Donnerstag, 1. April 2010

Mißbrauch erreicht Scientology

Mit sechstausend Mitgliedern bundesweit kämpfen sie seit Jahren beharrlich mit der NPD um den Titel gefährlichste Verein von Grundgesetzfeinden, der angestrebten Weltherrschaft aber ist die Scientology-Kirche trotz aller Warnungen durch Sektenbeauftragte, Aussteiger-Dokumentationen und Verfassungsschutzberichte nicht näher gekommen. Die ARD versuchte deshalb jetzt, die vom Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard erfundene Religion per Spielfilm zu popularisieren.

Ein Unternehmen, das hervorragend ankam. Mehr als acht Millionen Zuschauer freuten sich, nach ewigen Dokumentationen über den liebevollen Missbrauch von Kindern in katholischen Internaten endlich mal einer "menschenverachtenden Organisation" (Bayerns Innenminister Joachim Herrmann) bei der Arbeit zuschauen zu dürfen. Sekteninsider Herrmann, der zuletzt als Fachmann im Fall Mannichl vor einer "neuen Qualität rechter Gewalt" gewarnt hatte, war nach dem Anschauen des Filmes geplättet: Die Lehre der Scientologen ziele offenbar darauf, dass "die Besseren, Klügeren und Stärkeren über die Schwächeren herrschen", teilte der erschrockene CSU-Politiker der Bild-Zeitung mit.

Dazu benutzt die Organisation, die in Berlin schon nicht mehr öffentlich stresstesten kann, weil niemand mitmachen will, eine lebensnahe und völlig logisch klingende Welterklärung: In jedem Menschen sitzt ein unsterblicher Thetan, der seinerzeit das ganze uns umgebende Weltall erfunden hat, seitdem reinkarniert er immer wieder und in verschiedensten physischen Formen, ohne es selbst zu wissen, weil ein böser intergalaktischer Herrscher ihn vor Urzeiten ähnlich einem katholischen Internatsschüler schwer missbraucht und misshandelt hat.

Ein fast todsicheres Rezept zur Eroberung der Massen, weshalb Bild Herrmann zur Sicherheit nochmal konkret fragt: "Mit welchen Methoden und Mitteln versucht Scientology, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung außer Kraft zu setzen?" Der Innenminister hält mit Wahrheit nicht hinterm Berg: "Scientology versucht immer wieder", beschreibt er knallhart all die geheimen Methoden der Sekte, "Bürger in die Fänge zu bekommen, um sie anschließend einer Gehirnwäsche zu unterziehen".

Gut, dass eine warnende Fernsehrunde bei Knallhart Plasberg nach dem Fall des Filmvorhangs ausführlich ein Verbot der verbrecherischen Organisation diskutieren konnte. Herausragend der Aufklärungsbeitrag eines investigativ agierenden Reporters, der sich in die Sekte eingeschmuggelt hatte, um mit versteckter Kamera zu zeigen, wie er an einem Schreibtisch sitzt, auf dessen anderer Seite ein Sektenmitglied Platz genommen hat. Das befragt ihn dann mit scharf heruntergekurbelter Stimme etwa danach, ob er gekommen sei, um Scientology zu schaden.

Der wackere Enthüller sagt nein, der Lügendetektor aus Coladosen und Taschenlampenbatterie glaubt ihm. Plötzlich weiß man, warum es "Scientology in Deutschland bisher nicht gelungen" ist, "im großen Stil Fuß zu fassen und starken Einfluss auf das gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Leben zu gewinnen", wie Joachim Herrmann analysiert, der mit dem ehemaligen DDR-Propagandachef Joachim Herrmann weder identisch noch verwandt ist, auch wenn man auf den Gedanken kommen könnte. Wachsamkeit und "intensive Aufklärungsarbeit" hätten das verhindern können. Doch "in den USA ist das ganz anders, dort hat die Organisation durch ihre Anerkennung als Religion und Kirche quasi Narrenfreiheit". So dürfen Bücher des vor einem Vierteljahrhundert verstorbenen unsterblichen Oberthetan Hubbard öffentlich und ohne Altersnachweis verkauft werden. Es ist nicht einmal untersagt, sie unter ein "Bestseller"-Schild zu legen. Dabei ist die Scientologen-Bibel "Dianetik" gar keiner - sie rangiert bei Amazon nur auf Platz 2008 der Bestsellerliste, direkt hinter dem Buchhit "BARF - Biologisch Artgerechtes Rohes Futter für Hunde". das, so wurde gestern bekannt, wird die ARD nun im kommenden Monat aus der Sicht eines betroffenen Bernhardiners verfilmen. Die Diskussionsrunde dazu wird erneut Plasberg leiten.

9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hier herrschen, Gottlob, die Idioten über die, die noch nicht ganz irre sind. Da weiß man doch was man hat.

Anonym hat gesagt…

Ist das nicht irgendwie masochistisch, sich erst den Film und dann den Plasberg zum Thema reinzuziehen.

Ich danke dem wackeren Selbstversucher ppq für seinen Mut, denn ich habe mich anderweitig beschäftigt.

ppq hat gesagt…

ich denke ja, der plasberg ist auch so ein thetan. der guckt immer so. und die merkeln erst.

beste meldung in dem zusammenhang: "scientology hat in deutschland keine mitglieder gewonnen, obwohl tom cruise stauffenberg gespielt hat"

also ich muss sagen, als ich aus dem kino kam, habe ich überlegt, ob ich eintrete

ppq hat gesagt…

nee, den film habe ich nicht gesehen. ich kannte ihn schon

bpb hat gesagt…

...und keiner fragt nach Bruno Gröning. http://olekrueger.wordpress.com/2008/08/18/und-keiner-fragt-nach-bruno-groning/

ppq hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
ppq hat gesagt…

direktlink zu gröning beim pankowblogger: Bruno

VolkerStramm hat gesagt…

Das undifferenzierte Scientology-Bashing geht mir schon lange auf die Nerven. Wir sollten endlich differenzieren zwischen die vielen ganz dolle lieben Scientologen und den wenigen Scientologysten.

Und sollte mal was dummes passieren, dann sind das alles Einzeltaten, die nichts mit Scientology zu tun haben.

bpb hat gesagt…

Scientology hat nun auch nen Film gedreht. Als Antwort gewissermaßen. Freu mich schon auf den Antwort-Antwort-Film der ARD.
http://www.youtube.com/user/ScientologyKanal