Mittwoch, 11. August 2021

Wahlkampfkoma: Die traurige Tristesse der Twitter-Demokratie

Als der traurige Bürokrat Martin Schulz zur Bundestagswahl antrat, war Leidenschaft zumindest noch als Rollenspiel gefragt.

Was waren das damals für leidenschaftliche Schlachten. Marktplätze, auf denen sich die Menschen drängten. Politische Riesen, die einander zum Gaudi des Publikum mit üblen Schmähungen überzogen. Messer zwischen den Lippen. Die Faust in der Luft. Offene Feldschlachten, die Schicksalswahlen entschieden, denn Schicksalswahlen waren es immer, die anstanden. Weichenstellungen waren vorzunehmen, nach links oder rechts. Freiheit oder Wohlstand oder das Überleben der Menschheit, es ging immer um alles und niemand musste sich schämen, wenn er mit allem in den Ring zog, was er hatte. Schmidt, Wehner, Kohl, Geißler, Blüm, Brandt und Strauß, aber auch Genscher, Westerwelle, Schröder und Fischer, sie trugen Namen wie ausgedacht für deutsche Politritter. Und sie fochten vor aller Augen mit offenem Visier und ohne jemals aufs Kleingedruckte zu verweisen.

Blasse Erinnerungen

Eine Tradition, die heute wirkt wie eine blasse Erinnerung aus einer Zeit, als Beleidigtsein noch keine Beruf war. Schon mit der Kampagne zur ersten Wiederwahl der ersten deutschen Kanzlerin vor zwölf Jahren prägte ein neuer Ton in die politischen Kämpfe: "Wir haben die Kraft" plakatierte die Union und ließ eine Parade von Politdarstellern, Hochstaplern, Rechtspopulisten und falschen Doktoren aufmarschiere, die heute nicht einmal als gespielter Witz Erfolg hätte. Damals reichte es, wieder zu siegen, denn die Republik war unterwegs in einen Seelenzustand, der Konflikte möglichst vermied und jeden Dissens in einer Sache als ungehörige Verletzung des demokratischen Konsensprinzips verurteilte.

Wie Schlafwandler stolperten die Deutschen seitdem in jede Wahl. Nie wurde vorher darüber geredet, was nachher zu tun sein wird. Nie hat sich irgendwer darüber beschwert. Merkels "Sie kennen mir" von 2017 war ein Zeichen dafür, dass es sich nicht lohnt, auf konkrete Hinweise dazu zu warten, was wer tun würde, wäre er erst in der Lage, es tun zu können. Die eigentlich sozialdemokratische Idee vom rundumbetreuten Leben, in dem ein vormundschaftlicher Staat liebevoll dafür Sorge trägt, dass niemand vom Wege abkommt, hatte nun alle Parteien ergriffen. 

Sehnsucht nach Harmonie

Auf der Bühne fetzte man sich nicht mehr, nicht einmal im Fernsehstudio. Die alternde Gesellschaft sehnt sich nach Harmonie, sie hasst den, der dem Konsens widerspricht. Damals, das Wort "Querdenker" hatte die Verballaufbänder der Bundesworthülsenfabrik in Berlin (BWHF) noch nicht verlassen, endete die Zeit der Wahlkämpfe auf Straßen und Plätzen, die riskante Konfrontation der Ideen der einen Partei mit denen der anderen, der Schwanzvergleich bei Charme, Charisma und Überzeugungskraft. Jede politische Formation war nun im Grunde für alles, nur im Detail nicht, für Details aber ist im Wahlkampf kaum Zeit. Statt "Freiheit statt Sozialismus" (CDU) oder "Der Osten wählt rot" (PDS) oder "Gegen den totalen CSU-Staat" (SPD) versprachen die Parolen aller jetzt allen alles.

Jeder hatte Klima dabei, jeder würde für Gerechtigkeit sorgen, Frieden auch, Wohlstand sowieso, Europa indeed. Keine Schulden, bessere Bildung, mehr hiervon und noch mehr davon. Die falschen Doktoren, die diesmal am Start waren, hatten einen feministischen Zug und ihren Überlebenskampf würden sie später nicht im richtigen Leben, sondern bei Twitter und Facebook absolvieren, ein wenig beleidigt wirkend, dass das nun doch noch sein muss, obwohl es doch vollkommen egal ist, ob man sich als Man fühlt, als Frau, etwas Drittes oder promoviert.

