Montag, 17. April 2023

In höchsten Tönen: Großkreuz für die Kanzlerin

Die beste Kanzlerin, die Deutschland je hatte: Angela Merkel, im Abendlicht gezeichnet von ihrem Porträtisten Kümram.

Sie war einfach dran. Drei Jahrzehnte, für manche ein halbes Leben, im Dienst der Gemeinschaft. 16 Jahre davon als mächtigste Frau der Welt. Angela Merkel hat fürwahr Übermenschliches geleistet - angefangen von ihrer Herkunft aus Hamburg, die sie nie hinderte, eine Ostdeutsche zu sein, bis hin zu ihrem Abschied, obwohl Deutschland und die Welt gerade wieder in einer jener Krisen steckten, für die die Frau aus der Uckermark bekanntgeworden war.  

Der "selbstgewählte Abschied" (RND) war ein scharfes Schwert. Staatssender hatten vergebens um Verlängerung gefleht, die zentralisierten Nachrichtenfabriken zweifelten, was nun kommen würde, ob Deutschland ohne Merkel dankbar ist und wenn ja, wie. Alle, die mit ihr aufgefahren waren in den Stand der Unfehlbarkeit des "Wir wisse nicht wie, aber wir schaffen das" verneigten sich tief. Richtiger als sie, darüber bestand Einigkeit, hätte niemand nichts machen können. Tränen flossen. Alten Männern brach beinahe das Rückgrat beim finalen Bückling. Die Altkanzlerin, eine Instanz nicht nur für andere Sozialdemokraten, verschwand von einem Tag auf den anderen, sie überließ die Bühne mit den brennenden Kulissen, den durchgetretenen Brettern und der gerade noch so funzelnden Beleuchtung kommenden Generationen.

Vergeben und Vergessen

Ihr war Vergeben und ihr war Vergessen, sie kam nicht mehr vor und sie wurde nicht mehr erwähnt. Erst als dann kaum noch zu übersehen war, was sie wirklich hinterlassen hatte, schossen sich ihre Feinde auf die ewige Kanzlerin ein. Merkel trage Verantwortung für so gut wie alle Probleme, die Deutschland heute zu einem Staat machen, der am Rande des Zusammenbruchs stolpert. 

Die Bahn kaputtgespart,  Brücken und Straßen verrostet und voller Schlaglöcher. Die Bundeswehr wie das Bildungswesen ein Trümmerhaufen, die CO2-Bilanz verheerend, die Schulden so hoch wie nie, die innere Einheit dafür unterm Parkett. Mehr Beamte und Staatsangestellte als jemals, aber weniger Erfindungen. Mehr Behörden, aber weniger Fabriken. Kein Fachkräfte, dafür zivilgesellschaftliche Initiativen, die zusammen mit staatlichen Institutionen ein waches Auge auf die Meinungsäußerungen der Bürgerinnen und Bürger werfen. 

Eine Bilanz, die sich sehen lassen kann

Eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. Die Abhängigkeit von Russland bei der Energieversorgung zerstörerisch, die Abhängigkeit von China bei der Belieferung mit Gütern aller Art erschreckend, die Abhängigkeit vom jeweiligen US-Präsidenten bei allem übrigen verstörend. Angela Merkel leistete einen allerletzten Dienst: Die Heerscharen von Bewunderer, Beklatscher und Bejublern schoben der Frau, die alles vom Ende her dachte, nun alle Verantwortung für alles zu. 

Von der Energiekrise über den Krieg bis zum bedauernswerten Zustand der Europäischen Gemeinschaft war nun alles Merkel gewesen. Merkel, und nur Merkel. Niemand hatte ihr immerzu zugejubelt. Niemand hatte ihre Kritiker verlässlich ins Lager der Feinde von Frieden, Freiheit und Fortschritt gerückt. Selten noch wagten es alte Fans und Freunde, die Pensionärin von der traurigen Gestalt als die Wahrheitsinstanz zu loben, die sie all die Jahre gewesen war. Beinahe schon schien es, als drohe der Führerin der freien Welt das Schicksal ihrer Vorgänger Helmut Kohl und Gerhard Schröder, die so Großes bewirkt hatten und wegen einiger kleinen und im politischen Geschäft durchaus lässlicher Sünden zu persona non grata hatten erklärt werden müssen. 

Lichtgestalt mit Schattenseiten

Der Platz im Geschichtsbuch, den Angela Merkel fest gebucht hatte, er schrumpelte, schrumpfte und bekam Schlagseite. Die Lichtgestalt bekam Schattenseiten, die Heldinnensaga verblasste zur Geschichte einer Frau, die vor allem viel verbrannte Erde hinterlassen hatte. Doch wenigstens ein alter Freund und Weggefährte, dem Angela Merkel erst ins Amt des Außenminister  und später in das des Bundespräsidenten verholfen hatte, trotzt dem Gegenwind, der schon drohte, die Geschichte der Ära Merkel neu zu schreiben. 

Nichts weniger als den höchsten Orden aller Zeiten wird Walter Steinmeier seiner früheren Chefin heute demonstrativ anheften, bei einem Festakt im Schloss Bellevue, das wegen der Folgen der Energiepolitik Merkels seit Monaten schon nicht mehr beleuchtet werden kann. Ein Zeichen aus Deutschland in die ganze Welt.

Zum Festakt, gestaltet als kleines, bescheidenes Bürgerfest, kommt die gesamte alte Truppe noch mal zusammen: Der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist dabei, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) natürlich, die Merkel ihre Vermittlung nach Brüssel und damit ihre Rettung vor dem drohenden Handy-Skandal verdankt. 

