Mittwoch, 23. März 2022

Der Euro, einfach erklärt (Archivvideo)


 

Traurige Schönheit: Büßergewänder für die Klimajugend

Klima Influenzerinnen Luisa Neubauer als Modenschau
Sackartig und in traurigen Farben kommt die Mode der Corona-Zeit daher wie eine Welle von Büßergewändern.

Die Omas und die Mütter, sie konnten es gar nicht körperbetont und aufreizend genug haben. Kurze Röcke, bloße Bäuche, nackte Beine. Die Töchter aber fechten ihn besser aus, den Kampf gegen Sexismus, Bodyshaming und Geschlechtertrennung durch Frauenmode. Auf Straßen und Plätzen, Schulhöfen und in Modeläden ist es nicht zu übersehen: Der Trend geht zum Sack, zur Hässlichkeit, zu unförmigen Fliegeroveralls und Huckleberry-Finn-Hosen.

Der Trend geht zum Kleidersack

Das Modepüppchen der Corona-Ära, es verhüllt sich vor einer feindlichen Welt. Hochgeschlossen sind die Kragen, hochgezogen über die Hüfte die Hosenbünde. Der einzige Rest Haut, der noch zu sehen ist, blinkt an den Fesseln, zwischen kurzen Socken und kurzen Hosenbeinen. Es ist eine Krisenmode, die aus der Form gegangen ist, die selbst hübschen Mädchen und Frauen den Tort antut, ihnen jede Eleganz, jede Leichtigkeit und Schönheit zu nehmen.

Eine Trend, der in die Zeit passt. Als im vergangenen Jahr mehrere Klimaaktivisten beschlossen, nun auch modeln zu können, sah das Ergebnis genau so aus. Luisa Neubauer und ihre Gespielinnen trugen Erdfarben und Schwarz, Weiß und ein wenig verblasstes Herbstgrün, traurige Farben für eine traurige Zeit. Die traurigen Schnitte, die dazu passen, stellten die progressiven Influenzerinnen mit der ihnen eigenen Selbstgewissheit vor, dass wahre Schönheit von innen kommt.

Zirkuszelte als Beinkleider

Sie sind damit vorbildhaft für eine ganze Generation von Mädchen und jungen Frauen. Die verkleiden sich voller Selbstverachtung in die zirkuszeltgroßen Beinkleider der dicken älteren Schwester, bis sie selbst hineingewachsen sind in die Körpermaße, die Vollmilchschokolade, Playstation und viel Langeweile produzieren, Mit Sport haben die Mädchen in den Büßergewändern einer Generation, die ihre Depressionen als Lifestyle-Accessoire trägt, nur insofern noch zu tun,  dass die Schuhe, die sie bevorzugt, sämtlichst von früheren Sportartikelherstellern angeboten werden. 

Der Rest sind Bauch, Beine, Po, die stolz aus dem Hosenbund quellen würden, wäre der nicht vorsichtshalber von vorausschauenden Designern aus dem Hüftbereich über den Nabel verlegt worden. High waist ist Highlife, der hohe Bund ist die hohe Kunst, die kurze Socke und der teure Sneaker. Die Wohlstandsnarben von Kindern, die nicht nur immer alles bekommen haben, sondern immer alles sofort, werden hinter Markennamen versteckt, die wie Erkennungszeichen funktionieren. 

Reduzierte Weiblichkeit

Die aktuelle Mode, die keinen Namen hat, "umspielt die Silhouette mit weiten Schnitten" (InStyle) und reduziert das Vorhandensein sogenannter "Weiblichkeit" (InStyle) auf Gürtel und femininen Schmuck. Die - überwiegend weibliche - Generation Fridaysforfuture verhüllt sich vor der bösen Welt, sie mag es weit, unförmig und geschlechtslos, als würden sich ihre Protagonistinnen für irgendetwas verstecken wollen.

Das Virus? Der Mann? Fremde Blicke? Die eigene Schuld? es gehe darum, "das warme Gefühl im Inneren zu bewahren" diagnostiziert die "Vogue", die in endlos langen heimischen Netflix-Abdenden den Grund für die Rückkehr des Strickpullovers und dem Aufkommen des Begriffs "Comfort Dressing" sieht.

Dominanter Uniformgedanke

Vorbei die Zeiten, als leiden musste, wer schön sein wollte. Strenge, Stil und Disziplin spielen keine Rolle mehr, wo es nicht mehr darauf ankommt, gut auszusehen oder Blicke anzuziehen, sondern allein darauf, auszusehen wie alle anderen. Der Uniformgedanke, der Corona-Mode vor allem anderen auszeichnet, kehrt das Innere nach außen, niemand in den Kinderzimmern der Wohnviertel des Bionadeadels und der Lifestyleidealisten will mehr high sein oder frei sein, sondern zu seinem Umfeld passen, dasselbe denken, tragen und sagen.

Dienstag, 22. März 2022

Doppel-Windkraft: Freiheitsenergie aus dem Lüfter

Wenn hinter jedem Windrad ein zweites steht, kann das künftig als Lüfter in Flautemomenten genutzt werden und so Grundlastfähigkeit herstellen.
 
Seine Erfinderkarriere ist einzigartig, sein Beitrag zum weltweiten Energieausstieg bemisst sich in Megatonnen CO2. Jens Urban, ein Tüftler, der die Bühne der Weltverbesserer vor 15 Jahren mit der Entwicklung eines Atommüll-Ofens und einer Solarlaser-Heizung für afrikanische Entwicklungsstaaten betrat, hat seitdem ein NSA-Patent zum energiefreien Betrieb eines Perpetuum Mobile optimiert und erfand ein starkmagnetgetriebenes Fahrzeug erfunden. In den vergangenen Jahren aber widmet der 51-Jährige sich ausschließlich den erneuerbaren Industrien. Dabei geht er von der Prämisse aus, dass die Beschränkungen der Schulphysik abzulehnen sind, wenn es in Zeiten grundsätzlicher Weichenstellungen darum geht, globale Klimagerechtigkeit zu schaffen.  
 

Ablehnung grüner Physik

 
Statt auf fragwürdige Konzepte althergebrachter grüner Physik zu setzen, die bisher alle Erwartungen enttäuscht hat, sucht der inzwischen auf Sylt lebende  Privatgelehrte nach Alternativen zu alternativen Antrieben und naturnahen Speichermöglichkeiten ohne schädliche Nebenwirkungen. Die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung lehnt Urban grundsätzlich ab - zu wenig effektiv, zu aufwendig bei der Umsetzung, flächenraubend und zu sehr angewiesen auf zu viele edle Metalle, chemische Prozesse und nicht-regionale Großanlagen.

Jens Urban zufolge liegt die Effizienz der Wasser-Elektrolyse zur Produktion von Wasserstoff mit erneuerbarem Strom derzeit bei nur rund 60 Prozent. "Das heißt", rechnet der Experte vor, "um die bis 2030 eine erwartete Nachfrage von 4 TWh bis 20 TWh Wasserstoff allein in Deutschland zu decken, müssten etwa acht bis 40 TWh Windenergie zusätzlich erzeugt werden." Das entspräche einer Erweiterung der derzeitigen Windkrafterzeugungskapazität um ein Drittel, hinzu kämen weitere zehn Prozent, um künftig auch Stahl mit Hilfe von grünem Wasserstoff zu schmelzen. "Wenn nur 60 Prozent der Energie, die für die Elektrolyse aufgewendet wird, auch in Wasserstoff gebunden wird, geht fast die Hälfte des von den Rotoren erzeugten Stroms verloren", klagt Urban.
 

Ein wirklich smartes Konzept

 
Er will das ändern und hat dazu ein smartes Konzept erstellt, wie er es auch schon für Herstellung ökologisch einwandfreier Braunkohle vorgeschlagen hatte. Alles sei durchgerechnet, abgecheckt und wissenschaftlich belegt, wie er betont. "Mit meiner Strategie erreichen wir Wirkungsgrade, die um Größenordnungen über denen des sogenannten grünen Wasserstoffes liegen." Den bezeichnet Jens Urban im Gespräch als "sogenannte Ökoenergie": "Im Grunde nichts anderes als ein adaptiertes Holzgeneratorverfahren", schimpft er. 

Sein Wind-zu-Wind-Verfahren ist anders, schlanker, smarter und umweltfreundlicher. "Wir brauchen keine chemischen Großanlagen, keine aufwendigen Transporte, keine Umschlagplätze, Tankstellen und Verbrennungsöfen." Nahezu alles läuft auf vorhandener Technik, nötig sei einzig eine weitere Verdopplung der ohne geplanten Verdopplung der Zahl der Windkraftanlagen und deren Aufrüstung zu den von Urban selbst entwickelten Doppelwindrädern. "Vieles lässt sich da aber einfach softwareseitig lösen", sagt er.
 

