Montag, 14. September 2020

Corona forever: Warum die Pandemie für immer bleiben wird

Die internationale Arbeitsteilung soll nun rückabgewickelt werden, es gilt das Motto Germany first.

Ein halbes Jahr Corona, ein halbes Jahr Stillstand, der zugleich die schnellsten und heftigsten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen brachte, die es seit dem Ende der Zweiteilung der Welt in sozialistische und kapitalistische Staaten gegeben hat. Aber was wartet auf die Welt nach dem Ende der Coronavirus-Epidemie? Welche Veränderungen werden bleiben? Welche demokratischen Errungenschaften nie mehr zurückkehren? Was hat die Politik aus Corona gelernt? Und was bedeutet das für die Menschen?

Nichts ist unmöglich, das ist die Lehre, die Corona gebracht hat. Unter Verweis auf ein Virus, von dem wenig mehr bekannt ist, als das eine Reihe von Menschen daran sterben, während eine ganze Reihe anderer nicht einmal bemerkt, dass sie sich infiziert haben, begann die Politik nicht nur ein Deutschland ein großes Experiment: Was alles lässt sich wie schnell unter Verweis auf den Gefahrschutz gesellschaftlich neu regeln? Was kann verboten, was an Verhalten erzwungen werden, alles nur gestützt auf Verordnungen, verabschiedet von Landeskabinetten?

Es muss ein Erweckungserlebnis gewesen sein. Nichts, was nicht geht, stellten Spitzenpolitiker landauf, landab fest. Man konnte regieren wie mittelalterliche Fürsten, man konnte heute Hü und morgen Hott rufen, Kleidervorschriften erlassen und unwidersprochen mit einem Füllhorn übers Land schweben und jedem Entgegenkommenden erzählen, ja, auch er werde von der Regierung gerettet werden.

Corona liefert den Anlass


Zugleich wurden gerade noch bekämpfte Parolen hoffähig. "America first", das ewiggestrige Motto des verhassten US-Präsidenten, kehrte als "müssen Produktion nach Deutschland zurückholen" in den Bundestag zurück. Die Rückabwicklung der Globalisierung, mehr Protektionismus und Bemühungen um Autarkie - die Corona-Krise lieferte einen Anlass, es anderen Ländern mit gleicher Münze zurückzuzahlen.

Wer sich nicht auf sich selbst verlassen kann, der ist verlassen, hieß es nun, denn auf einmal schien es doch riskant, auf Medikamente oder andere lebenswichtige Produkte wie Schutzmasken vom anderen Ende der Welt angewiesen zu sein.

Ebenso riskant wie auf Europa zu vertrauen, soweit es den Teil betrifft, der als EU gemeinsam durch die Weltgeschichte wankt. Als es ernst wurde, war die Staatengemeinschaft abgetaucht, als das Schlimmste vorüber zu sein schien, forderte sie laut Grenzöffnungen und als die folgenden Urlauberströme eine zweite Welle an Infektionen auslösten, war aus Brüssel erneut gar nichts zu hören. Man stritt schon wieder um das Wie und Was. Man zählte Geld, das nicht vorhanden ist, um es mit der Gießkanne dort zu verteilen, wo die Regierungen am besten um ihren Anteil gepokert haben.


Der Staat spielt den Paten


Was bleibt also? Auch Deutschland wird renationalisieren - schon heute sind mehr Dax-Konzerne zumindest teilweise in staatlichem Eigentum als jemals zuvor seit Ende der 80er Jahre. Selbst bei der Suche nach einem Impfstoff spielt der Staat den Paten. In das Hoffnungsunternehmen Curevac steckte der Bund kurz vor dem Börsengang 300 Millionen. Inzwischen ist der Anteil mehr als eine Milliarden wert.

Das macht Mut, das zeigt, was das Primat der Politik erreichen kann. Nach der akuten Phase der Pandemie dürften die politischen Parteien deshalb nicht einfach zurückkehren zur früheren Staatsorganisation mit freier Wirtschaft und einer Politik, die Leitplanen setzt. Man wird zur Auffassung gekommen sein, dass der Staat eben doch der bessere Unternehmer ist. Hat er nicht die Lufthansa gerettet? Tui? Zahllose kleine Unternehmer, die pleite wären, hätte die Justizministerin Insolvenzen nicht einfach verboten?