Wettbewerb um die Wählergunst

Die Pandemie tat dann ein übriges. War mit dem Jahr 2015 und seinem "Zustrom" (Merkel) die Entscheidung gefallen, dass es in einer echten Demokratie kein Dagegen geben kann, wenn eine Mehrheit für ein Dafür ist, setzte sich nach der gelungenen Beilegung der Krise die Auffassung durch, dass der inhaltliche Konflikt ein verzichtbares Ornament im Wettbewerb um die Wählergunst ist. Alle waren ja nun sowieso immer für alles, allenfalls leicht abgestuft in der Gewichtung. Alle würden, wären sie die, die nach der Wahl die Macht hätten, dasselbe tun, ein wenig schneller oder langsamer, ein wenig fröhlicher oder ernsthafter, mit besseren Erklärungen oder ohne. Warum also streiten?

Zum Glück geht das nun auch nicht mehr. Der Wahlkampf 2021 ist blutleer wie Olympia, eine virtuelle Veranstaltung aus Programmvorstellungen, Deichgrafauftritten, Befragungsrunden im Fernsehen und sorgfältig inszenierten Treffen mit handverlesenen echten Menschen. Vieles erinnert an die Wahlkämpfe der DDR, wichtige Frauen und Männer laufen aufmerksam lauschen durch Fabriken, Labore und Büros, in denen der klimagerechte grüne Volkswohlstand der Zukunft produziert wird. Auf Plakaten heißt es sinngemäß wie damals "Der Jugend Vertrauen und Verantwortung" und "Gleiche Leistung, gleicher Lohn". Niemand macht etwas falsch, keiner tut überhaupt etwas, denn wer wartet, gewinnt, und wer sich bewegt, kann nur verlieren. 

Der Wahlkampf ist ein einziges Wahlkampfkoma. Kein Mienungsstreit, keine Richtungsdiskussion. Keine unterscheidbaren Ansätze, wohin das Land steuern und wie es weiter betrieben werden soll. Eine große Einigkeit ist überall, niemand verliert sich mehr im Kleinklein der Tagespolitik. Alles ist menschheitsrelevant, lange Linien, die sich in der Mitte des Jahrhunderts kreuzen werden. Eine Strategie, bei der das aktuelle Wahlvolk gar nicht mehr für sich abstimmen muss. Einmal zur Einsicht gebracht, dass es um viel mehr geht als das kleine eigene Leben, bestimmt es mit seinem Kreuz die Herrscher der Zukunft, eine politische Klasse, die vielleicht nicht in der Lage ist, zu wissen, was sie vergangene Woche getan hat und nächste Woche tun sollte. Dafür aber mit einem traumwandlerischen Gespür für das Unumgängliche jeweils exakt die richtigen Maßnahmen trifft, um die Bewohnbarkeit der Erde jenseits des Jahres 2050 sicherzustellen.

Die einzigen Aufreger liefern die fantasiereichen Wasserstandsmeldungen der Demoskopen, der Rest ist Ferienstimmung, Warten auf den Fehltritt eines Konkurrenten, nicht festlegen, nirgendwo auftreten, möglichst leise durch die Wochen schleichen. Es gewinnt, wer unauffällig bleibt, sich nicht ver- und allen anderen alles verspricht, wer die Fehler der Konkurrenz nutzt und den Wählerinnen und Wählern den Eindruck vermittelt, das kleine Übel zu sein.



2 Kommentare:

Komakomiker hat gesagt…

Teil 1

Wahlkampf?

In einem Einheitsparteiensumpf, wie es ihn bereits zu Adolfs und Erichs Zeiten gab?
Mit einem Einheitsbreivolk, wie man es bereits zu Adolfs und Erichs Zeiten vorfand?

Wen wird der Mehrheitspöbel in medial eingehämmerten Krisenzeiten wohl wählen außer die ihm aus der Presse gut bekannten Führer und Hirten?

