Donnerstag, 25. März 2010

Abriss-Exkursionen: Baracken aus dem Pleistozän

Was gewesen ist, bleibt nicht, denn was bleibt, ist nicht gewesen. In der Binnenhafenstraße, die in Halle zu einem Hafen führt, in dem kaum jemals ein Schiff anlegt, hat sich die Verwaltung entschieden, notwendige Abrissarbeiten am ehemals gewerblich genutzten Gebäudebestand von der ansässigen Jugend und der Natur erledigen zu lassen. Mit malerischem Grazie fällt zurück ins Pleistozän, was den Einheimischen in sozialistischer Zeit Arbeit und Brot gab. In Dünnbauweise errichtete Baracken, deren Zweck in einigen Jahren niemand mehr wird erahnen können, lasssen sich willig überwuchern von Disteln und Kletterpflanzen, die verschwenderisch voluminös gegossenen Heizungsanlagen hat der Schrottsammler schon geholt, das dämmende Asbest-Glasfasergemisch aus den Zwischenwänden trägt der Wind allmählich fort, unter Kleingärtnerabfall und Industriemüll versteinert zu unlösbaren Rätseln, was von der Vergangenheit geblieben ist.

"Große Lastschiffe sollen in Halle an der Saale ankern", hat der Gebührenfunk einst fantasiert, und von dort wären sie dann "weiter bis in die Elbe in Richtung Nordsee" geschippert. Dazu ist es nicht gekommen. Aber auch und wenn: Die Binnenhafenstraßen-Baracken, von denen nicht sicher ist, ob dort früher biologische Waffen gebaut, Menschen gequält oder ungeheuerliche Verwaltungsakte an wehrlosen Leichtmatrosen vollzogen worden sind, würden aber in jedem Fall zurückbleiben. Angezündet, aber nicht abgebrannt, aufgegeben, aber Zeugnis legend von einer Zeit, als sich die Natur zurückholte, was der Mensch meinte, nur von seinen Enkeln geborgt zu haben.

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