Donnerstag, 6. April 2023

Er ist wieder da: Trump und Fetisch der deutschen Medien

In zwei Wellen lieferte Trump den deutschen Medien schon Stoff für empörte Berichte, Schreibtischreportagen und Analysen. Die Hoffnung in der krisengeschüttelten Branche ist groß, dass es wieder losgeht.


Er kam, sorgte für Entsetzen, wurde ausgelacht, verhöhnt und zum Verderber der Menschheit erklärt. Dann siegte er bei der amerikanischen Präsidentenwahl und entpuppte sich als Goldgrube: Über vier Jahre hinweg lieferte Donald Trump zuverlässig Schlagzeile um Schlagzeile, der alte Mann auf dem Platz, von dem aus die zumindest die westliche Welt regiert wird, füllte Zeitungsspalten und Magazinseiten, er war Gegenstand von Enthüllungsstories und Gossip, er drohte den Globus in einen Atomkrieg zu stürzen, sich mit Putin zu verbrüdern, die Demokratie abzuschaffen und jeden zu bestrafen, der es wagte, ihm nicht zu Willen zu sein. Bis ins Kinderbuch schaffte es die Warnung, der Gottseibeiuns sei gekommen, die artigen Kinder zu holen. In Gestalt des Kartoffelmanns.

Comeback des Kartoffelmannes

Niemand seit Hitler war böser, perfider und mächtiger, niemandem widmeten sich die deutschen Medien als am schlimmsten betroffene Gebiete mit solcher Akribie und Hingabe. Trump wurde zu einem eigenen Genre, es gab eigene Trump-Bekämpfungsressorts und speziell geschaffene Newsletter, die sich ganz allein der Aufgabe widmeten, die Menschen draußen im Lande tagtäglich aufzuklären über die fürchterlichen Pläne des Amerikaners, der es ihnen endlich wieder erlaubte, Anti-Amerikaner zu sein. 

Es war ein Fetisch, selbstbewusst öffentlich ausgelebt, wie es sich in diesen Zeiten einer Privatheit gehört, in der Nachbarn, Kollegen und Wildfremde regelmäßig aus dem Haus gehen, um ihre sexuellen Vorlieben, gesundheitlichen Probleme und körperlichen Defizite vor aller Augen auf dem Marktplatz auszubreiten. "Die Angstmaschine" ("Zeit") war "irre" (FR), "wahnsinnig" (Spiegel), ein "Hassprediger" (Steinmeier) und ein "Kriegstreiber" (taz), durch eine "plunderhafte Inszenierung" ins Amt gekommen und die Hektotonnen Tinte nicht wert, die über ihm vergossen werden musste, um die Welt vor  "Trumps verdächtiger Geheimniskrämerei" zu warnen, mit der er "jedem Tag länger Schaden anrichtet". 

Der Spalter bringt Quote

Sagenhafte 31 Titelbilder widmete der "Spiegel" dem Versager im Weißen Haus, in dessen Sog ein vergessenes Genre auferstand: In Kompaniestärke schwärmten deutsche Investigativreporter durch die Diners und Farmen des mittleren Westens, um der Spaltung Amerikas näherzukommen. Auf diese Weise entstanden Kostbarkeiten moderner Science-Fiction-Literatur, aber auch messerscharfe Analysen über Fehler, die in Deutschland niemals gemacht werden könnten, weil eine kritische Presse derartige Umtriebe ohne Ansehen der Person aufdecken würde.

In zwei großen Wellen nährte Donald Trump die Branche, in keinem einzigen Augenblick vermochte es sein Nachfolger Joe Biden, auch nur annähernd als Ersatz einzuspringen. In Mediendeutschland mussten nach dem niedergeschlagenen Bürgerkrieg im Januar 2021 Ressortzuschnitte neu geordnet werden. Führendste Trump-Bekämpfer wechselten geschlagen und frustriert aus der Privatwirtschaft in den Gemeinsinnfunk. Andere verstummten mangels Nachfrage. Der gesamte Bereich der USA-Berichterstattung geriet in eine tiefe Krise: Die Anzahl der Berichte über die schlimme Spaltung dort sank um 75 Prozent. Die Zahl der entsetzten Schreibtisch-Reportagen über red necks und bible belt schrumpfte auf Null. Insgesamt wurde Deutschland nun mehr über das verfeindete Russland informiert als über seinen größten Verbündeten.

Aussicht auf die Abrechnung

Erst die Aussicht auf eine große Abrechnung vor Gericht nährt nun Hoffnungen, dass  Trump noch einmal gehen könnte wie alte Hefe, dass der 76-Jährige den Stoff liefert, für den Joe Biden nicht taugt, dass eine Renaissance des "Teufel Trump"-Topos wieder starke Bilder bringt, Coverkarikaturen voller Wortspiele und Weltuntergangsfantasien, wie sie Wladimir Putin nie verehrt worden sind. Wie aus einem schlimmen Alptraum geweckt, in dem stets die Gefahr drohte, dass deutsche Medien gezwungen gewesen wären, über deutsche Regierungschefs zu berichten, weil sich aus den sterbenden Regionen Amerikas und dem besorgniserregende Zustand der Demokratie in Übersee nicht mehr genug Sahne schlagen lässt, sind sie zurück auf der Bühne, die Warner, Mahner und Aufdecker, die ihre Mission nicht vergessen haben.

Der Wahnsinn ist zurück", analysiert die Süddeutsche Zeitung das Verhalten einer Branche sinngemäß, der Maß und Mitte ebenso wie die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, längst verlorengegangen sind. Zwischen 49-Euro-Ticket, Habecks Wiederaufbauangebot an die Ukraine, dem Heizungstausch und dem Ärger bei Bayern München rundet Donald Trump zusammen mit anderen bunten Sternchen nun endlich wieder das Unterhaltungsangebot ab.


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

SZ:
Donald Trump erscheint als erster ehemaliger US-Präsident vor Gericht - und die amerikanischen Politik-Medien drehen völlig durch.


Die Eigenwahrnehmung dieser Leute ist nicht gesund.

SZ:
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Lol sicher.

Die Anmerkung hat gesagt…

Günther Simon war auch nur Sohn seiner Klasse, so wie Trump der Ernst der USA.

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Führer seiner Klasse wäre er aber schon gerne.

Anonym hat gesagt…

ist Trump heimlich Kommunist ?

Anonym hat gesagt…

Günther Simon war auch nur ...
der Vater von Alfons Zitterbacke. Außerdem Werner Seelenbinder. Mit Peter Dommisch als rasch entschlossenem, tölpelhaften SA-Mann: Ich hab 'n doch aufgehalten!
Auch noch Pilot Brinkmann in: Der schweigende Stern.
Bolschewokeblödia sehr interessant dazu.