Clever genutzte Verschwörungstheorie


Denn der eigentliche Trick liegt in der ausgeklügelten Nutzung einer Verschwörungstheorie, die seit Jahren im Internet kursiert. Danach sind Windkraftanlagen keineswegs Energieerzeuger, sondern vielmehr aufwendig installierte elektrisch betriebene Landschaftslüfter, die nach demselben Wirkprinzip funktionieren wie ein Bürolüfter: Wird es zu warm, fährt ein intelligenter Sensor die Maschine hoch, die daraufhin einen steten Luftstrom ausströmt, der die Umgebung großräumig kühlt.
 
Hier setzt Urban mit seinen Doppelwindkraftanlagen an. "Wenn wir hinter jedes Windrad ein Windrad stellen, das nicht nur von natürlichen Luftströmen, sondern auch elektrisch angetrieben werden kann", führt er aus, "machen wir uns von den Launen der Natur unabhängig." Ausgestattet mit einer herkömmlichen Batterie sei die als Backup- oder auch ein B-Säule bezeichnete Windkraftanlage hinter ihrer jeweiligen A-Anlage in der Lage, bei Flaute selbst Wind zu erzeugen. "Der treibt dann die wegen Windstille eigentlich zur Untätigkeit verdammte A-Anlage an." 
 

Zu jeder Zeit Erneuerbare


Das große Manko der Erneuerbaren, dass sie nicht immer und zu jeder Zeit in der Lage seien, Grundlaststrom zu liefern, werden damit hinfällig. "Urban-Doppel-Anlagen produzieren immer Strom, entweder von natürlichen Windströmungen angetrieben oder vom Urban-Wind aus den B-Säulen." Der Wirkungsgrad solcher Doppelanlagen sei dem von grünen Wasserstoffkreisläufen weit überlegen. "Eine Windenergieanlage hat nach etwa drei bis sieben Monaten schon so viel Energie erzeugt, wie für ihren Bau, den Betrieb und ihren Rückbau benötigt wird", fasst Jens Urban zusammen.
 
Durch den Bau der Urban-Doppelstrukturen verlängere sich der Zeitraum zwar auf bis zu 14 Monaten, dazu komme noch der energetische Aufwand für die Aufrüstung mit ortsfesten Batteriespeichern. "Aber dafür haben wir danach eine Windkraftlandschaft, die durchgängig zur Versorgung mit elektrischer Energie in der Lage ist." Fehlt es einmal an Wind, laufen die Lüfter an und treiben mit dem von ihnen generierten Luftstrom die Rotoren der Hauptanlagen so an, dass die wieder Strom ins Netz einspeisen können. Die Drehrichtung seit dabei egal. "Wir haben das getestet, es funktioniert immer, so lange die A-Anlagen gut gepflegt und geschmiert sind."
 

Eine Zeitenwende zur Freiheitsenergie


Eine Zeitenwende, die die Diskussion um eine Atomkraftcomeback ebenso beenden dürfte wie sie die kruden Träume von einem umfassenden Umstieg auf leicht explosiven Wasserstoff obsolet macht. "Es funktioniert alles mit Strom, alles geht durch herkömmliche Kabel, die gesamte benötigte Technik ist erprobt, bekannt und simpel", verdeutlicht der Vater der deutschen Windkraftrevolution wie die Doppel-Räder Deutschland von russischem Gas, Kernkraft, Öl und Holzpellets zugleich unabhängig machen könnten. Zudem sei das gesamte System einfach skalierbar und es benötige nicht einmal mehr Platz als die vorhandenen Anlagen nach erreichen der Ausbauziele der Bundesregierung beanspruchen werden. "Doppelräder werden prinzipiell zwischen  vorhandene Rotoren gestellt, so dass es auch keine Auseinandersetzungen mit Anwohner und Windkraftgegner gibt."

Seine umfangreichen Ausarbeitungen mit Lageplänen, Berechnungen und Bauskizzen will Jens Urban schon in den nächsten Tagen an Bundesklimaminister Robert Habeck schicken. "Ich bin froher Erwartung, dass das Potenzial meiner Entwicklung dort schnell erkannt wird", sagt er, "denn viel Zeit bleibt uns nicht mehr, wenn wir das Klimaziel aus dem Pariser Klimavertrag früher oder später erreichen wollen."

Querdenker: Gegen den gesellschaftlichen Takt

"Erheblich abgestraft" gehört, wer sich gegen den mehrheitsgesellschaftlichen Konsens stellt.

Auf einmal waren sie überall. Querdenker, die sich der Vernunft in den unausweichlichen Gang der Dinge warfen, die rebellierten, wo es nichts zu widersprechen gab, und die sich einen Spaß daraus machten, die besten Wissenschaftler und Gesundheitspolitiker des Landes zu verhöhnen. Querdenker, bei der Wahl zum Unwort des Jahres knapp gescheitert, bezeichnet gesellschaftsfeindliche Elemente, die sich den im Regierungsviertel längst erkannten und beschlossenen Maßnahmen verweigern.  

Dickköpfig und unbelehrbar

Dickköpfig und unbelehrbar beharren sie auf ihrer Sichtweise als der einzig richtigen. Zu Beginn der Pandemie behaupteten sie, das werde alles gar nicht so schlimm werden. Später prepperten sie, weil alles noch viel schlimmer werden sollte. Wie aus dem gesamtgesellschaftlichen Takt gerissen, war ihnen nie etwas recht. Und selbst das wollten sie nicht zugeben.

Woher aber kommt das für deutsche Verhältnisse recht neue Bedürfnis, immer anders zu denken? Wer hat diesen Menschen beigebracht, dass sie selbst entscheiden können, welcher Wissenschaft sie folgen wollen? Und woher eigentlich nehmen die Betroffenen die Selbstgewissheit, mit ihrem querdenken richtig zu liegen?

Tief im Archiv

Man muss tief in deutsche Archive steigen, um die Ursprünge der Bewegung zu finden. Sie liegen in einem Milieu, das in der alten Normalität der Vor-Bundesrepublik eine tiefsitzende Animosität gegen die Uniformität der deutschen Denkungsart entwickelt hatte. Im Querdenken sahen jene Kreise seinerzeit eine Tugend, an Bildungseinrichtungen unterwiesen sie schon Kinder und Jugendliche in verschrobenen, abseitigen Gedankengängen. Eine ganze Schullandschaft setzte, über Jahre offenbar unbemerkt vom Staat und seinen Behörden, auf die Heranbildung von "Querdenkern", die in völliger Verkennung der Umstände gleichgestellt wurden mit "Fragenstellern" und "Wissenwollern", wie es Eliteinternat im ostdeutschen Torgelow werbend formuliert.

Ein Versagen der Schulaufsichten, das von zynischen Medienberichten flankiert wurde. "Mehr Querdenken braucht der Staat", forderte der Berliner "Tagesspiegel", das heute als verlässlich und meinungsstabil unabhängig von der Faktenlage geltende Redaktionsnetzwerk Deutschland setzte Querdenker mit Bürgerrechtlern gleich und der öffentlich-rechtliche Sender Bayern 2 behauptete gar, es gebe zumindest einen "klugen Querdenker".

Wurzeln des Wachstums

Die Wurzeln des explosionsartigen Wachstums der Szene, sie liegen hier. Mit Corona und der Erkenntnis, dass selbst "die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg" (Angela Merkel) keineswegs dazu führt, dass alle Menschen immer derselben Meinung sind, machte der Querdenker Karriere als Staatsfeind Nummer 1. All die Querdenker-Projekte, in denen deutsche Gymnasien vermeintlich besonders originelle Köpfe hatten heranzüchten wollen, weil Medien denen nachsagten, sie seien ihrer Zeit voraus, sie trugen nun saure Frucht.

Hetzer, Schwätzer, Schwurbler, Genesene, die gegen den Konsens der Wissenschaft pöbeln, sobald der zu neuen Erkenntnissen kommt - versammelten sich Menschen, die nicht geradeaus denken können, ehedem noch bei der Beratungsstelle Hochbegabung zu den "Querdenkertagen", so treffen sie sich jetzt auf der Straße, bei Telegram, Facebook und anderen unaussprechlichen Orten der Entsolidarisierung. Die Früchte einer Entwicklung, die wohl mit den 68ern begann, zu deren Idealen es gehörte, Eigenständigkeit, Selbstdenken und Individualität zu predigen, selbst wenn das bedeutet, Regierungsentscheidungen infragezustellen und obrigkeitliche Anweisungen zu ignorieren.

Der Schoß, aus dem das kroch

Die Verantwortung des Bildungswesens, in dem eine, zwei oder sogar drei rebellisch geprägte Lehrer*Innen-Generationen diese Querdenker und egoistischen Zweifler produzierten, ermutigten und schließlich auf eine ungeschützte Gesellschaft losließen, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das ist der Schoß, aus dem das kroch, ein Milieu enthemmter Eigensinnigkeit, die dazu führt, dass selbst stabile Betreuungsdemokraten "Eigenverantwortung" predigen und Solidarität nur noch eine Erinnerung an die wenigen und kurzen Momente ist, in denen individuelle Interessen hinter denen des Kollektivs zurückstehen mussten.

