Montag, 19. Oktober 2009

Interpretation im Eis

Daten allein können nie richtig sein. Es kömmt, so sprach schon Karl Marx, Erfinder einer später vielgelehrten Wissenschaft, auch darauf an, sie zu verändern. Die "Aktuelle Kamera", seit einigen Jahren unter dem neuen Namen "Tagesschau" die meistgesehene Sendung des deutschen Staatsfernsehens, hält sich daran. Am 28. April diesen Jahres etwa berichtete der ARD-Tochtersender Radio Bremen von der Rückkehr einer Expedition des Alfred-Wegner Instituts aus der Arktis. Das Forschungsflugzeug "Polar 5" habe die aktuelle Eisstärke am Nordpol gemessen. "Das Ergebnis ist überraschend", hieß es, "das Meer-Eis in den untersuchten Gebieten ist offenbar dicker, als die Wissenschaftler vermutet hatten."

Normalerweise sei neu gebildetes Eis nach zwei Jahren gut zwei Meter dick. "Hier wurden aber Eisdicken von bis zu vier Metern gemessen", staunte ein Sprecher des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung.

Aber Daten sind Daten, und wenn man sie erstmal hat, ist es auch egal, wie dick das Eis wirklich ist. Fünf Monate nur benötigte das Alfred-Wegner-Instutut zur Verarbeitung der überraschenden Meßergebnisse, die anschließend in der "Tagesschau" und zahllosen anderen Qualitätsmedien in ganz neuem Licht präsentiert werden konnten. Nun mehr war der "Anteil mehrjährigen dicken Eises inzwischen soweit zurückgegangen, dass die sommerliche arktische Meereisbedeckung sehr viel empfindlicher auf atmosphärische Anomalien reagiert als noch vor zehn oder zwanzig Jahren“. Dieses Ergebnis ist in der Tat überraschend.

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