Samstag, 21. November 2020

Stark im Glauben: Die deutschen Medien und die US-Wahl

"Ergebnisabhängige Überzeugungen" nennt die Wissenschaft aktuell raumgreifende Phänomene, die Möglichkeiten leugnen, US-Wahlen zu fälschen.
Aus den deutschen Medien ist die US-Präsidentschaftwahl vollkommen verschwunden, alle Hoffnungen richten sich schon auf eine Zukunft mit dem neuen, alten Mann und eine Wahlperiode, in der das alte Europa und das alte Amerika wieder mehr zusammenrücken. Die massiven Hinweise auf Wahlfälschungen finden kein Ohr in den deutschen Redaktionen - ganz im Unterschied zur Wahl vor vier Jahren, deren Ausgang mit einem Sieger namens Donald Trump bereits wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale nur eine Deutung zuließ: Diese Abstimmung war massiv von außen manipuliert worden.  

Die Spur nach Russland

Die Spur nach Russland war schon gelegt, sie wurde nun zum Thema eines Fortsetzungsromans. Später kamen abenteuerlichste Einzelheiten über mazedonische Teenager und die unfassbaren Summen, die dem Kreml reichten, sich einen Präsidenten zu kaufen. Die Überzeugung, so und nicht anders müsse es gewesen sein, wurde zum Grundton der Trump-Jahre: Die "Russland-Ermittlungen" ernährten nicht nur daheim in den USA Ermittler, Analysten und Senatoren, auch in Deutschland baute eine ganze Spezies von Schreibtischtätern auf diese schärfste Waffe gegen Trump, die am ehesten geeignet schien, das mit dem "Milliardär" (Spiegel) im Weißen Haus aufziehende Unheil für die Welt abzuwenden.

Eine Erwartung, die täuschte. Trump überlebte die Russland.-Ermittlungen, allen Ergebnissen zufolge gab es 2016 keine gezielte Beeinflussung der Wahlen aus Moskau, es gab keinen systematischen Wahlbetrug zugunsten Trumps und es fanden sich keine Hinweise darauf, dass es dem knappen Sieger von 2016 gelungen sein könnte, das "ungerechte Wahlsystem der USA" (Tagesspiegel) unzulässig zu beeinflussen.

Verschiedene Reaktionsmuster

Der Medienforscher Hans Achtelbuscher hat sich die beiden so unterschiedlichen Reaktionsmuster auf Hinweise zu Wahlfälschungen in den USA in den beiden Jahresscheiben 2016 und 2020 genau angeschaut. Mit Hilfe einer großangelegten Studie suchte der renommierte Klaustrophob vom An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung nach Gemeinsamkeiten im Überzeugungsvorrat von Medienproduzenten und -konsumenten: "Wir haben uns gefragt", erklärt Achtelbushcer, "existiert vielleicht ein Konnex zwischen dem unbedingten Glauben an die manipulierte Wahl in Russland 2016 und dem Glauben, die Wahl im Jahr 2020 sei keinesfalls verfälscht worden?"

Die Ergebnisse der jetzt vorgelegten Studie belegen es. "Es gibt tatsächlich einen starken Zusammenhang zwischen der Annahme, dass Russland die Wahlen 2016 manipuliert hat, und der plötzlichen Annahme, dass Wahlen in den Vereinigten Staaten völlig narrensicher, vertrauenswürdig und nicht hackbar sind", sagte Achtelbuscher bei der Vorstellung der ersten derartigen wissenschaftlichen Ausarbeitung. 

Hundert Prozent sicher

Die Angaben, die eigens zu diesem Zweck anonymisiert befragte 1.213 Korrespondenten, Kommentatoren und Reporter gemacht hätten, sprächen ebenso wie die parallel gesammelten Auskünfte von 6.712 Abonnenten von Frankfurter Rundschau, Spiegel, SZ, Taz, FAZ und Stern eine deutliche Sprache. "Es scheint, dass Menschen, die seit vier Jahren nahezu täglich aufgedeckt haben, wie der Kreml den Amerikanern einen Präsidenten seiner Wahl untergejubelt hat, jetzt zu hundert Prozent sicher sind, dass die Wahlergebnisse von 2020 ohne jede Nachfrage oder gar Prüfung als purer, unverfälschter Wählerwille akzeptiert werden können, sollen und müssen", sagt der Studienleiter, der seit Jahren zu Phänomenen wie dem Themensterben in den deutschen Medien, Sprachregelungsmechanismen und dem Einfluss subkutaner Wünsche auf Wahlprognosen forscht.

Für Achtelbuscher ist das keine große Überraschung, sondern Beleg dafür, dass zumindest Teile der Bevölkerung durch mediale Dauerbotschaften durchaus noch erreichbar sind. "Es zeigt sich im Grunde genommen auf ganzer Linie: Wer geglaubt hat, dass Wladimir Putin Wahlmaschinen gehackt, ein paar Meme  bei Twitter kauft und mit einer Armee von Bots im Weißen Haus einmarschiert ist, wo er sich Donald Trump seitdem als Marionette hält, ist jetzt auch überzeugt, dass all das in der ältesten Demokratie der Welt nicht möglich ist."

Ergebnisabhängige Überzeugungen

Hans Achtelbuscher nennt das Phänomen "ergebnisabhängige Überzeugung"  und er vergleicht es mit den Effekten des financial behavior, die Menschen je nach ihrem Einstiegspunkt in ein Investment differenziert dazu fühlen lassen. "Political behavior funktioniert offenbar ganz ähnlich", folgert Achtelbuscher, "wer sich wünscht, sein Kandidat möge gewinnen, hält den Sieg des Gegners für illegal herbeigefälscht, triumphiert hingegen der eigene Favorit, hält derjenige das für das Ergebnis, das aus seiner Sicht schon allein wegen des Siegers dafür spricht, dass es ohne irreguläre Beeinflussung von außen und völlig korrekt zustandegekommen ist." 

Das hierzulande schmale mediale Echo auf die in den USA durchaus lautstarke und anhaltende Diskussion um möglichen Wahlbetrug hält Hans Achtelbuscher denn auch für ein überzeugendes Indiz für die große Breite und Geschlossenheit der  deutschen Medien. "Man spricht mit einer Stimme beziehungsweise man sagt gar nichts, weil das vorliegende Ergebnis so gut ist, dass es nicht anders als vertrauenswürdig und legitim sein kann."


3 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

>> 6.712 Abonnenten von Frankfurter Rundschau, Spiegel, SZ, Taz, FAZ

Das sind ja alle. Starke Leistung von Achtelbuscher.

ppq hat gesagt…

er ist doch wissenschaftler. und deshalb gründlich

Anonym hat gesagt…

Warum fliegt Angela Merkel nicht nach Südafrika, spricht dort ein energisches Machtwort und beendet diesen Spuk? Im Februar hat das doch auch gut geklappt.