Montag, 21. März 2022

First Strike: Wer zieht zuletzt

Drei Wochen tobt der Krieg in der Ukraine und während sich die Welt noch fragt, ob die Auseinandersetzung mit konventionellen Waffen kippen könnte in ein Kräftemessen mit Atomsprengköpfen, erobert mit "First Strike" ein Klassiker des endgeilen Atomkriegs-Mobilegaming die internationalen AppStore-Charts. 
 

Erster Aufschlag

 
Ausgerechnet aus der neutralen Schweiz, die im Fall einer echten kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Putin und dem Westen die Aufgabe hätte, etwaige Gefangenenaustausche und spätere Waffenstillstandsgespräche zwischen den Überlebenden zu organisieren, kommt das temposcharfe und blutnasse Spiel, das draußen im Lande begeistert aufgenommen wird. Schon in den ersten paar Tagen schaffte es das bereits etliche Jahre alte Spiel den erneuten Sprung in vordere Positionen der offiziellen AppStore-Top-Charts. In Deutschland, der Heimat der weltweiten Friedensbewegung, wurde sogar Rang 2 erreicht.

Atomkrieg zieht eben immer, umso mehr, wenn die Entwickler wie hier ein Viertel der Einnahmen (nach Steuern) an Organisationen spenden, die sich weltweit für die Abrüstung von Nuklearwaffen einsetzen. „Wir hoffen, dass First Strike die Menschen dazu bringt, sich mit Themen wie Atomkrieg wirklich auseinanderzusetzen und nicht nur darüber zu reden“, hat Moritz Zumbühl vom Entwickler Blindflug Studios begründet, warum auch ein nuklearer Krieg letztlich  nur ein Gedankenexperiment ist. Wichtig sei, die Vernichtung der Erde auch mal durchzuspielen. „Im Spiel kann man sehen was passiert, wenn eine Atomrakete gezündet wird und auch die Folgen, wenn sie London trifft“, beschreibt Zumbühl stolz. 
 

Augenblicklich atomisiert

 
Als Spieler schlüpft man im Spiel in die Rolle einer von elf Atom-Mächten und hat wie Wladimir Putin, Joe Biden oder die chinesische Führungsclique dann das hehre Ziel, ganz viel von Moral und Völkerrecht zu reden, während man versucht, Gebiete zu erobern, Feinde in Schach zu halten und deren Atomraketen abzuwehren. Der Spielende tritt gegen eine künstliche Intelligenz an, über die es allerdings Beschwerden gibt: "Du schließt eine Allianz und dann erklären sie dir innerhalb der ersten Minute den Krieg und alle anderen Nationen atomisieren dich auch."
 
Schade, sonst wäre vielleicht ein Sieg drin gewesen. Aber dieser Atomkrieg, das wird schnell klar, wurde speziell für Tablets mit iOS- und Android-Betriebssystemen entwickelt, um Spaß zu mahcen. Die Steuerung ist intuitiv über Gesten und konzeptuelle Menüs, es gilt, im atomaren fall out einen kühlen Kopf zu bewahren, da sich auch ein kleiner Konflikt im Kaukasus von entsprechend vorgebildetem Führungspersonal mit etwas Mühe und scharfen Sanktionen in kürzester Zeit zu einer nuklearen Katastrophe globalen Ausmaßes entwickeln lässt.

First Strike ist im Apple-Store und bei Google Play erhältlich.

Disney denkt um: Schneewittchen wird zur Riesin

In der menschenverachtenden Originalversion wurde die sogenannten "Zwerge" noch als kleinwüchsige Personen gezeigt, die gemeinsam in einer Höhle leben.

Peter Dinklage ertrug es nicht mehr länger, er konnte nicht mehr schweigen. Der kleinwüchsige Darsteller, berühmt geworden mit seiner charakterstarten Darstellung des kleinwüchsigen Tyrion Lannister in der Fernsehserie "Game of Thrones", hatte sich zu Beginn des Jahres empört Luft gemacht, nachdem er erfahren hatte, was der Unterhaltungskonzern Disney da plante. Ein Remake des erfolgreichen "Schneewittchen"-Trickfilmes, erneut unter dem Titel des "Schneewittchen und die sieben Zwerge".  

Klein gegen Groß

Der nur 1,35 Meter große Weltstar konnte angesichts dieser Ungeheuerlichkeit nicht an sich halten. Einerseits feiere sich Disney dafür, dass das ehemals mit einer weißen Zeichentrickfigur besetzte Schneewittchen nun eine Latina werden solle. Andererseits aber halte das Studio an der problematischen Darstellung von Zwergen fest. Die würden weiterhin als kleingewachsen und zu kurz geraten gezeigt, sie müssten zu siebt in einer Höhle leben und würden womöglich auch wieder mit den krummen Beinen und Knollennasen gezeigt, die schon in "Herr der Ringe" und "Digedags" zum Stereotyp gehörten.

Beim Weltkonzern aus Burbank in Kalifornien kam die Mahnung offenbar an. Nach einer ersten Erklärung, nach einem "anderen Ansatz" für eine zeitgemäße Umsetzung der als "sieben Figuren" bezeichneten klitzekleinen Helfer des in der Buchvorlage so lange unglücklich agierenden Schneewittchen zu suchen, deuten sich nun erste Entscheidungen an. 

Riesin als Schneewittchen

Unter der Regie von Marc Webb ("500 Days of Summer")  könnten die Rollen der Darsteller erstmals vertauscht werden: Statt der sogenannten normalwüchsigen Rachel Zegler als Schneewittchen und "Wonder Woman" Gal Gadot als böser Stiefmutter, würde der Cast bei den "sieben Figuren" dann mit sieben normalwüchsigen Schauspielern besetzt, während für die Rolle von Schneewittchen und Stiefmutter  besonders hochgewachsene Stars wie Dinklages "Game-of-Thrones"-Kollegin Gwendoline Christie mit ihren 1,91 Metern ausgewählt werden.

Die traditionellen und vom Publikum auch erwarteten Stereotype des ursprünglichen Trickfilms bleiben so erhalten, Peter Dinklages Kritik der Festlegung Kleinwüchsiger auf das Klischee des "Zwergs" aber wird ebenso berücksichtigt. Auf die diskriminierungsfreie Umsetzung der Klassikerverfilmung darf das Kinopublikum schon gespannt sein.

Sonntag, 20. März 2022

Zitate zur Zeit: Geimpft, genesen, tot

Am Ende dieses Winters ist jeder in Deutschland geimpft, genesen oder gestorben.

Jens Spahn, 22. November 2021

Germany's Next Top Model: Freakshow in Luxusfetzen

Diverse Kandidaten, nicht immer schön anzusehen.
Massig wie ein Berg, klein wie ein Märchenzwerg, riesig wie ein Basketballspieler oder alt oder unbeholfen oder das alles zugleich, so stolpern sie dieses Mal über die Naturlaufstege der coronakonformen Welt, die Kandidatinnen der 17. Staffel von "Germany's Next Top Model", einer Casting-Show im Dschungelcamp-Stil, bei der erstmals nicht nur ein wenig Buntheit untergemischt wird, sondern alle Darbietungen um das Grundanliegen der Diversität geordnet worden sind. Neben einigen wenigen Teilnehmerinnen mit Standard-Modelmaßen steht ein Querschnitt der weiblichen Bevölkerung vor der Kamera: Seniorinnen und Wohlbeleibte sind darunter, winzig kleine Frauen und riesig große, pummelige und dürre.  

Show ohne Schönheitsideal

Die Zeiten, in denen Model allgemeinen Schönheitsidealen entsprechen sollten, sie sind zumindest in der Vorführshow für Frauen, die sich einbilden, hier das Sprungbrett für eine internationale Karriere als Kleiderständer zu finden, vorüber. Vor die Entscheidung gestellt, festzuhalten am althergebrachten 90-60-90, an Disziplin, Hunger und Selbstkasteiung als Voraussetzung für einen Beruf, der nach weniger aussieht als er ist, oder sich zu entscheiden, Signale aus der Mediengesellschaft aufzunehmen und umzudenken, hat Produzentin Heidi Klum sich für Letzteres entschieden. 

Der mediale Trend ist ihr Friend, die "Diversität" jedes zweite Wort ihrer gestrengen Moderationen. Klum selbst, 48 Jahre alt, wirkt zeitweise wie die Einzige im bunten Gewimmel der Möchtegernmodels, die sich ernsthaft um den namensgebenden Titel ihrer Sendung bewerben könnte. Neben ihr tappern Passgänger durch die lichtdurchfluteten Landschaften, deren Schönheit die mangelnden Modelvoraussetzungen der Kandidatinnen nur noch unterstreichen. Neben ihr strampeln sich Raupen vergeblich auf high heels ab, im Bemühen, der Schmetterling zu sein, für den sich sich selbst halten. Neben ihr walzen Körpergeräte über den Laufsteg, die rücksichtsvoll als curvy bezeichnet werden, obwohl sie einfach nur unfassbar dick sind für junge Mädchen aus einem Land, das alle Möglichkeiten bietet, Sport zu treiben und sich gesund zu ernähren.