Instinktgesteuertes Nutzvieh strebt nach sicherem Stall und regelmäßigem Futter, nicht aber nach Freiheit, denn Freiheit bedeutet ihm Risiko und Gefahr. Die Herde jedoch bietet dem wenig wehrhaften Individuum Schutz und Geborgenheit. Gemeinschaft als Überlebensmodell, denn im Schwarm erhöht sich die Chance, dass der Nachbar und nicht man selber vom jagenden Fleischfresser erwischt wird.

Mit Freiheit hat die archaisch triebkontrollierte Masse also nix am Hut, wie Pauschalreisen es beweisen: Alles von A nach B und zurück minutiös durchgeplant, damit es keine die Bürger verunsichernden "Überraschungen" im kollektiven 08/15-Genuss gibt. Und dazu eine dicht an dicht Stranderholung wie Sardinen in der Konservendose. Quasi die heimische überfüllte Großstadt, nur 2-4 Wochen mit mehr Sonne und Meeresufer. Dieselben Restaurants, dieselben Flittershops aber dennoch voll exotisch, weil man die Schilder nicht lesen kann.

So mag es der Prekariats-Normalo am liebsten. Keine Experimente, besonders nicht in hysterischen Krisenzeiten wie einer Pandemie. Also schnell noch die Dabeiseindürfen-Suppe spritzen lassen, und eine Bratwurst gibt es gratis auch noch dazu.

Es lebe die nimmersatte Völlerei wie im Schlaraffenland, wo einem das saftige Obst direkt ins offene Giermaul wächst und man sich vorbei fliegende Brathähnchen kinderleicht schnappen kann. Darum geht es der Masse, nur darum. Oder meint jemand, wegen Klimaschutz würde weniger konsumiert? Hat der Lockdown nicht bewiesen, wie wenig unser Haben wollen gebremst wurde? Die Unmengen an Shoppingdrogen hat man sich zwar nicht mehr vor Ort besorgt, dafür aber beim durchgängig offenen Versanddealer.

Nimm der FFF-Jugend ihre Handys weg und du musst sie alle neu einkleiden ... mit Zwangsjacken. Das ist die psychische Realität im Idiotenparadies Deutselan.

Was also können wir zukünftig erwarten?

Grenzdebile Regenbogendiverse, die beim queerbeet vögeln zwitschern?

Komakomiker hat gesagt…

Teil2

Ich will keinem fleißigen Osteuropäer seinen Saisonjob weg nehmen, aber schickt endlich mal unsere parasitär faulen Nassauer als Erntehelfer auf die Äcker. Auch Straßenkehrer wäre im Angebot und Winterdienst ein sportliches Plus. Essen gibt es nur nach erbrachter Leistung. Ratzfatz wären alle diese wohlstandsverwahrlosten Irren geheilt.

Sobald der Wahnsinn jedoch in der Mehrzahl ist, gilt er als Normalität. Das ist die Lage dieser entarteten Nation. Da braucht es noch viele Jahrhundertfluten, bevor diese Penner wach werden, falls sie ihre selbst gebastelte Dummheitsinfrastruktur überleben.

Da starben kürzlich etwa150 Schildbürger an ihren dämlichen Fehlplanungen und behördlicher Inkompetenz bei Katastrophenalarm, und dennoch haben sie nur eine Sorge: Schnell aufräumen und genug Hilfsknete, um ihre Todesruinen zu renovieren. Aufhübschen, bis der nächste Starkregen in allen Wetterberichten tagelang zuvor angekündigt aber komplett ignoriert wird. Wahrlich ein Volk ganz besonderer Dichter und Denker. Nicht mal mehr bei Olympia schaffen diese heldenhaften Zeichensetzer es noch, einen Winzling wie die Niederlande im Medaillenspiegel zu besiegen. Versagen als neue deutsche Kardinaltugend, um niemanden zu diskriminieren bzw. in seinen absurden Gefühlen zu verletzen..

Hauptsache, mehr Flüchtlinge. Sie mögen es offensichtlich, wenn mehr vergewaltigt und gemordet wird. Ein Psychopatenvolk auf Weltrettermission.

Unsere Wahl interessiert woanders keinen, denn die haben genug eigene Problembärchen, die sie gerne zu uns schicken möchten, um sie los zu werden, Und wir Müllschlucker freuen uns auf diesen globalen Abfall. Geht es noch irrer? Noch pervertierter?