Sonntag, 1. Juni 2025

CO2-Pläne: Eine Angst geht um in Europa

Als erster Kontinent der Erde will Europa klimaneutral werden. Je steiler der CO2-Preis steigt, desto näher rückt das Ziel.

Die Wetten laufen und sie stehe nicht gut für die EU-Kommission und die Regierungen der 27 Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaft. Der Wind der Wirklichkeit, dieses höllische Kind, es weht den Planern und Umsetzern der großen Visionen der Gemeinschaft steif ins Gesicht. Noch beschwören sämtliche Instanzen, dass es natürlich bei der aktuellen Beschlusslage bleiben werde. Ab 2027, spätestens aber 2028 wird der sogenannte "CO₂-Preis" planmäßig weiter erhöht werden. So steht es geschrieben. So wird es gemacht.

Und wieder dieses Wehklagen 

Doch damit, diese Erkenntnis sickert langsam, langsam aus der Fläche in die Spitze, steigen auch die Kosten für Heizen und Tanken für Lebensmittel, für den Wohnungsbau, die in der EU verbliebene Industrie, die Landwirtschaft, für Bildung, Verkehr und Gesundheit. Starke Schultern werden das achselzuckend leicht nehmen. Alle anderen aber erneut mit dem lauten Wehklagen beginnen, das die gesamte große Transformation der Europäischen Union zu einer nachhaltig klimafesten Phalanx der Verteidigung der Pariser Beschlüsse von 2015 beinahe vom ersten Tag an begleitet hat. Wer soll das denn noch bezahlen. Wie sollen wir so leben. Wie soll das weitergehen, wenn der Fleißige immer der Dumme ist.

Alles war gut gemeint und gut formuliert. 2019 wurde die Einführung einer neuen Steuer auf Kohlendioxid beschlossen, aber erst für in zwei Jahren. Der Einführungspreis lag bei zehn Euro, zu wenig, als dass jemand sich empört hätte. Später stieg der Pries, aber das war nicht schlimm, denn schon demnächst, so versprachen alle Parteien der demokratischen Mitte, würden alle Einnahmen als "Klimageld" an die Bürgerinnen und Bürger zurückzahlen - je mehr, je fleißiger sie beim CO₂-Sparen mittaten.

Niemand macht mit 

Knapp vorbei ist auch daneben. Aus der Rückzahlung wurde nichts, aus den zaghaften zehn Euro zum Start aber wurden 55.  Das alles funktionierte nicht, kein bisschen, und niemand auf der ganzen Welt beeilte sich, es der EU nachzumachen. Aber versprochen ist versprochen und wer in die falsche Richtung läuft, schafft es oft trotzdem an irgendein Ziel, wenn er sich beeilt. 

Gerade die EU ist dafür bekannt, dass keine andere Weltgemeinschaft  so viele schöne Ziele hat wie sie. Ein ganzer Bürokratenapparat ist in Brüssel damit beschäftigt, die 450 EUntertanen mit Planvorgaben, Richtlinien und strengen Regeln zu versorgen. Teil der großen Tradition der Kommission ist es dabei, nicht nur hehre Vorhaben und ehrgeizige Umsetzungspläne zu verkünden, die jedes Mal nichts weniger als die Welt zu retten versprechen. Sondern diese eigenen Absichten auch klug zu managen, mit Augenmaß und ohne ideologische Verbohrtheit.

Einmalige EU-Leistungen 

Als einmalig gilt die Leistung der EU, in den 32 Jahren ihrer Existenz als Union noch jedes einzelne ihrer großen Ziele verfehlt zu haben, ohne dass die Gemeinschaft deshalb zur Lachnummer für andere Staaten, Medien und die EU-Öffentlichkeit geworden wäre. Der Kniff, mit dem das gelingt, ist denkbar einfach: Immer wenn sich abzeichnet, dass Plan scheitern oder ein Ziel verfehlt werden wird, werden die Zielvorgaben prompt weiter verschärft. Und der Termin, an dem sie erreicht werden sollen, weiter in die Zukunft verschoben.

Die Liste der großtaten, mit denen erfolgreich so verfahren wurde, ist endlos lang, sie reicht von den offenen Schengen-Grenzen über die Lissabon-Strategie und den großen Plan "Europa 2020" bis zum Aufbauplan nach der Corona-Pandemie, der Gesundheitsunion Hera und dem "Green Deal". Eintragungen im großen Buch der EU-Geschichte, die allesamt Zeitenwenden hätten bringen sollen, schließlich aber vertagt und wohlweislich gründlich vergessen wurde, als nicht mehr zu leugnen war, dass sie sich als Schlag ins Wasser herausgestellt hatten. War die EU damit blamiert? Hatte sich herausgestellt, dass Ziele keine Ziele erreichen? Und Pläne immer nur auf dem Papier stehen?