Jeder kann alles sollen

Aber niemand muss das noch, nicht einmal, wenn er Model werden will. Jeder kann alles sollen in den Zeiten der Diversität, in denen jedes Anderssein als Orden getragen werden darf. Pickel, Bauch oder krumme Beine, voluminöses Hinterteil oder stramme Schenkelchen - es ist egal. Jeder ist, was er ist, und jeder ist zufrieden damit. Wer nicht schnell laufen kann, dessen große Tugend ist eben die Langsamkeit. Wer nach landläufiger Lesart zu alt ist, um eine Modelkarriere zu starten, der startet eben eine als jemand, der zu alt ist für eine Modelkarriere. Und dass 120 Kilo pralle Rosigkeit auf hohen Absätzen so schwer zu balancieren sind, dass es ab und zu zu dramatischen Stürzen kommt, ist nicht schlimm. Da haben die Zuschauer wenigstens etwas zu Lachen.

Heidi Klum lacht nicht. Das frühere Unterwäschemodel die Rolle der Dompteurin dieser Freakshow mit ihrer ganzen schauspielerischen Routine. Besser noch als jeder Zuschauer weiß sie, womit sie es hier zu tun hat: Einem Rummelplatz, auf dem Kleinwüchsige Basketball spielen, Übergewichtige sich im Sprint messen und junge Mädchen mit dem roboterhaften Bewegungsablauf von Fünfjährigen, die zum ersten Mal Muttis hohe Schuhe anprobieren, versuchen, auszusehen wie die geilen girls auf ihren abonnierten Insta-Kanälen.

Sittenverfall voraus

Es ist ein Drama, ein Sitten- und Kulturverfall wie er selbst im Zuge das allgemeinen Kulturabbaus der 2000er Jahre nur selten zu beobachten war. Selbstverständlich war auch GNTM nie eine ernsthafte Casting-Show, immer glich das Format ähnlichen Veranstaltungen in denen grell gesungen, jongliert oder getanzt wird. Nicht die Ausbildung oder auch nur das Finden des neuen Topmodeln war das Ziel, sondern die Inszenierung des Weges dorthin. Eine Halb-Doku-Show voller Gelächter, Tränen, Dramen und Intrigen, an der teilzunehmen sowohl Selbstverachtung als auch Naivität und über die Kindheit hinaus bewährte Illusionen Voraussetzung waren.

Beim Herumschauen aber sahen die Teilnehmerinnen früherer Jahrgänge sich selbst wie im Spiegel. Lauter knackige, sportliche Mädchen mit beneidenswertem Körperbau, Konkurrentinnen mit ähnlichen Voraussetzungen, aus denen sie ähnliche Ansprüche ableiteten: Die Schönste sein, die Talentierteste, Fotogenste. 2022 hingegen können auch die "Top-Designer" (Klum), Beleuchter und "Top-Fotografen" (Klum) wenig daran ändern, dass die Parade der Trampel, das Humpeln der Seniorinnen und die bemitleidenswerten Bemühungen des Teilnehmerfeldes um den aufrechten Gang wie die Karikatur früherer Staffeln wirkt. Niemand hier hat die Aussicht, ein "Topmodel" zu werden, denn niemand im Bewerberinnenfeld - diesmal sind nur Frauen am Start - bringt die Voraussetzungen dazu für eine solche Karriere mit. 

Das steigert den Unterhaltungswert, weil es die gesamte soap in eine Veranstaltung verwandelt, die mit viel Mitleid genossen werden muss. Eine Freakshow in Luxusfetzen, unverdrossen absolviert von Darstellerinnen, deren Selbstbild allem entspricht, nur der Realität eben nicht. Wie Karikaturen stolzieren die Kandidatinnen über den Bildschirm, anfeuert von einer Veranstalterin, die sich nach Drehschluss selbst nicht glauben wird, dass diese Farce, die Verballhornung dessen, was die menschenverachtenden Casting-Show früher einmal zu sein immerhin vorgaben, noch immer ernst genommen werden kann.


Samstag, 19. März 2022

Aisha Muammar Gaddafi: Da ist sie aber immer noch

Zehn Jahre danach sind sie immer vergessen. Eine ganze Grundschülergeneration weiß nicht mehr, hat nie gewusst und wird niemals mehr wissen, wer sie waren, was sie taten, wie sie ihr Ende fanden, im Erdloch oder im peinlichen Gezerre um ein Erbe, das niemand antreten will. Wonach auch immer sie strebten, was immer sie zu erreichen trachteten, welcher Zweck ihnen die Mittel heiligte, welche Kriege oder Posten sie gewannen und verloren, alles Staub im Wind, verrotte Erinnerung einer aussterbenden Generation, die wegen ihrer Kenntnis von Namen, die niemand kennt, milde belächelt wird.  

Überlebende ihrer Zeit

Nur gelegentlich bleiben einige von ihnen übrig, Überlebende ihrer Zeit, die den Schuss gehört haben, weil er sie nicht traf. Aisha Gaddafi war über Jahre ein strahlendes Gesicht im Kreis ihrer Lieben, damals, als Vater im Nahen Osten noch für Ruhe und Ordnung sorgte. Die einzige leibliche Tochter des Diktators diente der Menschheit als Ehrenbotschafterin des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, sie kämpfte gegen AIDS und die Unterdrückung von Frauen in der arabischen Welt, wo Frauen hoch geehrt, aber anders behandelt werden als es außerhalb der umma für angemessen angesehen wird. einsetzte.

Frau Gaddafi war Mitte 30 und hochschwanger, als ihr Vater in Bedrängnis geriet, nachdem die UN - Deutschland und Russland enthielten sich - die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen beschlossen und mit Luftangriffen auf Muammar al-Gaddafis Truppen begonnen hatten. Kein Krieg, sondern ein internationaler Militäreinsatz, der nur sechs Monate dauerte. Wenig später starb der Revolutionsführer, ein Bild-Reporter kuschelte sich in sein Diktatorenbett und Aisha al-Gaddafi muss fliehen, bar aller Ämter, verfemt weder Algerien noch später im Oman willkommen. 

Sanktionen aufgehoben

Sechs Jahre später erst hob der EuGH die 2011 gegen sie erlassenen Sanktionen der EU, das Einreiseverbot und die Sperrung der Bankkonten. Aus Aisha al-Gaddafi, die hatte klagen müssen, um zu erfahren, dass "nicht genügend Informationen über ihre konkrete Rolle bei der Niederschlagung des Aufstandes von 2011" vorlägen, die Sanktionen rechtfertigen würden, hatte sich da schon längst in eine Unsterbliche verwandelt: "I am writing this mail with tears and sorrow from my heart asking for your urgent help", barmte sie in Millionen und Abermillionen Spammails zum Steinerweichen. 

Und bat anschließend um dringende Hilfe: Alle Investments und Bankkonten seien doch eingefroren, nur das eine nicht: "My Father of blessed memory deposited the sum of $16.5M (Sisteen Million, Five Hundred Thousand Dollars) in (ADB) Bank Burkina Faso which he used my name as the next of kin."

Um an das Geld zu kommen, ist die Tochter des einst so mächtigen Clans bis heute auf der Suche nach Helfern unterwegs. Die Frau, die stets als die gute Seele ihrer Familie galt, hat bisher niemanden gefunden, der bei der ADB Bank als ihr Treuhänder auftritt und das vorhandene Guthaben für sie abhebt. Dabei würde sie teilen - nach den aktuell verschickten Mails inzwischen sogar 21 Millionen Euro, die nun in einem "Investmentfonds" liegen. Sie als Flüchtling habe keine Chance, an das Geld heranzukommen. 

Ein Stück Ewigkeit

Ein Stück Ewigkeit, auch wenn Aisha ihre Maildresse offenbar von aishamudela10@gmail.com zu bar.aishamuammargaddafi@gmail.com hat ändern müssen. Da ist sie aber immer noch, "eine alleinerziehende Mutter und Witwe mit drei Kindern", wie sie sich selbst und ihre derzeitige Lebenssituation so anrührend beschreibt. Spammer, die dreist auf Betrug aus sind, würden etwas von Ukraine lügen, sich als verfolgte russische Oligarchen ausgeben oder arglosen Hilfsbereiten die Übertragung an russischen Ölfirmen in Aussicht stellen. 

Aisha Gaddafi aber bleibt ehrlich: "Ich werde Ihnen das Eigentum an den Fonds genehmigen, bin jedoch an Ihnen für Investitionsprojektunterstützung interessiert in Ihrem Land, vielleicht von dort, können wir in naher Zukunft eine Geschäftsbeziehung aufbauen."

F-35liegt nicht so hoch: Luftnummer am Himmel

Mit neuen Jets von Dassault wollte die Bundesregierung den Friedensschluss mit Frankreich besiegeln.

Auf einmal war sie da, die Wunderwaffe gegen den Kreml-Herrscher, ein Hightech-Wirtschaftsfaktor, das Deutschland mal eben so beim Hersteller Lookheed Martin "bestellt" (Tagesschau) hatte. Nicht lang schnacken, Kommisskopp in Nacken! Schluss mit den ewigen Ausschreibungen, dem Sturmgewehrstreit um Friedenswaffen, den Gerichtsverfahren, dem Hin und Her zwischen Bestellbehörden, Ämtern, Kartellämtlern und Juristen bis hinunter nach Arabien. Es ist Zeitenwende und wo bisher jedes Rathaus für sieben Blatt Papier und eine Faxmaschine europaweit Angebote einholen musste, so dass der Aufwand beträchtlich war, den favorisierten Bewerbern am Ende auswählen zu können, darf jetzt durchbestellt werden.

