Sonntag, 26. Mai 2024

Sylt-Krise: Paschajagd am Nordseestrand

Knapp am Liveticker vorbei: Die Reichbürger von Sylt.

Wenn das kein Grund ist, alles andere abzuräumen. Nach den empörenden Parolen von Berlin, Hassgesängen wie "Brennt Gaza, brennt Berlin", reagierte die "Tagesschau" umgehend: Mehr als zwei Minuten waren am Tag danach dem unerwarteten Hassausbruch gewidmet, von dem zuvor verstörende Bilder im Internet aufgetaucht waren. Junge Leute, aufgewachsen mitten im besten Deutschland, das wir jemals hatten, verhöhnen den Rechtsstaat, schreien verfassungsfeindliche Parolen und beschmieren Tisch und Wände wie betrunkene Pennäler.

Reichbürger am Sonnenstrand

Der Schock sitzt tief. Die SPD reagierte sofort. Kanzler, Justizminister, Innenministerin und Parteiführer äußerten Abscheu und ließen erkennen, dass Deutschland keinen Platz hat für diese Art Reichbürger, die sich auf Kosten der Gesellschaft kleiden und ausbilden lassen, nur um die Hand, die sie füttert, bei erster Gelegenheit zu beißen. Der Bundespräsident ist besorgt über "die Verrohung der politischen Umgangsformen".  Besetzungen. Angriffe auf die Freiheit von Forschung und Lehre. Er sehe da "eine Radikalisierung, die mindestens in Teilen in der Mitte der Gesellschaft auch stattfindet", hat Walter Steinmeier in einem klassischen Steinmeier-Satz gesagt.

Nein, Antisemitismus, das hatte Nancy Faeser allen infrage kommenden Verdächtigen bereits im vergangenen Jahr deutlich klargemacht, das geht gar nicht. "Das ist mehr als eine historische Verantwortung. Es ist unser Selbstverständnis von Menschlichkeit und Zusammenhalt."

Deshalb nun das ganz große Besteck. In der "Tagesschau" wurden Zeugen wie die renommierte  Amadeu-Antonio-Stiftung gehört. Ministerpräsident Daniel Günther erklärte, wie es überhaupt so weit hatte kommen können und was nun zu tun ist. Offener Antisemitismus und öffentlich von der Leitung einer Universität geduldeter Israelhass am Festwochenende für das Grundgesetz. Was, wenn nicht das, ist eine Bedrohung der Demokratie? Was, wenn nicht so, geht eine Staatskrise?

Die grölenden Paschas von Sylt

Natürlich, es sind die "die reichen, grölenden Paschas von Sylt", deren Namen die Süddeutsche Zeitung umgehend zu erfahren wünscht. Das Fake-News-Portal Correctiv hat ein Meldeportal für alle freigeschaltet, die von ähnlichen Vorfällen zu berichten wissen. Der "Spiegel" listet weitere ernste und akute Fälle auf, in denen Gigi D’Agostinos schrecklicher Hit "Immer lieben" brutal "missbraucht" (Der Spiegel) worden sei, um Hass zu säen.

Es ist dank all dieser Bemühungen dieses traurige Lied mit seinen vier stampfenden Akkorden, das die Debatte bestimmt.  Es empört um mehrere Größenordnungen mehr als die Manifestationen der Antisemiten und Israelhasser im Herzen Berlin, es siegt über den Ukrainekrieg, den DFB-Pokal und die allgemeine Krisenangst. Ein medialer Coup wie seinerzeit die Hetzjagd von Chemnitz, der grüne Veggie-Day und Eva Hermans Autobahn-Auftritt.

Nach dem Anforderungsprofil

Es passt einfach alles und das genau ins Anforderungsprofil einer hochentwickelten Klickbait-Kultur: Menschen, die anders sind als alle, brechen Tabus, die für alle gelten, sie halten sich für schöner, klüger und reicher, für eine auserwählte Elite, die sich alles erlauben kann und keine Rücksicht auf die Regeln nehmen muss, die sie selbst verordnet hat. 

