Donnerstag, 28. April 2011

Gaukler und Gehenkte

So seltsam ist das. Jahrhundertelang hieß der zentrale Platz von Marrakesch "Jemaa el Fna", zu deutsch "Platz der Gehenkten" (Panoramafoto oben, anklicken zur besseren Darstellung). Dann ein Terroranschlag, ein Blutbad, ein Dutzend Tote. Und aus dem "Platz der Gehenkten" wird im Leitmedium "Spiegel" der "Platz der Gaukler". Falsch, aber friedvoll. Und ab morgen auf allen Kanälen, denn wenn es einer sagt, sagen es alle. Und nachschlagen ist ja verboten.

Abrechnung am Tag danach: 335 deutsche Zeitungen haben den "Platz der Gaukler" vom "Spiegel" übernommnen. Ein Blatt hat den "Platz der Gehängten" ganz für sich allein erfunden. Und immerhin eine benutzt den korrekten Namen.

5 Kommentare:

Teja hat gesagt…

Ich erwarte ja schon keinen Wahrheitsanspruch. Aber dann wenigstens Präzision bezüglich Daten wie Geographie, Datum u.ä.

Anonym hat gesagt…

Vermutlich kann den zartbesaiteten deutschen Gutmenschen-Lesern keine solch "menschenverachtende Bezeichnung" zugemutet werden. Zudem könnte das dem Image der "Religion des Friedens" abträglich sein, wenn in ihrem Wirkungsbereich von Gehenkten die Rede ist.

Oels hat gesagt…

Mir persönlich gefällt die taz-online Version aus dem Jahre 2008 vom "Dscheema El Fna" als dem "Platz der Geköpften". Das kommt der Sache wohl am nächsten, im Messer und Säbel-affinen Nordafrika.

ppq hat gesagt…

die selber erzählen dort aber, es heiße gehenkt, weil da aben das gemacht wurde. die leute wurden "gehängt", wie die rheinische post schreiben würde.

apollinaris hat gesagt…

Da handelt es sich wieder um eine typische europäisch-kolonialistische Geschichtsfälschung, der wir aufgeklärten EU-Europäer der Neuzeit nicht auf den Leim gehen sollten. Nur ein cleverer Trick der ehemaligen französischen Kolonialmacht, um durch die Mär von den "Gehenkten" von den fachmännisch nach Landessitte Geköpften abzulenken und die orientalisch landestypischen Sitten und Gebräuche der Vergessenheit anheim fallen zu lassen. Hier tut Aufklärung und Buße für die kolonial-imperialistischen Verbrechen der europäischen Unterdrückerstaaten not.

Auch diesbezüglich haben wir eine internationale soziale Verantwortung, der wir in geeigneter Weise gerecht werden müssen.