Außengrenze im Indischen Ozean
Doch von Guadeloupe über Französisch-Guayana, Martinique, Mayotte, Réunion und St. Martin über die Kanarischen Inseln, die Niederländischen Antillen bis zu den Azoren leben alle recht kommod damit. Frankreich sorgte zuletzt vor zehn Jahren für eine EU-Erweiterung der besonderen Art: Mit Mayotte stieß ein tropisches Inselparadies, gelegen zwischen Mosambik und Madagaskar vor der Küste Afrikas, zur Runde der Wertegemeinschaft, die seitdem eine neue Außengrenze im Indischen Ozean hat.
In Neukaledonien allerdings brodelt es Anfang des Jahres. Das französische Überseegebiet, 1774 vom Briten James Cook entdeckt und 1853 von Napoleon III in französischen Besitz genommen, liegt weiter vom Mutterland entfernt als jeder andere EU-Außenposten. 16.600 Kilometer sind es von Paris bis zur Insel, die immerhin siebenmal so groß ist wie das berühmte Saarland, das Frankreich nach einer Volksbefragung in den 50er Jahren wieder an den Nachbarn Deutschland verloren hatte.
Entsetzte Besucher
1.500 Kilometer vor Australien leben die Nachfahren der Verbrecher, die erst die Briten und später die Franzosen auf das Eiland abschoben. Aber auch die Nachfahren der Ureinwohner, von deren Sitten und Gebräuchen die ersten Besucher aus Europa Fürchterliches berichteten. Die Grande Nation hat ihre Eroberung im Pazifik dennoch nie hängenlassen.
Sie dezimierte die Kanaken - Neukaledoniens Ureinwohner - durch eingeschleppter Seuchen, gab ihnen Kriminelle und Staatsfeinde und nahm ihnen das auf der Insel reichlich vorkommende Nickel. Die immer wieder aufmuckende einheimische Bevölkerung wurde durch ein Apartheid-ähnliches System ruhiggestellt, die Ureinwohner durften dafür aber schon im Ersten Weltkrieg Soldaten für Frankreich stellen.
Nicht allen gefiel das offenbar. Immer wieder gab es Aufstände der Kanaken, selbst noch nachdem Frankreich die Kolonie nach dem Zweiten Weltkrieg zum Übersee-Territorium erklärt und allen Einwohnern die französische Staatsangehörigkeit verliehen hatte. 1947 akzeptierte die UNO die Fremdherrschaft. 1953 erhielten die Neukaledonier die französischen Bürgerrechte und 1957 durften sie sogar ein lokales Parlament wählen, das allerdings ein Jahr später auf Geheiß Charles de Gaulle schon wieder zu einer Art Folkoreveranstaltung herabgestuft wurde.
Schlag gegen Unabhängigkeit
Aus Deutschland, das seine wenigen Kolonien nie zu Überseegebieten erklären konnte, weil sie schon verloren waren, als diese Lösung Mode wurde, wird Frankreich um sein Pazifikparadies beneidet. Wie viel Ärger und Arbeit der Erhalt eines solches kolonialen Erbes aber braucht, zeigt sich in diesen Tagen, in denen eine geplante Verfassungsreform aus Sicht der Kanaken droht, alle künftigen Unabhängigkeitsbestrebungen zunichtezumachen.
Geht es nach der Regierung in Paris, bekommen Tausende französischstämmige Bürgern das regionale Wahlrecht - die Chance, es besser zu machen als beim letzten Referendums, bei dem 56,4 Prozent der Wähle für den Verbleib bei Frankreich stimmten, wäre für alle Zeit dahin.
Ausnahmezustand in der EU
Nach gewalttätigen Ausschreitungen, etlichen Toten und einer Lage, die außer Kontrolle geraten war, wurde der Ausnahmezustand verhängt. Frankreich schickte Soldaten, die die Unruhen beenden und Ruhe und Ordnung wiederherstellen sollen. Zum Glück mussten die Truppen nicht komplett aus der Heimat eingeflogen werden, denn Frankreich verfügt im nur 4.500 Kilometer entfernten Polynesien über eine Eingreiftruppe der Nationalgendarmerie, die zu Hilfe eilen konnte. Der Rat der Kanaken warf der französischen Regierung damals vor, den Widerstand der großen Mehrheit der indigenen Bevölkerung durch Internet- und Ausgangssperren und Demonstrationsverbote unterdrücken zu wollen. Das gelang. Nach zwölf Tagen konnte der Notstand aufgehoben werden..
Zu wenig Zeit, als dass sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, ihr damaliger Außenbeauftrager Josep Borrell, zuständig für "Ein stärkeres Europa in der Welt" oder irgendein anderer der Kommissare in der Neukaledonien-Frage hätten zu Wort melden können. Auch Berlin, wo traditionell große Teile der Politik große Sorgen um zu viel Transparenz in Georgien und den Schutz der Hamas vor israelischen "Vergeltungsaktionen" haben, verpasste den richtigen Zeitpunkt für einen mahnenden Kommentar Richtung Paris.
Gut so, denn mit der Aufhebung des Ausnahmezustands im Mai 2024 endete auch die Berichterstattung aller deutschen Medien.
1 Kommentar:
Schrecklich, wie die Juden die palästinensischen Ureinwohner unterdrücken, nachdem sie ihr Land gestohlen haben. Ach nein, verlesen: Also:
Schrecklich, wie die Franzosen das Volk von Franz. Guyanas unterdrücken, nachdem sie ihr Land gestohlen haben.
https://amerika21.de/2017/04/173876/franzoesisch-guyana-proteste
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