In früheren Wahlkämpfen hatten "Manager" (Franz Müntefering), "Spekulanten" (Angela Merkel) und "Steuersünder" (SZ) ins Kostüm des Sündenbocks schlüpfen müssen, der nach dem traditionellen Ziegenbock-Bobesch-Prinzip der Augsburger Puppenkiste dazu auserkoren ist, das Volk der Puppenkiste zu einen, so dass alle größeren Probleme liegenblieben können und existenzielle Bedrohungen nicht mehr weiter beachtet werden müssen. 

Im kleinen Dorf Holleschitz herrschte nach dem Reinigungsprozesse immer schnell wieder eitel Sonnenschein.


7 Kommentare:

Arminius hat gesagt…

Ich habe das Video noch nicht gesehen. Kann das bitte mal jemand verlinken? Danke!

Die Anmerkung hat gesagt…

>> seinerzeit die Hetzjagd von Chemnitz

Das Platzen der Merkelschen Hetzjagd-Lügen

Doch weder am 26. August 2018 noch an den folgenden Tagen fanden die berühmten Merkelschen Hetzjagden statt, auch wenn die Öffentlich-Rechtlichen das weiter in üblicher Distanz zur Wahrheit steif behaupteten. Der Chef des Bundesverfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen, der Merkel widersprach und wahrheitsgemäß äußerte, dass dem Verfassungsschutz keine Informationen über Hetzjagden vorlägen, wurde durch den willfährigen Haldenwang ersetzt.

Nun hat auch die 1. Strafkammer des Landgerichtes in Chemnitz die Eröffnung einer Hauptverhandlung gegen neun mutmaßlich wegen „Landfriedensbruch in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in elf tateinheitlichen Fällen im Stadtzentrum“ am 1. September 2018 angeklagten Bürger die Eröffnung des Hauptverfahrens aus Mangel an Beweisen eingestellt.

https://www.tichyseinblick.de/meinungen/chemnitz-das-platzen-der-hetzjagden-luegen-merkel/

Die Anmerkung hat gesagt…

Es sind wohl doch keine Nazis, wie das Antifa-Schmierblatt herausgefunden hat. Es sind nur Schnösel. Ich bin enttäuscht. Wieder keine richtigen Nazis.
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Erster Sylt-Schnösel entschuldigt sich

Die Anmerkung hat gesagt…

Hier das Video, das die Sicht der Antifa zeigt.

https://x.com/AntifaPinneberg/status/1793703061707530644

waulmurf hat gesagt…

Dunkeldeutschland reicht jetzt zumindest bis nach Sylt.

Anonym hat gesagt…

Wenn denn "der schreckliche Hit" nun nur nicht mehr gespielt würde.

Aber ach...

Aufmerksamkeitstechnisch dürfte das inkriminierte Gegröle der GAU, ach was soll's der SUPER-GAU zur EU-Wahl sein. Da lässt man 16-Jährige wählen und macht dann für den pubertierenden Pöbel eine Art "Layla"2.0-Szenario quasi verpflichtend.

Würde mich nicht wundern, wenn der Videoschnipsel mit der Ortsangabe AfD-nah veröffentlicht wurde.

Aus Angst vor Antifa-Angriffen war eine mediale Überreaktion der Gastwirte vorhersehbar und dass die den "Kampf gegen rechts" zwar mit Verve, aber ohne Hirn führenden Medien dann aufspringen würden war nahezu zwangsläufig.

Und schon dürften wir mit Gigi D'Agostino den inoffiziellen Sommerhit 2024 haben.

Einen älteren Videoschnipsel aus einer Disko mit gleicher Gesangseinlage hatte ich damals auf f.k.a. Twitter gesehen und für eine Singularität gehalten. Wenn das nun selbst auf Sylt im Promiklub von Luisas Nachbarschaft skandiert wird, dann mit Sicherheit auch sonst im Land flächendeckend.

Ist es übertrieben, den "Kampf gegen rechts" als Hinweis zu verstehen, wie man in diesem Land am störendsten Fundamentalopposition betreibt? Oder denke ich da zu sehr an die Neonazi-Skins in der DDR?

Anonym hat gesagt…

Es war eitel Inszenierung.
Das - sehr diplomatisch ausgedrückt - mangelnde Urteilsvermögen des Pö ..., äh, mündigen Bürgers wird immer wieder gewaltig unterschätzt.

Bitte, bitte - schaut jetzt nicht mehr weg!