Thomas de Maizière, Ronald Pofalla, Peter Altmaier und Helge Braun dürfen nicht fehlen, treue Parteisoldaten allesamt. Dazu Annette Schavan, ehemals noch "Dr. Annette Schavan", und Steffen Seibert, Merkels Regierungssprecher, der das so gut gemacht hat, dass er heute deutscher Botschafter in Israel ist. Neben ihm nehmen Platz die ebenso unsichtbaren wie unvermeidlichen Beate Baumann und Eva Christiansen, zwei Frauen, die rechte und linke Hand Merkels waren, dabei aber stets "Phantoms" (Die Welt) blieben,  die man "Architektin der Kanzlerschaft" (Tagesanzeiger) Merkels nannte, ohne ihnen je zu nahe zu treten. 

Keine Quote am Tisch

Der Rest der geladenen Gäste sind Männer, der DDR-Bürgerrechtler Rainer Eppelmann, der Schauspieler Ulrich Matthes, der Ex-Fußballer Jürgen Klinsmann,ein Historiker, drei Professoren. Es fehlt an Tischdamen, obwohl Ex-SPD-Chef Franz Müntefering, ein anderer großer Sozialdemokrat, der wegen Krankheit absagen musste, und Volker Kauder, Merkels langjähriger Zuchtmeister für die Bundesfraktion, verhindert ist. 

Merkel, die mit ihrer Person über anderthalb Jahrzehnte jede Quotendiskussion verhinderte, weil sie wahlweise als Frau oder als Ostdeutsche oder gar als ostdeutsche Frau auftrat, bleibt sich treu. Lieber lässt sie Seibert aus dem Nahen Osten und von der Leyen aus Brüssel einfliegen als dieses "Großkreuz des Verdienstordens in Sonderausfertigung" mit Leuten zu feiern, die vielleicht im Nachhinein wieder alles besser wissen wollen.

Umgeben zu sein von Claqueuren, Jubelpersern und  besinnungslosen Bewunderern, all das hat Angela Merkel über viele Jahre hinweg nichts anders gekannt. Regierte Kohl noch mit Blick auf das, was auf den Straßen und Plätzen gesprochen wurde, und Schröder, in dem er das, was er für nötig hielt, über "Bild und Glotze" propagierte, tat Merkel stets das, was ihr die Schlagzeilenfrequenz der großen fortschrittlichen Medienhäuser und Sendeanstalten nahelegten. Das konnte heute das Gegenteil von gestern sein, es brauchte keine Begründung, weil eine Verkündung reichte. 

Kleinlich, wer nörgelt, so vieles sei doch grundfalsch gewesen. Ein Tor, wer sagt, Merkels Bilanz sei tragisch. Beckmesser, wer auf die Folgen einer Politik verweist, die kaum noch ein Korrektiv kennt und sich eingerichtet hat im Durchregieren. Es bleibt das Verdienst dieser Frau, das Feld bereitet zu haben, auf dem ihre Nachfolger für immer werden ackern und ernten können.

Auch der größte Orden ist dafür nur ein kleines Zeichen der Anerkennung. 


9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

merkl hat im Auftrag der nato die deutsche Wirtschaft ruiniert

ppq hat gesagt…

undank ist der welten lohn

Anonym hat gesagt…

...die CO2-Bilanz verheerend ...
Darauf ist ja wohl, mit Verlaub, ge ...hustet.

Anonym hat gesagt…

"Es bleibt das Verdienst dieser Frau, das Feld bereitet zu haben, auf dem ihre Nachfolger für immer werden ackern und ernten können".
Das hat noch jeder Wichtigtuer bisher gedacht. Eingetroffen ist es nie. Die nächste Wende kommt
bestimmt, und mit ihr jede Menge von Wendehälsen.

Anonym hat gesagt…

Die nächste Wende kommt
bestimmt, und mit ihr jede Menge von Wendehälsen.

Das sehe ich noch lange nicht. Diokletian und Julian Apostata haben es immerhin versucht, aber letztlich war doch Sense.

Anonym hat gesagt…

Wenn man vom Hexenwahn, vom Großen Sprung nach vorn, der Kulturrevolution und den Schelmereien der Roten Khmer 1975 - 1979 so liest, ist es schon gruselig genug. Aber wenn man selbst drin steckt, von Idioten umzingelt, also ich finde das gut, dass sich die jungen Leute für den Umweltschutz angaschieren - sollnse mich doch überwachen, ich habe nichts zu verbergen, ja, da wird einem schon recht wunderlich.

Anonym hat gesagt…

jeanette 17. April 2023 at 19:50
Hessener 17. April 2023 at 19:22

Böhmermann ist endlich mal wieder ein Satiriker mit Niveau. Das er den erzieherischen Nanny Part unseres Nanny Staatsfernsehens mitmachen muss, ist den Zeiten geschuldet. Würde er anders handeln, würde jemand anderes an seiner Stelle stehen. So sehe ich das. Einen Lanz, der permanent seine persönliche Meinung zum Besten gibt und jeden Andersdenkenden vorführen will, finde ich viel schlimmer.

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Noch schlimmer finde ich einen, der DAS von DASS nicht unterscheiden kann.
Machen Sie mal einen Kurs.
Sie scheinen auch ein Opfer der Zeit zu sein.
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Nicht eben oft, aber zuweilen, ist die PIPI-Krôte Schanette nicht ganz unangenehm.

Anonym hat gesagt…

Drag Queen Story Hour in Wien.
Viel Geschrey umb wenig Wolle im pfoinen Rittergut.
Wir sollen ausgerottet werden. Jemand ernsthaft anderer Meinung?

Anonym hat gesagt…

Ich gönne Merkel den Orden und ich gönne dem Orden Merkel.