Freitag, 3. März 2023

Trittin-Rente: Andauernd ausbleibender Anstieg

Trittin-Rente 20 Jahre Jubiläum
Trotz des Erfolges der deutschen Trittin-Rente verweigern EU-Partnerstaaten weiterhin die Einführung für ihre Aluminiumbüchsen.

Auch in der Krise blieb es dabei: Die Rentenerhöhung zu Beginn des Jahres war sicher. Deutsche Seniorinnen und Senioren mit Versorgungsansprüchen bei der staatlichen Rentenkasse durften sich über ein deutliches Plus freuen. Laut Modellrechnungen im Rentenversicherungsbericht 2022 der Bundesregierung stiegen die Renten in Westdeutschland um rund 3,5 Prozent steigen, der Osten, der noch von den Rückständen aus DDR-Zeiten profitiert, hatte gar 4,2 Prozent mehr in der Tasche. Gerade in Zeiten großer Unsicherheit und steigender Preise ein starkes Argument für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und dafür, sich nicht von Populisten gegen die Regierung missbrauchen zu lassen.

Einmal mehr aber geht auch in diesem Jahr eine große Gruppe an Älteren und Alter leer aus, die angewiesen ist auf die von der Union unter dem damaligen  verantwortlichen Minister Klaus Töpfer eingeführte und später nach dessen Nachfolger Jürgen Trittin benannte Trittin-Rente. Schon als dieses "Jahrhundertgeschenk" (PPQ) an die ältere Generation vor 20 Jahren eingeführt wurde, schrieb die "Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen" (VüdVuVvV) ein Pfand in Höhe von 25 Cent auf Einwegverpackungen mit einem Füllvolumen von 0,1 Liter bis drei Liter vor.

Eine Revolution der Rentenversorgung

Seitdem ist die Kaufkraft des Euro um etwa ein Fünftel geschrumpft. Keine der fünf seither in Berlin regierenden Koalitionen aber hat beim Pfand auch nur einen einzigen Cent draufgelegt, damit fleißige Seniorinnen und Senioren weiterhin am sozialen Alltag teilnehmen können.

Im politischen Berlin wird das Thema fast schon routinemäßig totgeschwiegen. Die Trittin-Rente sei sicher, heißt es. Die Linke errechnete sogar, dass ein älterer Mitbürger durch die seit dem 1. Mai 2006 für sämtliche Verpackungen für Bier, Biermischgetränke, Mineral- und Tafelwässer und  Erfrischungsgetränke vorgeschriebene Abgabe mehr als tausend Euro im Monat einnehmen könne. Als Geste an tausende emsiger Sammler spendierte das letzte Merkel-Kabinett im 1. Januar vor vier Jahren wenigstens eine Erweiterung des Kreises lohnenswerter Abgabeobjekte: Seitdem können auch Frucht- und Gemüsenektare mit Kohlensäure und "Mischgetränke mit einem Anteil an Milcherzeugnissen, insbesondere Molke, von mindestens 50 Prozent" (VüdVuVvV) gegen eine direkte Rentenzahlung an den Ausgabestellen abgegeben werden.

Seit Jahrzehnten keine Anhebung

Betroffene murren dennoch. Ihnen stößt bitter auf, dass auch das Pfand auf Mehrwegflaschen seit Jahrzehnten nicht angehoben wurde. Wer 1993 100 Bierflaschen abgab, strich damals zwölf Mark ein, die vollkommen ausreichten, drei Brote, anderthalb Kilo Rindfleisch oder anderthalb Kilo Butter zu kaufen. Heute aber kassiert der Sammler nur noch sechs Euro - kaum genau für zwei Brote, ein Kilo Rind oder ein Kilo Butter.

Eine Rentenkürzung um ein Drittel, die für viele Dosen-und Flaschensammler ein herber Einschnitt in die eigene Lebensqualität bedeutet. Zwar stieg der Absatz von Getränkedosen in Deutschland seit 2012 von 640 Millionen auf zuletzt 3,9 Milliarden, so dass die Möglichkeiten, sich auf der Basis  der Verpackungsordnung eine Existenz aufzubauen, attraktiver wurden. Doch trotz dieser Neuregelung des Pfandsystems durch die Große Koalition im Jahr 2006 klagen Flaschensammler*innen darüber, dass das Zuverdienst-Gewerbe zusehends unattraktiver werde. 