Hauptsache medial gut dastehen


Eine Idee, die dauerhaft Schule machen könnte. Produktion ins eigene Land zurückzuverlagern, Innovationen fördern, indem gescheiterte Geschäftsideen verstaatlicht werden. Dort, wo es am Markt nicht reicht, mit Fördermitteln stützen. Grundrente, Grundeinkommen, Mietzuschuss, Preisbremse. Der Staat hat gut gewirtschaftet, er kann sich das alles leisten und noch viel mehr. So lange irgendwo ein anderes Land höher verschuldet ist, steht Deutschland zumindest medial gut da.

Die Frage ist, wie intensiv die neue Erkenntnis umgesetzt wird, dass die Menschen sich nach Führung, Leitung und Betreuung sehnen, so sehr, dass selbst der frühere Freigeist Neil Young "Lookin' For A Leader" singt. Für die SPD, deren Welt- und Menschenbild auf Bürgerinnen und Bürger setzt, die sich ihr Leben minutiös von einer politischen Führung vorgeben lassen wollen, sind das gute Nachrichten.

Also auch für die CDU, die sich der SPD auch in diesem Punkt zu einer verwechselbaren Ähnlichkeit angenähert hat. Grüne und Linke stehen ohnehin für mehr Gemeinsinn, Gleichheit und Konformitätsdruck - im wahrscheinlichsten Fall wird die Rückabwicklung der Globalisierung sich also nicht nur auf ausgewählte Produkte von strategischer Bedeutung beschränken, sondern zu einer weitreichenden Neuordnung der Lieferketten, zu einer generellen Importreduzierung und zu einer politischen Führung führen, die auf der Allmachtsfantasie beruht, dass der Staat eben alles könne und deshalb auch alles tun müsse.

Rückabwicklung der Globalisierung


Da eine Rückabwicklung der Globalisierung Deutschland ebenso ärmer macht wie die Rettung der umgebenden Abnehmerstaaten deutscher Produkte, braucht es eine starke Erzählung zur Erklärung des Endes des deutschen Wohlstandswunders. Waren deutsche Autos, deutsche Maschinen und deutsche Ingenieursdienstleistungen eben noch in aller Welt gefragt, kommt von dort nur noch der Ruf nach deutschem Geld. Das aber sprudelt mit Millionen Kurzarbeitern, zwei Millionen Arbeitslosen und 25 Millionen Rentnern nicht mehr aus der Steuerkasse, sondern muss jeden Tag neu geborgt werden.

Die entglobalisierte Welt wird insgesamt eine ärmere Welt sein, und sie wird ganz besonders Deutschland ärmer machen, auch, weil die ehemals so innovative Nation im größten Wachstumsmarkt der Zukunft keinerlei Rolle spielt. Das Online-Geschäft hat durch die Pandemie einen weiteren Aufwärtsimpuls erhalten, bis auf einen Schuhladen und einen Nudelbringedienst in China steht Deutschland aber immer auf der Kundenseite des virtuellen Tresens.

Weil die Verlagerung von Geschäftsprozessen in den Online-Bereich auch nach dem Ende der Pandemie weitergehen wird, ist das Aussterben der deutschen Innenstädte unaufhaltsam, das bisher dort ausgegebene Geld aber hat nicht einfach nur ein anderer, sondern jemand anderswo.

Eine langfristig kurzsichtige Politik


Proteste gegen eine langfristig kurzsichtige Politik, die die Weichen hin zu einem schleichenden Untergang gestellt hat, sind nicht zu erwarten. In der Pandemie stellte sich deutlich wie nie zuvor heraus, dass Dasselbe nicht das Gleiche ist, wenn Politik und Medien nur ent- und geschlossen genug gemeinsam Position beziehen.

Die Black Lives Matter-Demonstrationen bewiesen, das es gelingen kann, ein Thema, das die große Mehrheit der "Schonlängerhierlebenden" (Merkel) eher als im eigenen Alltag marginal einschätzen, aus dem Nichts zur Nummer 1 erklärt werden kann. Die Anti-Corona-Demos zeigten, dass Diskreditierung als Gefahr für alle ein probates Mittel gegen Proteste ist. Und das in "Belarus" umbenannte Weißrussland untermauerte Rolle und Bedeutung von Doppelstandards in der politischen Auseinandersetzung: Ohne mit der Wimper zu zucken, verwandelte sich der Verstoß gegen Abstandsregeln und Maskenpflicht vom Staatsverbrechen in eine Heldentat.