Kampfjets sind Wirtschaftshilfe

Mag auch die Bundeswehr als Parlamentsarmee ein fein ziselierten vierstufiges Ausschreibungsverfahren haben, das eine ganze Armee an Beschaffungsbeamten ernährt. Das war gestern. Morgen war Krieg und heute wird für fünf Milliarden bestellt, was vor vier Jahren genau noch den obersten Fliegergeneral der Luftwaffe den Kopf gekostet hatte. Karl Müllner, seinerzeit  sogenannter "Inspekteur der Luftwaffe", diente unter Ursula von der Leyen, bis er sich versprach. Entgegen der deutschen Staatsdoktrin, dass Kampfflugzeuge nicht in Schlachten fliegen, sondern vor allem als Wirtschaftswaffe Partnerschaften im Frieden schließen müssen, hatte der Generalleutnant öffentlich erkennen lassen, dass er die amerikanische F-35 für seine Luftflotte ordern würde, dürfte er bestellen, was er wolle.

Von der Leyen aber hatte sich auf ein Flugzeug festgelegt, das es noch gar nicht gab. Gemeinsam mit Frankreich würde man unter dem Namen Future Combat Air System (FCAS) ein "Luftkampfprojekt" (von der Leyen) verfolgen, das irgendwann jenseits des Jahres 2040 als Ablösung für die Tornado-Jagdbomber in Dienst gestellt werden sollten, die damit kurz vor ihrem 70. Geburtstag hätten in Rente gehen könne. Ein Kauf von amerikanischen F-35, "dem derzeit modernsten Kampfflugzeug" (DPA), hätte diesen Plan gefährdet, deshalb musste Müllner gehen. 

Auf einmal alternativlos

Vier Jahre später aber ist der Jubel groß. Wie Bundeskanzler Olaf Scholz über Nacht 100 Milliarden für die Nachrüstung aus dem Hut zauberte, so zauberte Christine Lambrecht kaum eine Woche später eine Entscheidung ganz in Müllners Sinn hervor: "Bis zu 35 Jets" des Typs F-35 Lightning II will Lambrecht kaufen, auch, weil der Jäger die amerikanischen Atombomben ins Ziel tragen kann, die in Deutschland mutmaßlich, aber nicht offiziell für den Fall stationiert sind, dass  sie eines Tages benötigt werden müssen. Auf einmal sind die Ami-Flieger alternativlos, weil alle anderen Modelle erst aufwendig für den sicheren Atombombenabwurf über bewohnten Gebieten hätten "zertifiziert" (Der Spiegel) werden müssen.

Die europäische Industriepolitik verliert gegen die Wirklichkeit des Krieges. Die enge Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands mit Frankreich, zuletzt mit der Unterzeichnung eines "High Level Common Operational Requirements Document" gefeiert, unterliegt der Notwendigkeit, jetzt aber nun doch schnell irgendwas zu machen. Und sei es nur, um eines der üblichen Zeichen zu setzen, dass nun aber wirklich etwas getan wird.

Luftnummer am Himmel

Mehr ist sie nicht, die vermeintliche "Bestellung", die medial begeistert gefeiert wurde, ohne dass irgendwo auch nur der Anflug eines Liefertermin zum Vorschein kam. Naheliegenderweise, denn bis dahin wird es dauern. Wie damals, als es um die Kolonien ging, ist Deutschland wieder eine zu spät gekommene Nation: Während die deutschen Luftkriegsplaner Verteilkämpfe um die Produktionsaufteilung der theoretisch eines Tages ja womöglich wirklich fliegende FCAS-"Luftkampfprojekt" durchführten, das in seinem 20. Planungsjahr - Start war 2001 - nur noch sechs Jahre von einem ersten flugfähigen "Demonstrator" (Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtsindustrie) entfernt ist, kauften ringsum mehr und mehr Partnerstaaten den Lookheed-Jet.

Acht europäischen Staaten haben das Mehrzweckkampfflugzeug bereits bestellt, die nächsten drei Jahresproduktionen von jeweils etwa 150 Maschinen sind verkauft, wie in diesem Zeitraum werden auch in allen künftigen Produktionsjahren drei Viertel aller Maschinen an die US-Streitkräfte gehen, die auf eine Luftflotte von beinahe 2.500 Maschinen spart. Bleiben ab 2025 jährlich etwa 30 F-35 für auswärtige Kunden - bei derzeit etwa 400 offenen Bestellungen für den Zeitraum nach 2025.

Es wird dauern mit der Luftaufrüstung

Es kann also noch dauern mit der deutschen Luftaufrüstung mit dem "Ferrari der Lüfte", obwohl ein paar Maschinen aus einer türkischen Bestellung nicht an den Bosporus ausgeliefert werden können. Zu lange nachgedacht, zu gründlich verspekuliert, wo selbst Italien, anfangs noch Teil der FCAS-Luftnummer, sich nach kurzer Zeit abwandte und statt der europäischen Air Show auf amerikanisches Fluggerät setzte.

Ums Fliegen aber ging es weniger, als Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Emmanuel Macron 2017 nach dreijähriger Machbarkeitsprüfung die Absicht beider Länder bekanntgaben, den französischen Hersteller Dassault Aviation und den deutsch-französischen Airbus-Konzern einen eignen Zukunftsflieger bauen zu lassen. Ohne Eile, denn wo Lockheed mit der Produktion des F-35 nach 14 Jahren begann, plante das alte Europa mit 23 Jahren bis zur ersten Indienststellung.

Zeit genug wäre gewesen, wenn nicht eine plötzliche Einsatznotwendigkeit dazwischengekommen wäre, die Christine Lambrecht zwang, anders zu entscheiden als ihre beiden Vorgängerinnen im Verteidigungsministerium, bei denen der F-35 immer aussortiert worden war, weil die friedliebende SPD vor der Zeitenwende keinen neuen Atombomber anschaffen wollte.

Freitag, 18. März 2022

FdH: Einstieg in den Essenausstieg

Es muss nicht immer eine ganze Pizza sein, schon gar nicht mit Belag.

Erst wurde Erdgas teuer, dann Öl, dann Benzin, jetzt schießen die Düngemittelpreise in die Höhe und danach drohen Lebensmittel knapp zu werden. Die Ukraine und Russland gehören bei wichtigen Grundnahrungs­mitteln zu den größten Export­ländern der Welt, das eine Land fällt wegen der Kriegsschäden als Lieferant aus, Russland dagegen wird wegen der Sanktionen nicht liefern können. Doch die Krise birgt auch Chancen für Deutschland, einen Wohlstandsstaat, in dem zwei Drittel (67%) der Männer und die Hälfte (53%) der Frauen als übergewichtig gelten. Ein Viertel aller Erwachsenen sind sogar schwer adipös, das heißt ihr body mass index liegt bei über 30.

Gewicht als Gesundheitsgefahr

Gesundheitspolitisch eine Dauergefahr, versorgungstechnisch ein Alptraum, sicherheitspolitisch ein Spaltpilz. Allein um ihr Übergewicht zu halten, benötigen 23 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen in Deutschland mehr Nahrung als zur Lebenserhaltung notwendig wäre. Praktisch können sie nichts dafür, denn der Anteil des stoffwechselinaktiven Gewebes ist bei ihnen einfach höher als bei Normalgewichtigen. Dadurch schmecken ihnen große Mengen an Speisen länger besser und sie brauchen immer mehr davon. Volkswirtschaftlich gesehen aber wird dieser Mehrbedarf in Zeiten leerer Speisekammern ein Problem: Woher nehmen und nicht stehlen? Wie die zusätzlichen Belastungen für ohnehin strapazierte Lieferketten und das globale Klima schultern?

Zuletzt protestierten Bauern in Mecklenburg-Vorpommern schon mit ihren Traktoren in gegen eine neue Landesdüngeverordnung, die den Einsatz von künstlichen Wuchshilfen weiter einschränkt. Nur mit solchen Düngeverboten aber wird sich das Nahrungsangebot kaum ausreichend auszuweiten lassen, um bei höheren Anforderungen an die Selbstversorgung des Landes alle Wünsche zu erfüllen. Während die Bundesregierung die durch den russischen Angriff auf die Ukraine ausgelöste Verknappung bislang nicht zum Anlass nimmt, ein großes Diätsparprogramm aufzulegen, hat das Klimawatch-Institut (CLW) im sächsischen Grimma, das bereits früh erste Energiespartips gab, einen ersten Ratgeber zum Essensausstieg vorgelegt. 