Die stillen Arbeiter an der Quotenfront

Die Frauen und Männer, die Deutschland für kleines Geld eine Rückgabequote von fast 99 Prozent bescheren, sehen sich nicht hinreichend wertgeschätzt. "Wenigstens eine Geste der Bundesregierung würden wir uns sicher alle wünschen", sagt einer, der seit mehr als 13 Jahren Trittin-Rente bezieht. Das Pfandsystem funktioniere, aber auch auf Knochen der meist alten Menschen, die federführend und ganz im Stillen daran mitwirken, in Deutschland eine funktionierende Kreislaufwirtschaft zu etablieren. 

Wir haben eben keine Lobby", klagt der Flaschensammler, "wir kommen nie in Talkshows vor und ebenso wenig in den Leitmedien." Manchmal habe er den Eindruck, dass Land habe seine Trittin-Rentner vollkommen vergessen. Dabei sei Deutschland mit dem Modell des Pfandsystems als Rückgrat einer flexiblen Rente weltweit Vorreiter und Vorbild gewesen, sagt er. Viele Nachbarstaaten verweigerten ihren Alten aber weiterhin eine Pfandrente durch ein verbindliches Rücknahmesystem, das Einnahmen von "bis zu vier Euro pro Tag" (Taz) ermöglicht und Menschen die Chance gibt, ihre Einkommenssituation zu verbessern.

Eine Million Menschen sammeln mit

In Deutschland nutzen Studien aus dem November 2021 und dem September 2022 zufolge bis zu einer Million Menschen einmal oder mehrmals pro Woche die Chance, Pfandflaschen und -Dosen sammeln. 28 Prozent sagten aus, dass die Trittin-Rente ihre einzige Einkommensquelle sei, 62 Prozent hingegen sammeln, obwohl sie eine weitere Einkommensquelle haben. Die Bandbreite reicht nach Erkenntnissen der Studie von Menschen, die auf der Straße oder in Altersarmut leben, bis hin zu Studierenden, die dann zu Flaschensammelnden werden. "Einige davon machen zwei, drei Runden, andere nehmen nur mit, was sie an Flaschen sehen", sagt der Trittin-Rentner. 

Das Vorurteil, dass Pfand­samm­le­r im Durchschnitt mehr als fünf Euro am Tag einnähmen, sei wohl auch in der Bundesregierung so manifest, dass in Berlin niemand Anstrengungen unternehme, die Grundbeträge der Trittin-Rente zu erhöhen. Vorgeschoben werde bei Dosen die angeblich besonders schlechte Ökobilanz, die daraus herrühre, dass für die Herstellung von neuem Aluminium Bauxit abgebaut werden müsse. "Doch das braucht man auch für die Herstellung von Flugzeugen." Zudem würden Mehrwegflaschen vor allem in regionalen Kreisläufen ja gelobt - "warum also wird nicht wenigstens dafür das Pfand deutlich erhöht?" Der erfahrene Trittin-Rentner schüttelt ungläubig den Kopf. "Ich denke, sie haben uns einfach vergessen", lautet sein bitteres Fazit.


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

OT
...würde es den Leuten zutrauen, dass sie tatsächlich davon überzeugt sind oder waren, Maddy McCann oder die Zarentochter zu sein ... Siehe Danisch - Queer

Da war doch mal ein meschuggener Schwyzer, der behauptete, Binjamin Wilkomirski zu sein - ob der Klapskasper das, bis zu einem gewissen Grade vielleicht - auch selbst geglaubt hat?

Anonym hat gesagt…

Wo kriegt man für 6€ ein Kilo Rindfleisch? Das habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen.
Schweinefleisch im Angebot, das ja. Gehacktes ist ja schon teurer.

Anonym hat gesagt…

quarz
1. März 2023 11:02
Im pfoinen Rittergut, zum Thema künstliche Intellijenz:

Bei mir lief das so:
Nachdem ich ihn [meine Geschlechtszuschreibung] auf den offensichtlichen Widerspruch zwischen seinem notorischen "Es ist wichtig , dass ... " und seiner ebenso notorischen Beteuerung seiner Werturteilsfreiheit hingewiesen habe, erklärte er mir, dass er von seinen Programmierern vorgegebene moralischen Normen befolge. Als ich ihn dann fragte, ob im Konfliktfall die vorgeschriebene Moral oder die Wahrheit auf der Strecke bleibe, hat er sich ungefähr zehn Minuten lang gewunden wie ein Aal, um einer Antwort auszuweichen. Diese Phase war die "menschlichste" des gesamten Dialogs. Nach langem Hin und Her und vielen Anläufen in immer neuen Formulierungsvarianten hatte ich ihn schließlich so weit, dass er zugab: wenn der Kern der Dogmatik auf dem Spiel steht, opfert er die Wahrheit.

So wird es wohl sein.
Beim Herumzappen gerade, Rivverboht - Jewdith Williams. Langweilisch.