder 2006 und ein Schwur abzuleisten. Damals, kurz vor der Fußball-WM im eigenen Land, hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder die Chefs der großen deutschen Verlagshäuser einbestellt, um einen Berichterstattungskonsens auszuhandeln: Ein Sommermärchen sollte es werden, ein Fest der Völker, das strahlend hell von Deutschland erzählt. Was nicht dazu passte, wurde nicht erzählt.


Wer heute Zweifel schürte, stellte sich ebenso ins Abseits. Es herrscht von Springer über Spiegel, von SZ über Taz bis Welt und FAZ Einigkeit darüber, dass die Krise die Stunde der Exekutive ist und es deshalb Regierungen sind, nicht Parlamente, die Kontakt- und Ausgangssperren verhängen, die Betretungsverbote erlassen, die Freizügigkeit  im Bundesgebiet verboten und die Grenzen geschlossen haben.

Ganz, ganz große Koalitionen


Auch unter den politischen Parteien bilden sich ganz große große Koalitionen, die vor einigen Wochen noch nicht denkbar gewesen wären. AfD, Grüne und SPD gegen CDU und FDP? AfD, Linke, Grüne, SPD und CDU gegen Corona? Was eben noch ein Tabubruch war, ist jetzt eine Notgemeinschaft, über die nicht einmal mehr am Rande gesprochen werden muss. Diskussionen gelten in dieser Situation als nicht hilfreich,  Verweise auf frühere Beschlüsse als so nützlich wie die Erinnerung daran, dass die noch zu Friedenszeiten beschlossene Einführung der neuen CO2-Steuer dem Erhalt vieler Unternehmen und Existenzen etwa so viel nützen wird wie die eben in Kraft getretene Erhöhung der Steuer auf Flugtickets  beim Erhalt der bereits heute praktisch insolventen Luftverkehrsunternehmen.



8 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Merkel führt die deutsche Nation in der Tradition von Bin Laden. Stark.

Bin weg.

ppq hat gesagt…

nur eine spontane assoziation. oder gab es noch andere anführer, die mit audiobotschaften gearbeitet haben?

Anonym hat gesagt…

Bin Laden ist war auf jeden Fall weiblicher als Merkel.

Anonym hat gesagt…

Ist das nicht die Rolle/Position des Großen Bruders aus"1984" - nie gesehen, kein Bild aber alles unter Kontrolle.

Anonym hat gesagt…

Anonym hat gesagt...
Ist das nicht die Rolle/Position des Großen Bruders aus"1984"

Nein, das ist Hitlers Rolle mit seinen Reden durch die Goebbelsschnauze gegen Schluss.
https://de.wikipedia.org/wiki/Volksempf%C3%A4nger

Die Anmerkung hat gesagt…

OT wegen Auschwitz und so
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"Ich bin Berufspolitiker geworden, um die Kapazität zu haben, mir über langfristige Antworten Gedanken zu machen, weil auch ich manche Fragen noch nicht beantworten kann", sagt er.
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Er, das ist Erik Marquardt, Fotojournalist und laut Relotius Nf. jetzt Berufspolitiker.

Ich wußte bis heute Nachmittag gar nicht, daß es so einen Beruf überhaupt gibt. Was es nicht alles gibt. Und daß man noch weniger in der Rübe haben kann als ein von einem LKW überfahrener Schwanzlurch, das ist mir auch neu.

Anonym hat gesagt…

Nein, das ist Hitlers Rolle ...


Hei* Godwin ... Was wäre eine Gesprächsrunde im Internet ohne einen wohlfeilen Eselstritt gegen jenen Tunichtgut, sich und anderen dadurch mehr oder minder bewußt/unbewußt - direkt/indirekt versichernd, daß man zu den Guten gehört ...

Anonym hat gesagt…

>Hei* Godwin ... Was wäre eine Gesprächsrunde im Internet ohne einen wohlfeilen Eselstritt >gegen jenen Tunichtgut, sich und anderen dadurch mehr oder minder bewußt/unbewußt - >direkt/indirekt versichernd, daß man zu den Guten gehört ...

Die Parallelen zwischen dem Tunichtgut kurz vor Ende seines Films und Merkel kurz vor ihrem Abspann sind ja nun sichtbar, wenn man die Augen leicht zusammenkneift, und weniger als eine Wertung des Tunichguts gemeint als ein Hinweis auf seine Rückkehr als Farce.