 Abhängig von Sonnenblumenöl

Bei den Vorschlägen, die das CLW gesammelt hat, gehe es keineswegs um Zwang oder Pflichtmaßnahmen, sagt Institutssprecher Herbert Haase, "sondern darum, wie Deutschland die Abhängigkeit von Sonnenblumenöl und Weizen aus Russland und der Ukraine verringern und zugleich globale Klimakosten senken kann". Konkret gehe es dabei um eine Senkung des Grundumsatzes durch eine Absenkung der Essgeschwindigkeit. "Wird die um zehn Prozent verringert, steigt dass Sättigungsgefühl bei gleicher Nahrungsmenge um fünf Prozent." Würden alle Privathaushalte sowie Gastronomie- und Gewerbebetriebe dabei mitmachen, könnten damit nach Berechnungen des CLW 7,3 Prozent der importierten Nahrungsmittel eingespart werden.

Sparsamer essen heiße aber auch, die Menge der dem Körper zugeführten Speisen insgesamt zu senken. Gerade beim Kochen werde viel Energie verschwendet, etwa "wenn wir Nudeln kochen, obwohl kalte Eierteigwaren denselben Kaloriengehalt haben wie gekochte". Da Hartweizennudel ungekocht automatisch länger gekaut werden, spare das Kochen nicht nur Energie, sondern auch Speisemengen.  "Würde hier 30 Prozent länger gekaut, spart Deutschland allein bei Nudeln bis zu 20 Prozent der Gesamtmenge."

"Wir essen zu viel"

Rein rechnerisch entlaste das, das Grundproblem werde so aber nicht gelöst. "Wir essen zu viel", sagt Haase, und meint damit vor allem die Gruppe von Mitbürgern, die ohne Rücksicht auf andere mehr für sich nehmen als jedem Einwohner bei gleicher Zuteilung zustehen würde. Hier erwägt das CLW ein Esslimit: Das sei "eine schnelle Maßnahme, die Nahrungsmittelimporte senke, ohne dass jemand zu wenig zum überleben hätte". Gesundheitspolitisch zudem mit heilsamen Nebenwirkungen: Sänke der Verbrauch an hochveredelten Speisen um etwa 34,6 Prozent, würden Bluthochdruck, Herzkrankheiten und gewichtsbedingte Bewegungsarmut automatisch in etwa demselben Maß zurückgehen.

Neben einem Esslimit käme aber auch dem freiwilligen Verzicht eine maßgebliche Rolle zu. Schokolade, ortsfremde Früchte wie Orangen und Bananen, aber auch Bonbons, Süßspeisen und Lakritz seien zur Lebenserhaltung nicht nötig und in der derzeitigen Gesamtsituation auch "obszön zu genießen". Hier hätte ein problemlos möglicher Verzicht einen durchschlagenden Effekt auf den Verbrauch. Würde in Deutschland nur so viel Schokolade gegessen wie in Portugal, wären 80 Prozent aller Schokoimporte überflüssig.

Verzicht auf obszönen Genuss

Ein Beibehalten von Homeoffice und die Schließung aller Kantinen brächte weitere 13 Prozent Ersparnis, ein solidarischer Verzicht auf vorerst jeden zweiten Genuss-Snack (Nüsse, Bier, Wein) weitere 12,4 Prozent. Hilfreich könnten bei der Durchsetzung auch weiter stark erhöhte Preise für Benzin, Gas, Öl und Diesel sein: Nach Beobachtungen des Bundesfinanzministers geben Bürgerinnen und Bürger ihr gesamtes Geld jeweils nur einmal aus, so dass bereits an der Tankstelle abgeschöpfte Beträge später nicht für andere Anschaffungen ausgegeben werden können.

Verweisend auf Erfahrungen aus der Vergangenheit verweist die Klimawatch-Studie auch auf einen Eintopftag pro Woche und generell fleischfreie Sonntage. Größere Effekte seien hier eher mittelfristig zu erwarten, doch ein schnellerer Essensausstieg hätte auch kurzfristig Effekte. Mit dem Abschied von hohen Nährstoffeinträgen auf den Äckern wären die reichen Ernten der Vergangenheit weitgehend Geschichte, die geringeren Produktionsmengen würde aber bei freiwilligem Verzicht auf übergroße Portionen ausreichen, die Ernährung vieler Menschen autochthon zu gewährleisten. Sogar ein gewisses Bevölkerungswachstum bliebe denkbar, ohne dass der Selbstversorgungsgrad unter 100 Prozent absinken müsste. 

Abhängig von Ammoniak

Deutschland, das bisher hauptsächlich von russischen Ammoniak-Importen abhängig war, würde die Chance des von Russland verhängten Ausfuhrverbotes nutzen, um auf natürlich Gründüngung als Ersatz umzusteigen - etwa durch den Anbau von Hülsenfrüchten aus der Familie der Schmetterlingsblütler, die mit Hilfe von Knöllchenbakterien Stickstoff aus der Luft aufnehmen, über die Wurzel im Boden binden und ihn pflanzenverfügbar machen, ohne dass Putin davon profitiert.

Die Lupine zum Beispiel kann mit ihren meterlangen Pfahlwurzeln Nährstoffe und Wasser aus tiefsten Bodenschichten ziehen, sie beansprucht ein Fünftel der Fläche, die eine Kuh samt Futter einnimmt, und sie hat einen neutralen, nur leicht nussigen Geschmack, der außerdem appetitzügelnd wirkt.

Impfpflicht: Wenn das Virus wieder schneller ist

Irrtümer bei den Impfungen
Immer war alles gerade richtig, wenn es war. danach dann aber bald nicht mehr.

Größer als gestern war der Unterschied noch nie, deutlicher fiel die Abstimmung noch an keinem der 447 Tage seit der ersten Corona-Impfung in Deutschland aus. 262.000 zu 82.000 lautet das Ergebnis im Kräftemessen zwischen Immunisierung durch Ansteckung und Immunisierung durch Impfung. Und das, obwohl alle Bemühungen von der EU über den Bund, die Länder bis hin zu kommunalen Behörden, Unternehmen und Familien seit mehr als zwei Jahren nur einem Ziel gelten: Abstand halten. Hände waschen. Nur ja nicht anstecken.

Alles opfern ohne Ziel

Ein Ziel, für das die Spitzenpolitik alles zu opfern bereit war, was an Essenz im freiheitlichen Rechtsstaat steckt. Bewegungs- und Meinungsfreiheit, Vertragsfreiheit, demokratische Grundrechte, sie alle wurden zeitweise suspendiert, um "unsere vulnerablen Bevölkerungsgruppen" (Jens Spahn) zu schützen. Selbst die titanische Aufgabe, das Weltklima zu retten, geriet monatelang aus dem Fokus, weil die Sorge um überlastete Intensivstationen die Angst in den Hintergrund treten ließ, wie das Wetter nach 2050 ausfallen könnte. Milliarden wurden die Entwicklung von Impfstoffen gesteckt. Noch mehr Milliarden wurden für den Ankauf dieser Impfstoffe verwendet. 

Millionen und Abermillionen Menschen ließen sich impfen - bis zum zweiten Geburtstag der Ankunft der Seuche in Deutschland waren es hierzulande 63 Millionen. Weitere 18 Millionen waren bereits ein- oder mehrmals mit Covid-19 infiziert - und im Augenblick kommen jeden Monat 7,5 Millionen dazu. Während an der Impffront gerade mal noch knappe 2,5 Millionen neue Grundimmunisierungen (Lauterbach) oder "Auffrischungsimpfungen" (Spahn) verabreicht werden.

Virus 3, Spritze 1

Im Wettlauf darum, was die Seuche beenden wird, wenn sie denn eines Tages beendet werden sollte, liegt das Virus weit vorn. 3:1 nach Spielanteilen, ohne dass der Gegner noch zuckt: Die große Impfkampagne der neuen Bundesregierung, mehrfach mit laut verkündeten verrückten Fantasiezielen befeuert, die stets kläglich, aber still und heimlich scheiterten, ist vollständig zum Erliegen gekommen, seit der Krieg im Osten tobt. Chefsache im Kanzleramt ist nicht mehr der Kampf um den "Piks" (DPA, Spiegel, Stern), sondern der Kampf gegen Putin. Und wie für jede "Tagesschau" gilt auch für jeden "Regierungsvertreter*in aus Deutschland" (Olaf Scholz über Olaf Scholz), dass er nur immer genau so viele Themen kümmern kann, wie gerade Zeit für nichts anderes gebraucht wird.

In den zwei Monaten seit dem verspäteten Erreichen des Weihnachtsimpfziels Mitte Januar wurden gerade mal noch vier Millionen Impfgegner zu Grundimmunisierten gepikst. Mehr als doppelt so viele Menschen steckten sich in derselben Zeitspanne mit Covid-19 an, 99,9 Prozent überlebten die Infektion und gelten nun zumindest nach aktueller Rechtslage ebenso als "immun" wie Geimpfte. Dass dieser Teil der nationalen Immunisierungsstrategie in den offiziell "behaupteten und rasch verbreiteten" (Bundesgesundheitsministerium) Daten keinerlei Niederschlag findet, muss an Erhebungsmängeln bei den Gesundheitsämtern liegen. Denn Geimpfte und Genesene zusammengerechnet, wäre die von Karl Lauterbach ausgerufene Immunisierungsquote von irgendwo oberhalb von 80 Prozent längst erreicht.

