Donnerstag, 26. Mai 2022

9-Euro-Pflicht: Kontrollen gegen Ticketleugner

Ein Neuneuroleugner weigert sich ohne jeden Grund, bei einer Kontrolle sein Ticket vorzuweisen. Ohne Beharrlichkeit und Überzeugungskraft geht es dann nicht.

Juhu, wir haben den Spar-Schein!", jubelten sie in München, anderswo bildeten sich lange Schlangen, im Internet brachen unter der Nachfrage Tausender nach dem 9-Euro-Ticket sogar kurzzeitig die digitalen Infrastrukturen zusammen. Die Idee der Bundesregierung, die durch Krieg, Pandemie, Inflation und Klimakrise gedrückte Stimmung im Lande über die Ferienmonate mit Hilfe eines beinahe kostenlosen Nahverkehrs aufzuheitern, geht offenbar auf. Medial ist das Neun-Euro-Ticket jetzt schon ein Erfolg. Tage vor dem Beginn der großen Bundesreisewelle hat berichterstattungsmäßig jeder mindestens eins.

Spar-Schein für alle

Überall im Land freuen sich Menschen wie Charlotte Friedrich (21) und Lucas Rothenbusch (20) überschwänglich über den neuen "Spar-Schein für alle" (TZ), der verspricht, Millionen und Abermillionen Menschen in den kommenden Monaten Reisen zu ermöglichen, die sie sonst niemals angetreten hätten. Jubelnd stehen die Glücklichen vor den Verkaufsstellen, man herzt sich und umarmt sich und wünscht sich gute Reise. Die Bahn plant schon mit tausenden zusätzlichen Hängern und Zügen, um die Nachfrage decken zu können. Der Klimabeitrag des ÖPNV in Deutschland könnte sich dadurch um bis zu ein Drittel erhöhen, so dass Experten damit rechnen, dass nach dem Auslaufen der großzügigen Regelung im September ein spürbarer CO2-Spareffekt eintritt.

Dazu aber müssen jetzt möglichst viele Bürgerinnen und Bürger mitmachen und zwischen 1. Juni bis zum 31. August mit S- und U-Bahnen, Sraßenbahnen und Bussen fahren, nicht nur in der eigenen Stadt, sondern an den Wochenenden auch deutschlandweit zu angesagten Ausflugszielen oder Exkursionen in Städte, die normalerweise niemand besucht. Doch was die einen loben - "endlich mal was für den kleinen Mann", ist etwa der Münchner Max Brenner (81) begeistert - lehnen andere nach wie vor störrisch ab. 

Im Tesla-Tempo nach Sylt

Zu voll die Züge, zu wenig reizvoll Ausflüge in Regionen, die zur selben Zeit von allen besucht würde. Der Ausreden gibt es viele, nicht alle überzeugen angesichts der Bedeutung, die die Entlastung aller vor allem in Zeiten von Finanzstabilität und Inflation hat. Obwohl die Bundesregierung in einer nationalen Anstrengung dafür gesorgt hat, im Tesla-Tempo Fahrkartenverkäufe an Automaten, Kiosken, im Internet und über spezielle Apps möglich zu machen, sind längst noch nicht alle Bürger*innen bereit, freiwillig beim "Ansturm auf das 9-Euro-Ticket" (n-tv) mitzumachen.

Ohne bundesweite Kontrollen, wie sie zuletzt während der Corona-Jahre von Ordnungsämtern, den Betreibern der Luca-App und stichprobenartig auch von der Polizei zu Themen wie Impf-, Masken- und Abstandspflicht durchgeführt wurden, wird es also womöglich nicht gehen. Um sogenannte Ticket-Verweigerer und Neuneuroleugner ausfindig zu machen, setzen die Behörden auf eine straffe, aber anlasslose Kontrolle der ab 1. Juni geltenden großzügigen Entlastungsregelungen. 

Mobilitätsstreifen fassen scharf nach

Auf Verlangen der als nunmehr als Mobilitätsstreifen eingesetzten Mitarbeiter von Ordnungsämtern und Polizei müssen Bürgerinnen und Bürger dann ihr 9-Euro-Ticket vorweisen - oder ein Attest, das ihnen eine Mitfahrfreiheit aus gesundheitlichen Gründen bescheinigt. Aufgabe der Kontrolleure werde es sein, Reisedruck auf Säumige aufzubauen, heißt es im politischen Berlin. Mit Blick auf die Ostflanke, das anstehende Ölembargo und den kommenden Winter seien die Entlastungsziele des Zweiten Entlastungspaketes nur durch breite Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zu erreichen.

Im Fall von Verstößen gegen die - vorerst noch freiwillige - Mobilitätspflicht soll in den ersten Wochen "maßvoll" mit Säumigen umgegangen werden, die noch kein 9-Euro-Ticket vorweisen können. Statt Bußgelder zu verhängen, weil die erforderlichen Tickets nicht am Mann geführt oder gar noch nicht einmal erworben worden seien, solle "mahnend und überzeugend" (BWHF) auf mutmaßliche Ticket-Kritiker zugegangen werden. Erfasst werden allerdings die Kontaktdaten, um bei später durchgeführten Nachkontrollen abprüfen zu können, ob Betroffene die zuvor beanstandeten Mängel behoben hätten.


