Donnerstag, 29. Dezember 2016

Trump-Spam aus Mazedonien: Die Erfindung einer Fake-Fabrik

Gleichlautender Quatsch, der dem Wunsch der Politik nachkommt, Gründe für eine schärfere Netzüberwachung zu finden.
Eine „Stadt der Lügner“ hat auch der „Zeit“-Journalist Ulrich Ladurner entdeckt, als er auf der Suche nach dem überraschenden Wahlerfolg von Donald Trump und auf der Spur zahlloser Vorrecherchierer in die Kleinstadt Veles in Mazedonien vordrang. Hier, beschreibt der Reporter dann, treffe man Menschen, „die offen darüber erzählen, wie sie mit Falschnachrichten Geld verdienen“. Das ist keine neue Entdeckung, denn vor der „Zeit“ haben schon "Welt" und NZZ, die SZ, die Financial Times und
die BBC ähnliche Befunde veröffentlicht.

Danach sitzen im Provinzstädtchen Veles junge Leute, die mit schnell zusammengeklauten Nachrichten, von denen viele komplett frei erfunden waren, nicht nur die Wahlen in Amerika entschieden, sondern auch viel Geld verdient hätten.

Eine Geschichte, die sich ihrerseits im Netz verbreitet, seit der englische Guardian im Sommer entdeckt hatte, dass ausgerechnet in Veles 140 Domainnamen registriert sind, die Pro-Trump-Inhalte im Internet verbreiten.

Namenlose junge Männer


Damals staunten alle, nachdem Trump aber gewonnen hatte, wurde aus der lustigen Randnotiz eine märchenhafte Fake-Fabrik und die mazedonische Spur zu einem modernen Medienmythos.

Namenlose junge Männer schwätzen ahnungslosen Reportern nun ins Ohr, dass „Trump versus Clinton die Goldader“ ("Zeit") gewesen sei. Schnell ganz viel Geld hätten hier alle verdient, 600, 700 Euro am Tag.

Und wie? „Von Facebook gibt es pro Klick einen Cent und von Google zusätzlich Geld für Werbung, die auf den angeklickten Websites platziert werden kann“, heißt es in der "Zeit", die auch protokolliert, dass von den Trump-Spammern vom eingespielten Geld nagelneue Mercedesse bestellt worden seien. Warum auch nicht? Der Spitzenverdiener im Fake-News-Geschäft habe schließlich  „in knapp 50 Tagen 180.000 Euro kassiert“, schreibt die "Zeit".

Das sind 3.600 Euro am Tag. Bei den Beträgen, die Googles Adsense-Programm an webmaster ausschüttet, bräuchte es dazu zwischen  30.000 und 150.000 Webseitenbesucher. Pro Tag.

Falschnachrichten! Goldgrube!

Das Problem daran ist nur, dass nichts von dem stimmt, was übereinstimmend berichtet wird. So bezahlt Facebook niemandem auf der Welt einen Cent für irgendeinen Klick. Nein, zu diesem Tarif verkauft Facebook Werbung  - und manche Seitenanbieter kaufen Klicks - allerdings auf ihre Seiten, nicht auf die anderer.

Reichtum ohne Werbung


Auch Google fällt als Quelle des frischen mazedonischen Reichtums aus. Die Seiten, die von den Kronzeugen der Fake-News-macht-reicht-Story genannt werden, sind werbetechnisch durchweg alle mausetot. thedailybox.com etwa, von der „Zeit“ als eine der großen Fake-News-Seiten aus Veles genannt, liegt bei den Abrufzahlen im Netz jenseits dessen, was die Analyseseite Alexa überhaupt erfasst. Das heißt, hierher verirren sich so wenig Besucher, dass es nicht möglich ist, Daten darüber zu erfassen. 150.000? 30.000? Eher 30.

Selbst im anderen Fall aber könnte kein Werbegeld aus der von der "Zeit" genannten Google-Quelle an den Besitzer fließen, der sich Angel Draskackompaninennt. Weil thedailybox.com keine Werbebanner enthält. Auch trumpvision365.com hält es so. Auch diese Seite ist ganz offensichtlich viel besucht: Kein Like, kein Tweet und der aktuellste Post stammt vom 7. Oktober.

Wahlbeeinflussung nach der Wahl


Ähnlich sieht es Uspoliticsnow.com aus, einer weiteren Seite, die von Zeit, Welt und anderen als sprudelnde Geldquelle der mazedonischen Trump-Mafia bezeichnet wird. Traurigerweise wurde die Seite erst knapp zwei Wochen nach Trumps Wahl überhaupt registriert - am 16.11., nicht von Veles/Mazedonien, sondern von Queensland in Australien aus. Vom Wettkampf Trump/Clinton ließ sich da schon nicht mehr profitieren, weil der Wahlkampf längst vorüber war.

Wie der „Focus“ auf die Idee kommen kann, dass sich mit dieser und anderen Seiten „viel Geld“ (Focus) verdienen lasse, bleibt ebenso rätselhaft wie die Überzeugung der „Zeit“, dass die amerikanische Wahl in Mazedonien ein „besonders lohnenswertes Geschäft“ (Zeit) gewesen sei. Wieso sollten kümmerlich englisch sprechende Mazedonier („Your posts are poorly written“, klagen Nutzer auf der Facebook-Seite), mit kopierten Nachrichten von amerikanischen Internetseiten mehr Geld verdienen als die - von Suchmaschinen stets höher gerankten - Seiten, auf denen die Fake News zuerst erschienen? Wenn doch auch WorldPoliticus.com, ebenfalls als eine der gefährlichen Falschnewsquellen genannt, komplett werbefrei ist?

Und der Facebook-Auftritt der Macher zwar erstaunlich gut frequentiert. Aber brotlose Kunst, weil Facebook niemanden dafür bezahlt, dass er Nutzer zu Facebook lockt und sie hier unterhält.

All das liegt auf der Hand. All das ist keiner der Edelfedern aufgefallen, die auszogen, die gewünschte „Fake-Fabrik“ zu finden.

Lieber ließen sie sich von Kellnern wie „Viktor“ aus einem Café in Veles erzählen, dass mazedonische Kleinseitenbetreiber zum Wahlsieg Donald Trumps beitrugen, indem sie etwa behaupteten, Trumps Konkurrentin Hillary Clinton sei in Wahrheit ein Mann.

So einer ist Trump auch. Geschadet hat es ihm nicht.


1 Kommentar:

derherold hat gesagt…

Stadt der Lügner ?

Hamburg ?