Seuchendeutschland ohne Zahlen

In Seuchendeutschland aber haben Zahlen, Daten und Fakten beinahe vom ersten Tag der Pandemie an keine Rolle gespielt. Nie ist irgendetwas systematisch erfasst oder erforscht worden. Die zentralen Informationsportale zur Infektionslage entstanden an einer amerikanischen Universität und in einem privaten Wohnzimmer in Köln, von Ministerien und Politikern wurde nach Tagesform gelogen  und betrogen, Tatsachen spielten keine Rolle, denn es ging um Medienpräsenz, Karriereplanung und Macht.

Daran ändert selbst der Umstand nichts, dass beim derzeitigen Trend in genau 325 Tagen sämtliche Einwohnerinnen und Einwohner des Landes infiziert gewesen sein werden, ganz egal, ob sie einmal, zweimal, dreimal geimpft oder geimpft oder ungeimpft genesen sind. Zwischen 52 und 58 Millionen Menschen werden sich infizieren, ehe noch eine Impfpflicht kurz vor knapp vor den Lauterbachschen Herbstwelle in Kraft treten könnte, für die dann allen Bekunden zufolge ja ein spezieller Impfstoff bereitstehen soll, der die heute unbekannte Herbst-Mutation viel wirksamer bekämpft als die gegen den Corona-Wildtyp aus dem Jahr 2020 entwickelten bisherigen Mittel. Die mangels speziell auf Delta und Omikron zugeschnittener Alternativen bis heute gegen alles verwendet werden müssen, was an "Mutanten " (Lauterbach) neu auftaucht.

Machtprobe statt medizinischer Notwendigkeit

Die Impfpflicht, über die der Bundestag zu entscheiden sich so schwer tut, weil es an Argumenten für ihre Einführung augenscheinlich fehlt, ist denn auch mehr Machtprobe als medizinische Notwendigkeit. Wie immer im Verlauf der Pandemie ist man aus Verzweiflung in etwas hineingestolpert, aus dem man nun nicht mehr herausfinden kann. Masken helfen nicht und sie helfen doch. Die Impfung schützt, irgendwie ganz oder doch ein bisschen. Die Inzidenz ist wichtig. Oder auch nicht. Es geht um europäische Lösungen. Nur eben auf nationaler Ebene, wenn alle anderen nicht mitmachen wollen.

Als die Delta-Variante im Oktober 2020 erstmals auftauchte, kündigte ein BioNTech-Sprecher die Entwicklung eines speziell auf diese Mutation zugeschnittene Impfstoffvariante an. Als Omikron sich zu verbreiten begann, hieß es dann, dass das Unternehmens sein Vakzin "innerhalb von sechs Wochen gegen die Variante Omikron angepassen" könne und "die ersten Chargen innerhalb von 100 Tagen ausgeliefert" würden.

Kommando letzte Chance

108 Tage später ist davon nichts mehr zu hören. Den Hauptteil der Immunisierungsarbeit erledigt das Virus mittlerweile selbst. Läuft die fünfte Welle mit derselben Geschwindigkeit weiter durchs Land, wird es der Impfpflicht am Tag ihrer Einführung akut an Impfpflichtigen fehlen, weil ganz im Spahnschen Sinne alle, die noch nicht tot sind, geimpft oder genesen sein werden. Dass die Pandemiepolitiker noch einmal all in gehen, zeigt, dass sie das auch wissen. Das Virus ist wieder schneller. Es schafft einmal mehr vollendete Tatsachen. Aber in seinem Windschatten lässt sich immer noch durchregieren.

Es ist angesichts der Infektionsdynamik vielleicht die letzte Gelegenheit, Pflöcke einzuschlagen und die Krise zu nutzen, um das Feld zu bereiten für neue Normalität all der Jahre und Jahrzehnte, die noch kommen könnten, wenn die deutsche Menschheit doch nicht ausstirbt. Mit der Impfpflicht ohne Zwang hinterließe die Seuche etwas Bleibendes von unschätzbarem Wert: Den Beweis, dass sich alles durchsetzen lässt, selbst die Suspendierung unveräußerlicher Grundrechte auf Vorrat.

Donnerstag, 17. März 2022

Abgewertet und herabgewürdigt: Rückkehr der Rassistensprache

(Achtung, der folgende Text enthält Beispiele rassistischer Sprache) 

Der Beschluss war klar, eindeutig und nicht anzweifelbar. Kaum hatte die angesehene Gesellschaft für deutsche Sprache den Begriff "Flüchtlinge" zum sogenannten "Wort des Jahres", deckte die Süddeutsche Zeitung auf, welch herabwürdigendes Potential in dem Wort steckt, das das früher allenthalben gebräuchliche abwertende "Asylbewerber" abgelöst hatte, das anstelle des Schimpfwortes "Asylant" zu verwenden einige Jahre früher beschlossen worden war. 

Negatives Potential

Neuere Forschungsergebnisse aber deckten nun auf, dass "Flüchtlinge" mindestens ebenso viel negatives Potential hatte: "Mit -ling aus Adjektiven gebildete Wörter besitzen von Anfang an einen negativen Beiklang", warnten führende Sprachforscher, die auf Beispiele wie "Fremdling", "Rohling", "Wüstling" und "Kümmerling" verwiesen, deren Sinngehalt eindeutig negativ aufgeladen sei.

Auch die Bildungen in den Jahrhunderten danach sind durchgängig negativ: Rohling, Sonderling, Wüstling, Schwächling, Kümmerling, Primitivling, Naivling, Jüngling, Weichling, Winzling und Feigling.
Fremdling und Neuling

Allesamt mittelhochdeutsche Wortbildungen mit protogermanischen Wurzeln, die wie Liebling, Zwilling oder Häuptling schon durch ihre Endung verrieten, wes' Geistes sie sind. Das Urteil fiel deutlich aus, einen regelrechten Prozess musste es gar nicht geben. Wie "Asylant", "illegaler Einwanderer", "Asylbewerber" und "Asyltourist" landete auch der "Flüchtling" auf der Liste der Worte aus der Rassistensprache. An seine Stelle traten der Flüchtende und die Geflüchtete, zwei Neubildungen grundgerechter Bauart unter Zuhilfenahme des sexusneutralen Partizip Präsenz. 

Tätigkeit aus Hauptmerkmal

Dabei wird ein Verb grammatikalisch substantiviert, um auszudrücken, dass ein aktuell ausgeübtes Tun  das unauslöschliche Hauptmerkmal einer Person ist: Der Flüchtende ist pure Flucht, er flüchtet selbst noch, wenn er das, wovor er flüchtet, hinter sich gelassen hat und dort angekommen ist, wo er hin wollte, weil er musste. Er bleibt beim Essen, beim Lesen und beim Duschen Flüchtender, sogar unabhängig vom Geschlecht, denn der Flüchtende wehrt sich gegen eine gendergerechte Sexualisierung, er kann nicht "Flüchtinnin" werden und nicht "Flüchtige". Selbst als vollendeter Flüchtender, der ortsfest bleibt, verwandelt er sich nur in einen "Geflüchteten", dem nicht nur die Möglichkeit der Verweiblichung abgeht, sondern auch die, willkürlich ein Sternchen, einen Doppelpunkt oder wenigstens einen Unterstrich zwischen den regulären Buchstaben unterzubringen.  

Besser als das abwertende "Flüchtlinge" aber allemal. Und so war es beschlossen: Flüchtende und Geflüchtete und auch die "Zufluchtsuchenden" würde das Regiment im Medienland übernehmen, in besonders fortschrittlichen Fällen ergänzt vom noch progressiveren Lehnwort refugee. Wie immer würde die Welt voller Achtung nach Deutschland schauen. Sich ganz kurz schämen. Und dann eifrig tun, was sie kann, um trotz ihrer überwiegend genderuntauglicher Fremdsprachen auf Augenhöhe mit den deutschen Respektssprecher*innen zu kommen. 

Nachlassende Wachsamkeit

Soweit der Plan. Doch dessen Ausführung lässt ein halbes Jahrzehnt nach Verkündigung zu wünschen übrig. Seit das Flucht-Thema mit dem Beginn des russischen Angriffes auf die Ukraine unversehens wieder auf die Tagesordnung geriet, scheint aber alles vergessen, was an festem Wissen längst praktisch umgesetzt schien. Der "Flüchtling" ist zurück in seinem alten Gewand mit der abwertenden Ling-Endung, er taucht in Fernsehsendungen auf, er rutscht Moderatoren heraus und er dominiert das Sprachbild von n-tv bis zum Bayrischen Rundfunk, von der "Zeit" bis zum "Spiegel"

Dort, beim ehemaligen Nachrichtenmagazin, das neueingeführte Standardbegriffe zumeist direkt aus der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) geliefert bekommt, liegt die Verwendungshäufigkeit von "Flüchtling" mit 688 Erwähnungen im zurückliegenden Jahr weit vor der der offiziell zugelassenen Begriffe "Geflüchtete" (527) und "Flüchtende" (89). Die revolutionäre Wachsamkeit, die auch bei der Neuprägung von Sprache unumgänglich ist, sie hat nachgelassen, das alte Deutschland der Abwerter, der Herabwürdiger und Liebhaber von Rassistensprache, es ist zurück im Spiel, zurück in den Redaktionen, im politischen Raum.