8 Kommentare:

Hase, Du bleibst hier.... hat gesagt…

Ich bin ja mehr so für das NeunEuroTankvollTicket. Vielleicht kommt das ja noch als letzte Patrone im Abwehrkampf gegen den Volkszorn. Schönen Feiertag !

Anonym hat gesagt…

@ Hase, Du bleibst hier

Das würde all jene Prekariatenden ganz schlimm diskriminieren, die sich klimaschonend ohne Auto durchs teure Sanktionsleben quälen müssen.

Und wie weitkommt man mit 9 Euro beim tanken? Das sind in Naturalien etwa 4 Liter und damit kommen selbst die sparsamsten Verbrenner keine 50 Km weit und wieder zurück. Für denselben Preis einen ganzen Monat in Bummelzügen quer durch Schland zu reisen und für ein Bierchen hier und dort mal auszusteigen um einzukehren, klingt viel verlockender.

Die multikulturelle aromatische Fülle in schlecht oder gar nicht klimatisierten Zügen muss man aber mögen und stundenlang aushalten können.

Dann kann's ein geiler Heimat-Trip werden.

Anonym hat gesagt…

Gut, dass Zeitreisende uns schon mal Videos mitbringen, in denen uns zukünftige Vorfälle gezeigt werden.

Ich weiß nicht, was die Ursache dieser Attacke seitens der Übermacht unserer 'Freunde und Helfer' ist, aber besonders kundenfreundlich sieht diese Aktion nicht aus.

Preisfragen:
Was nützt einem Prekariat, das seinen durch idiotische Sanktionen extrem verteuerten alltäglichen Lebensunterhalt nicht mehr bezahlen kann, ein preiswertes Reiseticket? Wie soll das klappen? Früh morgens los und abends zurück? Oder gibt es für Übernachtungen und außerhaus essen auch Sozialamts-Gutscheine?

Ich sehe auf die verführten Schnäppchenjäger also eher Zusatzkosten als Preisnachlässe zukommen, zumal man auch in günstigen Bummelzügen nur von Bahnhof zu Bahnhof kutschiert wird, von da ab auf sich gestellt ist und auf eigene Kosten reist. Selbstverständlich aber kann man auch in jedem Kaff pausieren und gesunde Landluft schnuppern. Viele sensible Städter aber vertragen die ganz schlecht und klagen dann über Übelkeit und Brechreiz, denn Natur verströmt oft ein herbes Aroma.

Welches Ziel soll der buntesdeutsche Habenichts also ansteuern, um sich nach der steuergeld-alimentierten Urlaubsreise erholt wieder aufs heimische Sofa lümmeln zu können bis die nächste Stütze kommt? Auch anderen beim täglichen Weg zur Arbeit zuzuschauen, kann sehr anstrengend und ermüdend sein.

Da fehlt also noch so etwas wie die Mittagsschlafprämie für aufmerksame Beobachter des Leistungsträgers.

ppq hat gesagt…

das ist doch nicht so schwer. auf andere gedanken kommen. mal raus aus der bude. das gefühl, etwas geschenkt bekommen zu haben, sorgt immer für gute laune.

Die Anmerkung hat gesagt…

>> Die Bahn plant schon mit tausenden zusätzlichen Hängern und Zügen, um die Nachfrage decken zu können.

Viehwaggons?

Anonym hat gesagt…

Schöne Filmszene, ja, Lob an die beteiligten Genossen Volkspolizisten für ihren entschlossenen Einsatz gegen den Provokateur.
Als Steuerzahler habe ich das Neuneuroticket schon ca. 10000 Mal bezahlt, auch ohne Bahn zu fahren, und habe es mich gern was kosten lassen, nicht zusammen mit Prekarierten auf lauten, zugigen Bahnhöfen rumstehen zu müssen.

Anonym hat gesagt…

@ ppq

Vor wenigen Tagen hat ein TV-Reporter die Bedingungen einer solchen 9€-Bahnreise vom Hbf München nach Rügen durchgespielt.

In fast leeren Regionalzügen mit etliche Umsteigezwängen, die nur bei Pünktlichkeit klappen. Bis zum Zielort hatte er nach seinem Start um 4:30 Uhr dann 16 lange Stunden Zeit für andere Gedanken. Und abends am Ziel war's fast dunkel und musste noch ein Nachtquartier gesucht werden, das extra zu Buche schlägt.

Alles in allem also ein echtes Outback-Abenteuer fürs arme urbane Gewohnheitstier.

Dabei kann wirklich nur gute Laune aufkommen. Besonders dann, wenn es in Sommerhitze dann noch proppevoll, laut und verschwitzt zugeht.

Der Reporter jedenfalls spürte trotz angenehm temperierter geräumiger Weichspülversion wenig davon. Der war am Günstigziel seiner Preiswertreise nur erschöpft.

Ob sich das lohnt bzw. auszahlt, muss und wird jeder für sich entscheiden müssen.

Aber auch Folter, die einem geschenkt wird, wird dadurch sicher zum Glücksgefühl.

Anonym hat gesagt…

Den jandsen Tach nur am Fressen!

https://i.postimg.cc/hGXKdYGZ/9euro.jpg