Apparat auf Autopilot 

Selbstverständlich nicht. 80.000 EU-Beamten, ein nach Hunderttausenden zählendes Heer von für EU-Angelegenheiten zuständigen Mitarbeitern in den 27 Mitgliedsstaaten und eine unüberschaubare Armada von tausenden von Lobbyfirmen, Berater und Experten in Think Tanks, an Universitäten und in von der EU finanzierten nichtstaatlichen Organisation ist beständig weiter daran, neue Zielvorgaben zu formulieren. Die eine Hälfte des Apparates ist auf Autopilot damit beschäftigt, Fünf-Jahr-Pläne zu erstellen. Die andere hat die Aufgabe, die Erfüllung zu überprüfen. Zeigt sich, dass es wieder nichts wird, heißt es umplanen. Es wird weiter werden, Nur später irgendwann, dann aber deutlich besser. 

Im Gegensatz zu früheren Planwirtschaften fälscht die EU keine Bilanz. Sie zieht keine, sondern ersetzt alte Ziele durch neue. Da die unangenehme Eigenschaft der Zeit an sich darin besteht, die selbst eine ferne Zukunft mit jeder Minute immer näher an die Gegenwart zu rücken zu lassen, hat die sogenannte Umzielung in Europa Prozesscharakter: Stets und ständig erfordern zwingende Notwendigkeiten, Ziele so zu verändern, dass nicht überall und jedem sofort ins Auge springt, wie sehr die Mitgliedstaaten trotz aller Schwüre beim Erreichen versagt haben.

Verschieben, erleichtern und nachschärfen 

Routinemäßig wird  dann verschoben, erleichtert und so nachgeschärft, dass vom Ursprungsvorhaben nur der Name bleibt. Das war beim geplanten Verbrenneraus so und es wird beim Lieferkettengesetz so sein und auch bei der als "CO2-Abgabe" bezeichnete Kohlendioxidsteuer nähert sich trotz aller anderslautenden Bekundungen das Tag, an dem die Furcht vor dem Volk gewisse Planänderungen nahelegen wird.

Jetzt schon geht eine Angst geht um in Europa und im politischen Berlin. Es ist die Angst davor, sich ein weiteres Mal böse verspekuliert zu haben. Als der Deutsche Bundestag vor fünf Jahren auf Geheiß aus Brüssel die Einführung einer CO2-Steuer beschloss, klang das alles sehr elegant: CO2 zu emittieren würde teuer. Menschen und Fabriken würden es folglich vermeiden, CO2 zu produzieren. Sie würden ausweichen auf Wärmepumpen, Elektroautos und Lastenräder. Mit 15 Millionen Elektrofahrzeugen, die  2030 allein auf deutschen Straßen unterwegs sein würden, könnte glatt mehr CO₂-Abgabe gespart werden als überhaupt fällig sei. 

Angriffe auf die Elektromobilität 

Dass der Hochlauf der Elektromobilität plötzlich stoppte, als linke Aktivisten die Fabriken des US-E-Auto-Pioniers Elon Musk angriffen und der grüne Bundesklimaminister die Förderung stoppte, konnte niemand ahnen. Auch dass die EU-Kommission die laut geforderte Einführung billiger E-Autos für die vielen weniger Wohlhabenden durch Strafzölle für chinesische Hersteller unterband, war kaum abzusehen gewesen. Die Konsequenzen aber wetterleuchten an der Wand: Bedrohlich naht der Tag der Abrechnung, wenn der bisher staatlich festgelegte CO₂-Preis sich am Markt bilden soll, frei nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage.

Wie hoch wird er dann sein? Aktuelle Prognosen des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments (EPRS) reichen von 70 Euro pro Tonne bis zu 150 Euro pro Tonne im Jahr 2030. Laut einer Berechnung der EU-Kommission würden die Benzinpreise schon bei einem CO₂-Preis von 45 Euro um elf Cent pro Liter steigen, bei 70 Euro wären es 20 Cent, bei 150 Euro sogar mehr als 30. 

Parallel klettern auch die übrigen Kosten: Wer heizt oder isst, wer duscht oder kocht, wird zur Kasse gebeten. Der Betrieb einer Gasheizung würde bei einem CO₂-Preis von 70 Euro 217 Euro teurer, bei 150 Euro um knappe 500. Alle Ausgaben zusammengerechnet, auf die der CO₂-Preis direkt oder indirekt aufgeschlagen wird, droht eine erneute Preisexplosion, die absehbar für Unmut sorgen wird.