Die letzte Barrikade: Frieden schaffen mit Kernwaffen

Seit die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki fielen, hat die ultimative Auslöschungsandrohung einen Weltkonflikt verhindert.
Den Friedensnobelpreis hat sie nie bekommen, weil ihre friedenserhaltende Kraft stets erfolgreich geleugnet worden ist. Seit Wladimir Putin seine Truppen in Marsch gesetzt hat, um die Ukraine zu erobern, ist sie jedoch wieder die letzte Barrikade zwischen der Menschheit und dem totalen Krieg, die Wasserscheide zwischen lokalem Konflikt und einem dritten Weltenbrand auf der gesamten Nordhälfte der Erde. Die Atombombe ist 77 Jahre alt und sie genießt den schlechtesten Ruf, den irgendetwas nur haben kann: Mörderisch, vernichtend, gefährlich und von jedem anständigen Menschen bei klarem Verstand eindeutig abzulehnen. Kernwaffen machten die Welt unsicherer, sie bedrohten die Existenz der Menschheit und gefährdeten die Frieden, so heißt es regelmäßig.

Der Traum von der Entwaffnung

Stimmen, die ein Europa ohne Kernwaffen herbeisehnten, das "allein darauf hinarbeiten muss, seine Produktions- und Lebensweise so zu ändern, daß sich die Menschen hier allein gestützt auf örtliche Ressourcen nähren, wärmen, kleiden, bilden und gesunderhalten können" (Rudolf Bahro, 1982), hatten Dauerkonjunktur. Reisende Händler zogen umher, um Illusionen zu verkaufen, die Rede ging von der friedenschaffenden Kraft des Guten und die "Vision einer atomwaffenfreien Welt" (Agnieszka Brugger) war nur noch umzusetzen, damit nie wieder ein Mensch in einem Schützenloch sterben musste. Wie schön das war: So lange die USA ihren geheimen atomaren Schutzschirm über das vereinigte Europa hielten, durfte die EU beides haben: Das wohlige Gefühl der Unangreifbarkeit. Und dazu jede Gelegenheit, den Abzug der Todeswaffen zu fordern.


Bemühungen, die mangels verfügbarer Machtmittel nie über die Phase der Ankündigung hinauskamen. Offiziell gibt es keine Kernwaffen in Deutschland, die hier stationierten US-Truppen könnten welche haben, müssen aber nicht, keiner weiß es, zumindest nicht schriftlich außerhalb der Geheimhaltungsbüros. Was aber vielleicht gar nicht existiert, kann nicht abgezogen werden - nach dieser Logik verführt der souveräne Rechtsstaat Bundesrepublik seit Jahrzehnten. Immer mal wird darüber geredet, ob wohl und was dann. Immer mal kommt aber auch die als "nukleare Teilhabe" wohlmeinend verbalverpackte Bewaffnung der Bundesluftwaffe mit Kernsprengköpfen aus deutscher Lagerung wie selbstverständlich ins Gespräch.

Pazifisten, verwandelt in Bellizisten

Je nach aktueller Lage und immer, wie es eben passt. Im Ukraine-Krieg haben sich Pazifisten reihenweise in Bellizisten verwandelt. Wer eben noch den Abzug der Kernsprengköpfe forderte, hat auf einmal Tarnfleck an und den Tornister gepackt zum Marsch an die Ostfront. Auf sie mit Gebrüll! Nichts ausschließen, sagt die Führerin der deutschen Sozialdemokratie, deren frühere Wähler*Inneninnen stets die Hauptmasse deutscher Heere stellten. Die Ukraine, ohnehin im Krieg, begrüßt jeden, der an ihrer Seite kämpfen und sterben will, denn für die Ukraine kann es nicht schlimmer werden als es schon ist. Polen dagegen will den Konflikt mit Russland jetzt austragen, ein für allemal und dann Ruhe.  

Ginge es nach Kiew, Warschau, dem Willy-Brandt-Haus und dem Springer-Vorstand, wäre nicht nur die bedauernswert blanke Bundeswehr längst unterwegs auf der Felge und mit dem Friedensgewehr im Anschlag Richtung Brest, Lwiw und Kaliningrad. Nein, Deutschland und ganz Europa hätten generalmobilgemacht, um mit der ganzen Kraft einer ungedienten Generation aus schreckhaften Schülern und Klimasündern den Endkampf mit Putin zu suchen.

Der US-Präsident wirkt dagegen geradezu friedlich, wenn er aus der Ferne ankündigt, "jeden Zentimeter des Nato-Gebiets mit der ganzen Kraft einer vereinten und vereinigten Nato" verteidigen zu wollen, aber "keinen Krieg gegen Russland in der Ukraine" zu beabsichtigen. Biden, der zumindest den Austausch der Erstschläge überleben würde, will nicht wie Saskia Esken, Matthias Döpfner und eine Reihe von Osteuropäern  "eine direkte Konfrontation zwischen der Nato und Russland" riskieren, weil es sich bei Russlands Atomdrohungen vielleicht auch um einen Bluff (Selenskyi) handeln könnte. Biden weiß, ist es keiner, wäre das "der Dritte Weltkrieg, den wir unbedingt verhindern wollen."

Zwischen Kriegsausbruch und containment des Konflikts in den Grenzen der Ukraine stehen nicht Esken, Döpfner, Morawiecki, Stoltenberg, Bundeswehr-Tornados, Bitten der Weltgemeinschaft, Gebete oder Sanktionen. Verhindert wird die Eskalation des Regionalkonfliktes zu einem Messen aller Kräfte nur von einem einzigen Umstand: So lange Ost und West sich gegenseitig mit Kernwaffen bedrohen, kann jede Auseinandersetzung nur bis zu einer roten Linie geführt werden, hinter der beiden Parteien die totale Vernichtung droht. Ausgerechnet die Bombe aller Bomben hat so seit dem 9. August 1945 maßgeblich zur Befriedung der Welt beigetragen. Kriege wurden geführt, aber eben nicht mehr ohne Grenzen. 

Menschen starben durch Waffengewalt, aber die Zahl der Opfer sank beständig. Sowohl die Aussöhnung in Europa nach zwei Weltkriegen als auch das Ende des Ost-West-Konfliktes und die folgenden drei Jahrzehnte traumhafter Idylle, in der die Lämmer neben den Wölfen weideten, sie waren nur möglich durch die von der Atombombe garantierte Unmöglichkeit, Konflikte kriegerisch auszutragen wie es viele Jahrhunderte davor Sitte, Brauch und Tradition war.

Unendliches Abschreckungspotenzial

Die als "Massenvernichtungswaffe" bezichtigte Bombe - von Robert J. Oppenheimer und Edward Tellerauf US-Seite und dem spätere Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow auf sowjetischer unendliches Abschreckungspotential geschaffen, dass das Ausbrechen eines erneuten verheerenden Weltkrieges dauerhaft verhindern sollte, hat bis hierher genau das getan, was von ihr erhofft worden war, das zeigt ihre Bilanz. Seit die nukleare Drohung in die Welt kam, gelingt es, Konflikte einzugrenzen und oder sie weitaus blutsparender abzuwickeln als zuvor.

Mehr als 50 Millionen Menschen starben im letzten Krieg der Vor-Atom-Ära. Seitdem gingen die Opferzahlen über 2,8 Millionen (Koreakrieg), 1,7 Millionen (Vietnamkrieg), 150.000 (erster Golfkrieg) und 350.000 (2. Golfkrieg) beinahe beständig zurück. Die große Bombe hat in Hiroshima und Nagasaki grauenhafte Opfer gefordert. Doch verglichen mit der Kalaschnikow, dem M16, der Haubitze und dem Panzer ist sie keine Massenvernichtungswaffe. Selbst durch kleinkalibrige Pistolen sind bis heute mehr Menschen gestorben als durch Kernwaffen, die ihre Besitzer unverletzlich machen. Allerdings eben nur, so lange ihre Besitzer die anderen Besitzer in Frieden lassen.

Feldzug unterm Schutzschirm


Wladimir Putin droht damit, Atomwaffen zu besitzen, um anzudeuten, dass er sie einsetzen könnte. Zumindest ein Teil der Verantwortlichen im Westen versteht, worum es geht: Der Russe will in Ruhe gelassen werden, um seinen mörderischen Feldzug "planmäßig" (Putin) beenden zu können. Er weiß, dass ihn niemand daran hindern kann, will er nicht den größten denkbaren globalen Schlagabtausch riskieren. Auch wenn die Moral befiehlt, ihn damit nicht durchkommen zu lassen: Die Vernunft ruft "Atombombe" und verhindert damit bisher eine Eskalation über die Grenze dessen hinaus, was als begrenzter Konflikt noch die Chance hat, eines Tages am Verhandlungstisch beendet zu werden.