Recht ist nichts, Willkür alles. Auch mit einer Vielzahl weltfremder, bizarr erscheinender Seuchenregeln hat Corona bewiesen, dass sich mit Menschen alles machen lässt. Betritt die Gaststätte mit Maske, dann, wenn es zum Austausch von Aerosolen kommt, kannst du sie abnehmen. Schule ohne Maske, Demo mit. Keine Freiluftkonzerte, aber Mallorca-Flüge. Die Corona-Pandemie wird  die Lebensweise der Menschen nicht dauerhaft verändern, aber sie wird den Regierenden gezeigt haben, wie schnell und gründlich Anweisungen zu einer Änderung führen, die getroffen wurden, nicht, weil sie wirken, sondern weil irgendeine Anweisung gegeben werden musste, damit die Menschen sehen, dass für sie gesorgt wird.

Bundesstaat durch die Hintertür


Auch nach dem Ende der akuten Phase der Pandemie dürften diese Lehren bleiben. Niemals wäre der nächtliche Umbau der EU zu einem staatsinterventionistischen Bundesstaat ohne die Seuche so glatt und kurzfristig über die Bühne gegangen. Die umfangreichen Hilfsmaßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie aber gelangen, ohne das überhaupt jemand fragte, woher das Geld kommt und wer denn die Rechnung dafür bezahlen werden.

Wie Manna vom Himmel erschienen die Billionen aus einer Zukunft, in der der freie Markt einer Staatswirtschaft gewichen sein wird, in der wirtschaftliche Entscheidungen nach politischen Erwägungen getroffen werden.

Seit Regierungen in den Staaten des Westens erkannt haben, dass sich ihre Bürgerinnen und Bürger über Niedrig- und Negativzinsen an der fortlaufenden Umschuldung der finanziellen Lasten beteiligen lassen, die Regierende in ihrem Namen eingehen, ist der Stein der Weisen gefunden. Die Monetarisierung der Staatsschulden ist alternativlos und ohne absehbares Ende, die  Geldmenge explodiert und da die Inflation nur die betrifft, die Erspartes haben, spielt sie sich nicht im Konsum- und Warenbereich, sondern im Bereich der Geldanlage ab.


3 Kommentare:

Coroner hat gesagt…


Gretchen- bzw. Michelfrage:

Wer bitte soll diese lebenswichtigen Güter und Medikamente hier in Schland denn erfinden und produzieren?

Etwas die millionenfach importierten goldwerten Fachkräfte aus Takatukaland?

Da verlasse ich mich dann doch lieber auf in ihrer Heimat bleibende und arbeitende Inder und Chinesen.

Jodel hat gesagt…

Hier kann man schön erkennen das Recht und Gesetz nur Buchstaben auf Papier sind. Wenn nicht Menschen hinter Grundrechten stehen, diese Werte mit Leben erfüllen und auch bereit sind, diese zu Verteidigen sind diese gar nichts Wert.
Wenn man zurück denkt wir gering der Widerstand gegen die Machtergreifung der echten Nazis damals war, kann man sich vorstellen wie weit unsere Politiker in der Coronakrise heutzutage noch gehen können.
Ein zurück zur alten Normalität, die ja auch schon nicht perfekt war, wird von unserer Nomenklatura aber sicher mit mit Zähnen und Klauen bekämpft werden. Selbstverständlich unter größtem Applaus unserer Gemeinsinnsmedien, die es gar nicht abwarten können, bis sich endlich das große Füllhorn über ihnen öffnet.
Erst wenn uns die Chinesen für die immer schneller produziert werdenden Euros nichts mehr verkaufen werden, weil diese immer wertloser werden, wird das ganze Luftschloss implodieren und wir vor dem Scherbenhaufen stehen. Selbst wenn wir das ganze Zeug wieder selber zusammennageln möchten, wer kann das heute noch, wer soll das dann machen und zu welchem Preis? Also besser jetzt noch einen Besen zum zusammenkehren kaufen, solange wir noch welche geliefert bekommen.

Anonym hat gesagt…

der Widerstand gegen die Machtergreifung der echten Nazis ---

Die haben meinen Ahn wieder in Lohn und Brot gebracht, welcher sich Anfang der Dreißiger mit Kraftnummern sowie Catchen auf Rummelplätzen und Kleinzirkussen durchschlagen mußte: Jetzt kommt der große Zampano!
Eine mit grimmiger Erheiterung zu lesende Studie über das Wirken der Spezialdemokraten ist "Bauern, Bonzen und Bomben" von Hans Fallada.