Wird es jemand merken? 

In Brüssel rechnen sie, in Berlin auch. Werden die Preise langsam genug steigen, dass es möglichst niemand merkt? Wird die Industrie weiter abwandern, werden noch mehr Produktionsanlagen stillgelegt? Ist der weitere planmäßige Verlust an Wohlstand ein zu hoher Preis für das 1,5- oder Zwei-Grad-Ziel? Oder treibt er den Feinden der progressiven Planpolitik weitere Wähler in die Arme?  Das Trauma der französischen Gelbwesten, die das Land lahmlegten, nur wie die Regierung einen nationalen CO₂-Preis von 45 Euro pro Tonne CO₂ einführen wollte, wirkt nach.

Der neue deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz hat deutlich gemacht, dass er sich für sinkende Preise einsetzen will, um die anstehende neue Preislawine durch die CO2-Abgabe abzufedern. Doch der Einfluss der Bepreisung der Luft durch CO2-Zertifikate ist unwägbar. Lahmt die Elektromobilität weiterhin, wird es teuer. Wird es teuer, werden es diesmal auch die Verbraucher spüren. Das würde Europa auf die Füße fallen: 2029 wird ein neues EU-Parlament gewählt. Ein wütendes Wahlvolk könnte erstmals für eine klimafeindliche Mehrheit in Straßburg sorgen. 

Klimaneutral glänzen 

Der Emissionshandel als das zentrale Instrument, mit dem die EU ihre Klimaziele bis 2050 erreichen will, um als erster klimaneutraler Kontinent zu glänzen, soll eigentlich zum 1. Januar 2027 starten. Doch jetzt schon regt sich Widerstand. Tschechien will einen Aufschub um ein Jahr, Polen um drei Jahre, die Slowakei fordert Ausgleichsmaßnahmen, um soziale Verwerfungen zu verhindern, und Estland hat erklärt, es müsse einen zeitlich nicht befristeten Aufschub geben. Doch nach derzeitiger Rechtslage wäre nur eine Verzögerung um ein Jahr möglich. Und das auch nur, wenn die Preise für Öl und Gas durch die neue Steuer "unverhältnismäßig stark" ansteigen.

Für die EU ist das keine einfache Situation, aber glücklicherweise eine durchaus bekannte. Noch immer hat sich Europa handlungsfähig gezeigt, wenn die Folgen selbst getroffenen Entscheidung akut werden. Nach den Regeln für den sogenannten ETS II müsste der Preis für Erdgas in den ersten sechs Monaten des Jahres 2026 höher als der durchschnittliche Gaspreis im Februar und März 2022 liegen und der Preis für Erdöl wenigstens doppelt so hoch wie im Durchschnitt der vorangegangenen fünf Jahre. Passiert nichts grundlegend Katastrophales, ist dass kaum vorstellbar: Durch den russischen Angriffskrieg lag der Gaspreis im Berechnungszeitraum zum Teil bei über 20 Cent pro Kilowattstunde, der für Öl bei 60 bis 90 Dollar. 

Es wird eine Katastrophe gebraucht 

Von der Preisfront auf dem Weltmarkt ist Unterstützung für eine Verschiebung also kaum zu erwarten. Und wenn, wäre das Problem noch größer: Stiege der Gaspreis ohne ETS II wieder 20 Cent und der Preis für Öl auf 120 oder 150 Euro, wäre der CO₂-Preis das geringste Problem einer EU, die von Energieimporten abhängig ist. 

Es braucht andere Gründe, um aus der selbstgemachten Falle zu entkommen und den Start des CO2-Preishandels in die Zukunft zu vertagen. Oder neue Argumente, warum eine Einführung niemandem schaden wird. Die alte, in Deutschland inzwischen beerdigte Idee eines "Klimageldes" soll es richten und verhindern, dass "der CO₂-Preis durch schlechte Kommunikation scheitern" könnte, wie der Wissenschaftliche Deinst der EU vorgeschlagen hat. Die Einnahmen aus dem Verkauf von Kohlendioxidrechten sollen dazu in einen "Klimasozialfonds" fließen und anschließend "zur Abfederung steigender Energiepreise" werden. 



3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

<< Habeck und Baerbock wurden nur Minister und haben es mit der Ampel so richtig versemmelt. >>

Oh heilige Einfalt. Mitnichten haben sie, mein Hadmut. Es läuft prächtig, nur nicht für uns eben.

Anonym hat gesagt…

Für Panzer und andere Militärfahrzeuge kommt doch hoffentlich eine Ausnahme.

Anonym hat gesagt…

Ebend.