Sonntag, 14. April 2024

Zusammenland: Zukunftszentrum für Kindergrundsicherung

Auf dem für ostdeutsche Verhältnisse vielbefahrenen zentralen Platz soll das Zukunftszentrum Deutsche Einheit errichtet werden, um verkehrsberuhigend zu wirken.

Deutet sich da eine Lösung im Streit um die Kindergrundsicherung an? Erst kassierte Grünen-Chefin Ricarda Lang unter schwerem öffentlichen Druck die Pläne ihrer Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nach 5.000 neuen Stellen zum Besatz einer neuen Kindergrundsicherungsbehörde. Dann triumphierten die weiß Gott nicht erfolgsverwöhnten Liberalen stundenlang über ihren kaum erwarteten Sieg. Und nun scheinen im Hintergrund Gespräche zwischen Grünen-Chefin Lang als zuständiger Fachpolitikerin und den FDP-Granden zu laufen, bei denen eine Kompromisslösung gesucht wird, die den Aufbau des seit Jahren geplanten Bundesbürokratieabbauzentralamt (BBABZA) trotzdem noch ermöglicht.

Smarte Fusion zweier Träume

Ins Spiel kommt dabei offenbar eine andere Großbehörde, die die frühere Kanzlerin Angela Merkel den Deutschen sich zum Gedenken hatte schenken wollen. Das sogenannte Zukunftszentrum Deutsche Einheit war eine Idee aus Friedenszeiten, als Deutschland noch das Land war, "in dem wir gut und gerne leben", wie die CDU damals plakatierte. Um Wohlstand und Zufriedenheit noch besser zu verteilen, hatte die Große Koalition seinerzeit im Rahmen einer großangelegten Behördenansiedlungsoffensive (BAO) obskure neue Ämter überall in den weitgehend aufgegebenen ostdeutschen Steppen gegründet. 

Inzwischen finden Zehntausende Menschen gute und sichere Jobs bei der Gemeinsamen Glücksspielaufsichtsbehörde (GGB), der Cyberagentur, einer neuen Doppelverwaltung für die Autobahnen und dem für die Kontrolle der Meinungsfreiheit zuständigen Bundesblogampelamt (BBAA) im mecklenburgischen Warin  nebst seiner Ausgründungen für die rasche Genehmigung zulässigen Humors nach der Bundessatirerichtlinie (BSR). 

Schlusstein der Symboloffensive

Das Zukunftszentrum Deutsche Einheit und Europäische Transformation (ZZDEET) mit Sitz in der ehemaligen Industriestadt Halle sollte der Schlusstein der Symboloffensive werden - ein weltweit sichtbares Zeichen dafür, wie sich Wertschöpfung vollständig durch Erinnerung an frühere Großtaten ersetzen lässt. Für anfangs geplante 200 Millionen Euro würde das imposante Haus zudem als eine Art Poller mitten auf den verkehrsreichsten Platz Ostdeutschland gesetzt werden und verkehrsberuhigend wirken. Eine Million Besucher pro Jahr waren geplant, auch ein Architektenwettbewerb, der anstrebte, den Bau sofort nach Fertigstellung in die Liste des UNESCO-Welterbes aufnehmen lassen zu können.

Erst Corona, der Regierungswechsel, der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und schließlich die Probleme am Bau verzögerten den Fortgang der Arbeiten am neuen Leuchtturm der nationalen Größe früherer Zeiten, als Regierungskritik noch demokratisch war und Menschen ihre Meinung kundtaten, indem sie sich gleichzeitig an vielen Orten versammelten, Heldenstatus zugesprochen wurde. 

Verzögertes Deutschlandtempo

Der Architekturwettbewerb, dessen Start für den Herbst 2023 geplant war, ist auch ein halbes Jahr danach noch immer nicht gestartet. Die Finanzierung des künftig höchsten Gebäudes zwischen Łódź und Düsseldorf steht in den Sternen. Als noch hinderlicher für einen Bau in Deutschlandtempo schlimmer aber hat sich der Umstand herausgestellt, dass immer noch niemand weiß, was genau die künftig 200 Mitarbeiter mit ihrem jährlichen Budget von 40 Millionen Euro tun sollen, um "die Leistungen der Deutschen Wiedervereinigung zu würdigen und die Erfahrungen daraus für künftige Umbrüche und Krisen" so "nutzbar machen", dass täglich Tausende Besucher herbeiströmen, um dabei zuzuschauen.

Hier nun kommt nun die Kindergrundsicherung ins Spiel. Nachdem Lisa Paus mit ihren ursprünglichen Plänen vom Bau einer neuen Behördenzentrale in Aschaffenburg am Veto ihrer mächtigen Parteichefin Ricarda Lang scheiterte, ist jetzt vorgesehen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Das neue Annahmezentrum für bürokratiefreie Kindergrundsicherungsanträge würde danach als sogenannte Inhaltsbehörde ins Zukunftszentrum Deutsche Einheit (ZZDEET) ziehen, um das etwa 30 Stockwerke hohe klassische City-Hochhaus mit Leben zu erfüllen. 

Bittsteller sorgen für Besucherstrom

Dank der Millionen Bittsteller, die sich in den kommenden Jahren bei der Kindergrundsicherungsgewährungsbehörde vorstellen werden, wäre der notwendige Besucherstrom dauerhaft gesichert. Auch Kritik daran, dass bei einer geplanten nutzbaren Bürofläche von mehr als 20.000 Quadratmetern jeder einzelne Mitarbeiter des ZZDEET über einen etwa 100 Quadratmeter großen Büroraum verfügen werde, würde verstummen, denn die nötigen Warte-, Winkel- und Sanitärräume nähmen viel vom notwendigen Platz weg.

Es wäre ein echtes Zusammenstehen im Sinne aller, ein Schulterschluss zwischen den so oft uneinigen Grünen und Liberalen, dem die SPD nur noch zustimmen müsste, um ein weithin sichtbares Signal für die ungebrochene Handlungsfähigkeit der Ampelkoalition in die Welt zu senden. Aus der Sicht der deutschen Sozialdemokratie spricht nichts gegen ein Zusammenlegen von ZZDEET und BBABZA, denn lange schon investiert die Bundesregierung in eine Reihe von Maßnahmen für Kinder und Jugendliche, um Familien zu stärken und "gute Rahmenbedingungen für das Aufwachsen von Kindern fördern". 

Herzkammer der Bundesregierung

Legende bei Kinderbetroffenen ist der "Masterplan gegen Kinderarmut zur Zukunft Europas" von 2018, der den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft damals erstmal mutig "ins Zentrum" rückte, wie das SPD-Zentralorgan "Vorwärts" mutig schrieb. Eine nun als "Zukunftszentrum" neu angedachte Kombination aus Erinnerungsbehörde und Betreuungsamt könnte wirklich werden, was Hubertus Heil sich bei der Vorstellung der ehrgeizigen Pläne der SPD schon erträumt hatte: Die "Herzkammer der Bundesregierung".


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